Orthopädietechnik

Rehabilitationsmittel

Du bist der Sonnenschein in meinem Leben

möchte für immer mit dir im siebten Himmel leben

Meine Sehnsucht ist so groß nach Dir

Bitte bitte bleib bei mir!

Wie oft hörte ich, Tauben seien die Ratten der Luft? Dass sie zuviel Dreck machten, man sie abwehren müsse, ihr Kot Fassaden angreife, sie Parasiten hätten und Krankheiten übertragen würden. In Berlin sprach man in den vergangenen Jahren von Taubengift, dann von Verhütungsmitteln – auf jeden Fall davon, wie man die Anzahl der Tauben reduzieren könne. Man versucht es mit Netzen, Nadeln an Gebäuden, mit Strom geladenen Drähten, Abschießen, Bejagen mit Falken, mit Attrappen von Taubeneiern. Hier sah ich die Tauben über der Stadt, wie sie sich täglich ausgiebig putzen. Fand sie weder dreckig, noch hässlich.

Dann las ich nach: Die von Stadttauben ausgehende Gefahr für die Gesundheit der Menschen ist gering.

Dann merkte ich, wie beeinflussbar auch ich bin: Durch diese Pressemeldungen sah ich Tauben als etwas Dreckiges, dann bald schon Ekeleregendes, dann konnte ich nicht mehr verstehen, wie man sich auf Plätzen in anderen Ländern in Taubenschwärmen bewegen kann. Dann fand ich sie abscheulich anzusehen und schließlich abstoßend hässlich. Ich fand auch – ich dachte, ich wüsste – bald war ich überzeugt, es seien besonders dumme Tiere. Ich habe mich gewundert, wie man sowas (da ist schnell der Weg vom Lebewesen zum Ding gemacht) als Boten der Liebe, als Symbol für Frieden so hoch schätzen kann.

Als nächstes wollte ich sie überhaupt nicht mehr in der Nähe und dann nicht mehr vor Augen haben. Wären sie für immer verschwunden, ich hätte es nicht einmal bemerkt.

Kaum zu glauben, wie das immer wieder funktioniert.

Wenn Menschen andere Menschen herabsetzen wollen, behaupten sie meist, die anderen seien dreckig. Wenn es nur lang genug wiederholt wird, dringt es irgendwann ins Bewusstsein ein, kommt so ganz nebenbei daher – und will man sich eigentlich mit solchen Sätzen gar nicht befassen, erst recht. Im Unterbewusstsein sind es kleine, fast unbemerkte Schritte, wie solche herausgepickten Menschen immer weiter herabgesetzt werden. Als Nächstes hält man sie vielleicht nicht unbedingt für dreckig, aber für weniger klug.

Und dann bleibt an so einer Taube irgendwann der Dreck kleben.

In Italien isst man zu Ostern Colomba pasquale, ein Gebäck in Form einer Taube mit ausgespannten Flügeln, mit kandierter Apfelsinenschale, Butter und einer Glasur aus Eiweiß, Zucker und Mandeln.

Kaiser Friedrich Barbarossa zog mehrmals mit einem Heer nach Italien, um die norditalienischen Städte zu Gehorsam zu zwingen. Er ließ Mailand komplett zerstören, die vertriebenen Bewohner der nicht mehr existierenden Stadt durften nicht zurückkehren. 1176 kam es bei Legnagno in der Lombardei wieder zu einer Schlacht. Dabei sollen zwei weiße Tauben bei den Mailänder Rittern gelandet sein. Diese nahmen die Tauben als göttliches Zeichen, dass sie Barbarossas Armee besiegen würden. So geschah es auch. Kaiser Barbarossa wurde erst für tot gehalten, aber er konnte nach Pavia fliehen. In Pavia backten die ersten Konditoren die süßen Tauben aus Hefeteig.

Es gibt auch Tauben gefüllt mit einer Eier-Sahne-Creme, genannt Diplomat.

Überhaupt überall zu Ostern viel Essen und einen Osterspaziergang. Auch für Tauben. In Greve in Chianti wird für den Ostersonntag über den Kirchplatz ein Stahlseil gespannt. Die Einwohner kommen zusammen und sehen zu, wie eine Plastiktaube auf dem Seil von einem Feuerwerkskörper angetrieben über den Platz und wieder zurück geschossen wird, sie feuern an und applaudieren.

Vor Jahren ging ich einmal von der Arbeit zur U-Bahn, um nach Hause zu fahren. Die Luft war still, der Himmel grau, ein Luftzug fegte die Blütenblätter auf dem Weg zu einem Häufchen zusammen. Ich war vielleicht noch zwanzig Schritte vom U-Bahneingang entfernt, da schaute ich auf und sah zehn Tauben in einem Baum auf zehn Ästen sitzen, alle nah am Stamm. Ich dachte, was ist denn mit denen los? Sind sie krank? Warten sie auf etwas? Zwei Schritte ging ich noch, da brach aus dem stillen Himmel, an dem sich nichts bewegte, ohne ein ankündigendes Geräusch, ein Regenguss so heftig, dass ich in Sekunden bis auf die Haut durchnässt war. Als wären die Wolken übergelaufen. Es war keine Zeit, sich unter ein Dach zu retten. Die Tauben wussten es vorher und hatten sich bereit gesetzt.

Heute schwere schwarze Wolken am Himmel. Der Wind zaust das Gefieder. Man braucht einen warmen Pullover.

Kauf mal nix. An jeder Ampel ist Zeit zwei Reihen zu stricken, bevor sie auf grün umschaltet.

Gudrun ruht auf der Balustrade und singt: Ich will nen Cowboy als Mann. Der Wind macht ihr sonst glattes graues Gefieder zu rauer See. Dabei kommts mir gar nicht auf das Schießen an… Das hören die Krähen auf der Ecke, die sich immerzu in alle Richtungen umschauen, zwei Kopfwendungen pro Sekunde. Sie sind misstrauisch, bei den Menschen weiß man nie, wer sie sind. Ein ganzes Ballett tanzt im Taubengewand und wenige Wochen zuvor liefen die Menschen, eine Sängerin zu hören, die sah nicht nur aus wie eine Taube. Die Vogelwelt ist überzeugt – sie ist eine als Mensch wiedergeborene Taube. Gibt’s Beweise?

Wohl ja, mehr als genug. Ihre Stimme!

Vielleicht war sie vorher eine Krähe?

Dann wäre niemand zum Zuhören hingekommen.

Ich bin die Frau, die dich liebt, gurrt Gudrun, weil Rudi nicht an sie rankommt, denn sie wird von Uwe bewacht, der immerzu um sie herum trippelt. Die Sängerin, Gitte Hænning, zupfte an ihrem Plusterkleid, wenn sie nicht sang, richtete in einem fort ihre Flügel und ihr Unterpluder. Ab und an breitete sie still ihre Arme aus. Dann sang sie: Ich will alles und zwar sofort. Sonnenklar, sie möchte wieder fliegen können. Sie sehnt sich, wieder eine Taube zu sein. Am liebsten eine weiße Taube mit schwarzem Zylinder und schwarzen Füßen. Sie lehnte so weich am großen schwarzen Flügel.

Doch ne Krähe! Der schwarze große starke Flügel, glänzend wie ein Rabenvogelflügel! Seht ihr! Und ihr denkt, ihr wisst was, ihr dummen Tauben!

So schrieen die Krähen und flogen davon. Nein, nein, erwidern dennoch geduldig die Tauben, ob es jemand hört oder nicht. Hat sie den Zuhörern nicht erklärt, was eine Scheibe ist? Meine neue Scheibe, eine klitzekleine CD. Dass die Erde eine Scheibe sei, das denken doch nur die Menschen. Sie erklärte ihnen, was eine Scheibe ist, und das ist der stärkste Beweis! Außerdem muss man nur hinsehen. Sie ist eine Taube.

Was die Tauben gurren auf der Balustrade.

 Guckegucke, siehst du? Sie sind alle in taubengrau und taubenblau gekleidet. Sie wollen wie wir sein.

Ja, seh ich. Sie tragen Kostüme in Taubengefiedermuster, eine Idee violett und grün dabei, schön eben wie wir.

Guckegucke, wie sie springen, sie recken und strecken sich nach oben und fast gehts hinauf – sind beinah federleicht und heben einander immerzu hoch.

Aber bleiben nicht oben.

Nee, bleiben nicht oben. Aber soll ja passen zu der Musik von der Erde und vom Frühling von dem Strawingski.

Da ist wieder dies Wort, wing, das hieß doch Flügel, nich?

Hm, das kommt bei denen immer wieder vor. Gucke, jetzt mit anderen Kostümen wieder im Taubentanz, in Schöne Ulla-Farben.

Seh ich doch.

Haben einen Stoff vorn auf der Brust, soll aussehen wie eine männliche Brust.

Taubenmännlich, meinst du.

Natürlich, wovon reden wir denn sonst? Oder sollte es sein, dass sie sich mal aufplustern können? Jedenfalls sehr fedrig.

Aber die Musik fliegt bis oben, dabei ist sie ganz da unten drin, gucke. Aber sie kommt doch von oben, oder kommt sie nicht von oben?

Wohl ja.

Das klingt so nach Wind und Sonne, Blitz und Donner – Gewitter, Regen, und dann knistert es, wenn die Grashalme trocknen, aber in der Ferne treibt der Wind schon wieder schwere schwarze Wolken heran und wenn sie unten ein bisschen grünlich sind, hockt der Blitz darin. Und das Gedonner geht wieder los.

—

Eine Frau sagte, die Bläser waren so gut und dass Bayern Dreinull verloren hat. Und: Sonst finde ich immer einen Fehler, aber heute habe ich nichts zu meckern.

Ja, ja – es war schön. Fliegen wir noch mal hin, wieder ihre Gewittermusik hören?

Ja, machen wir. Und gucke heute pfeift der Wind, die Bäume sind schräg und es kamen die schweren Wolken. Das können sie so schön mit der Musik: Wetter rufen.

Sie mögen wohl vom Fliegen träumen und sich anziehen hübsch …

Aber fliegen können sie doch nicht.

Na, wohl besser so.

Wann immer die Tauben oben sitzen, schauen sie nach unten. So wie Rudi:

Ich gehe raus, mal gucken, was sie von oben da unten so sehen:

Wie lange haben Otto Lilienthal und Leonardo Vögeln beim Starten und Landen zugesehen?

Hans Grade unternahm seine ersten Motorflugversuche mit seiner selbstgebauten Flugmaschine ab September 1908 auf dem Cracauer Anger in Magdeburg. Ein paar Wochen später flog er 60 Meter in acht Metern Höhe und machte dann eine Bruchlandung. Manche Magdeburger werden auf dem  Exerzierplatz zugesehen haben, mit Hüten, Stöcken oder in langen Kleidern.In Bäumen und auf Häuserdächern saßen Vögel und lachten und erzählten später ihren Kindern davon und die wieder ihren undsoweiter. Heute schauen sie nicht mal mehr auf, wenn über ihnen ein Motorflugzeug entlang knattert. Heute geht es den Menschen um den Luftwiderstand von toten Insekten auf Flugzeugflügeln, die man vermeiden möchte, um Treibstoff zu sparen. Die Insekten machen den meisten Vögeln keine Sorgen. Im Gegenteil, sie werden im Flug geschluckt und bei der Landung sind die Vögel satt. Könnten die Menschen davon noch lernen?

Wie fliegen die Tauben ab? Breiten sie die Flügel aus und fliegen dann los? Oder lassen sie sich erst fallen und breiten dann die Flügel aus? Das Losfliegen dauert vielleicht eine halbe Sekunde, sodass ich es lange nicht erkennen kann, aber bei Gottlieb sehe ich es dann genau: er stößt sich von der Kante ab und im Fallen breitet er die Flügel weit aus. Ohne einen einzigen Flügelschlag segeln die Tauben in einer weiten Kurve in den Hof hinab bis zum Boden.  Beim Landen nehmen sie die Flügel senkrecht hoch, flattern ein-, zweimal, ein, zwei Schritte, dann stehen sie. Die schöne Ulla und ihr Gustel halten sich am liebsten auf der kleinen Wiese auf. Die anderen Tauben behalten die Mülltonnen, die Haustüren und die Rivalen in Sachen Liebe im Blick. Nur einer Krähe kann es gelingen eine ganze Plastikschale mit Wurstpellen im Flug bis in den 10. Stock hinauf zu transportieren. Die Tauben picken auch daran herum, bis der Wind die leere Packung wieder abwärts trägt.

Gottlieb, Ute, Grit, Uwe, Ulla, Urs, Gudrun und Rudi mit den weißen Flügelspitzen auf der Balustrade und dem Terrassenboden zur Kontrolle der Lage (ob was liegt) vor den Küchenfenstern. Wahrscheinlich sprechen sie auch über mich:

Gucke gucke, da ist eine.

Hat sie kein Zuhause?

Vielleicht ist sie eingesperrt?

Vielleicht Verbannung?

Ja, human, in dieser großen Voliere mit sovielen Fenstern.

Damit sie sich nicht so eingesperrt fühlt.

Mir war so, anfangs, als hätten sie mich gefragt: Was machst du hier in M.? Alle ziehen nach Berlin und du kommst hierher? – Ich mach Platz für Neuankömmlinge, sagte ich. Die Tauben halten mich für einen Wandervogel.

Urs und Gottlieb, während Gudrun ruht, gehen vor mir auf und ab:

Gucke gucke, wir leben hier auf dem Dach.

Wir sind so richtige Marken.

Dachmarken. Wir sind die Gebietskörperschaft des Himmels.

Haben die Menschen eigentlich auch Namen?

Wieso Menschen? Ich dachte, die heißen da unten alle Otto.

Was sie so sehen beim Flug durch die Stadt (Tauben können lesen): Otto stellt Fragen, Otto rüstet sich, Otto erinnert sich, Otto spricht günstig (jedes Wort billig?), Otto sagt hallo (ruckediguh!), Otto singt, Otto forscht, Otto hält zusammen, Otto hat fun, otto hat hit (das muss ein Fehler sein, die meinten Hut), Otto liebt Frühling (klar, gibt’s Futter), Otto ist gesellig (wo Tauben sind, kommen Tauben hin), Otto erzeugt (Eier? – wir Tauben sprechen offen über alles), Otto liebt Theater (oh, wir sind immer dabei), Otto meldet an (die Geschlüpften?), Otto erholt sich (von der Kampagne), Otto sieht grün (Otto ist blau?), Otto tanzt (gurrt er dann auch?), Otto studiert (das Leben und Wirken der Tauben?), Otto von oben (ha! Einbildung), Otto hebt ab (da kann Rudi nur lachen), Otto schaut public viewing …

Wisst ihr, was das heißt?

Nee, woher?

Das muss irgendwas mit wing zu tun haben, mit Flügeln.

Ernst Jandl hat’s vorhergesehen: „Otto: Ogottogott“

Aber da ging’s doch um einen Mops!

Fängt aber auch mit M an.

Überall auf unserem Kontinent, wo Menschen sind, leben Tauben in der Nähe. Sie beobachten uns, wir beobachten sie.

Bei uns sind Tauben ein Symbol für friedlich, ohne Arg, vielleicht ein bisschen einfältig. Anpassungsfähig allemal, Stadttauben gehören zu jedem Häuserhaufen. Ganz im Gegensatz dazu werden Falken gesehen, die Symbol geworden sind für überforsche, rücksichtslose Menschen. Auf Politiker angewendet, nennt man Pazifisten und Gemäßigte auch Tauben, während rücksichtslose, auf kriegerische Durchsetzung ihrer Interessen ausgerichtete Politiker Falken genannt werden.

Tauben sind hier für vielerlei Symbol: für Treue, Frieden, Freiheit, Weisheit, Hoffnung, den Geist, für Gott, Pfingsten, den heiligen Geist.

Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf, das er gemacht hatte, und ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden. Danach ließ er eine Taube ausfliegen, um zu erfahren, ob die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser auf dem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahm sie zu sich in die Arche. Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus der Arche. Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen und trug’s in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden. Aber er harrte noch weitere sieben Tage und ließ eine Taube ausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm. Im sechshundertundersten Lebensjahr Noahs am ersten Tage des ersten Monats waren die Wasser vertrocknet auf Erden. Da tat Noah das Dach von der Arche und sah, dass der Erdboden trocken war.

Die Taube blieb an Land, die Arche landete auf dem Berge Ararat.

Manche Leute verabscheuen Tauben und nennen sie „Ratten der Luft“. In manchen Ländern werden Tauben gegessen, in manchen werden sie geschützt und verehrt. In verschiedenen Kulturen gibt man Tieren, ob Schlangen, Falken oder Tauben, verschiedene Eigenschaften.

Nutzerkommentar heute auf `Voices of Ukraine`:

`Wir sind auf der Seite der Engel, aber wir müssen aufrichtig sein wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben`.

Bei mir gibt es die schöne Ulla.