VII Es ist nicht das Ende, nicht einmal der Anfang vom Ende – aber vielleicht das Ende des Anfangens bald

Über eine Lesereise nach Brüssel, von der es neben dem Nachdenken über Literatur und Regierungen, die sie nach wie vor gerne verbieten, noch so manch anderes zu erzählen gibt. Nicht nur der Überschwemmungen wegen. Oder wie komme ich zeitgerecht nach Magdeburg, um die Veranstaltung vor der Grünen Zitadelle abzuhalten und die Kolleg*innen nicht hängenzulassen?

Ich fahre vom Osten in den Westen, durchbrause dieses Land im Zug, um in Brüssel zu lesen. Die Bahn war stets meine bevorzugte Art des Unterwegs-Seins, lange bevor die Notwendigkeit, das Klima zu schützen, einem diese Reiseart nahelegte. Schlicht und ergreifend, weil ich mich so ungern einschließen lasse – wie dies in einem Flugzeug der Fall ist: Sollte ich aus irgendeinem Grund zu dem Schluss kommen, dass ich nun sofort und sogleich aussteigen will, kommt die nächste Bahnstation bestimmt. Zudem gestattet ein Zug den Ausblick in die Weite der Landschaft; und in der Ruhezone ungestörtes Arbeiten.

Wären sich Tourismusmanager dessen bewusst, dass mittlerweile durchaus eine größere Zahl Reisender einem Ort als erstes über die Bahntrasse begegnet, sie würden wohl mehr Wert auf die Gestaltung dieser Region legen. Im Gegensatz zum Unterwegs-Sein im Pkw, welches sich erst nach dem Abzweigen von Umfahrungen auf neuen Einfahrtsstraßen einem Ort nähert, verlaufen die Bahntrassen auch heute noch, wo sie einst der Logik des Transports folgend, gebaut wurden: nah an Städten und Dörfern oder sogar mitten hindurch. Und auch wenn sich heute in Gleisnähe vorzugsweise Fitnesscenter und Agenturen für Arbeit befinden, ab und an blickt man dennoch in Wohnzimmer oder Küchen, in Hintergärten. Ich staune über Ortsnamen wie Minden, Herford und Hamm, die in meinen österreichischen Ohren nicht besonders deutsch klingen, beobachte, wie Landschaft und Dörfer sich verändern. Ab Köln wird im Zug Französisch parliert, eine Sprache, deren vertraute Töne mich erfreuen. Dort, in Frankreich, habe ich zum ersten Mal nicht bloß an das Schreiben als meine Art des Denkens und in-der-Welt-Seins gedacht, sondern an eine Publikation, habe begonnen, für Leser*innen zu arbeiten. Bestimmend war das örtliche Abgeschnitten-Sein von meiner Muttersprache, welches bewirkte, dass ich mein eigenstes Element forcierte. Ich denke an eine Debatte, die ich jüngst über die Beweggründe zu künstlerischem Tun führte und bei der ein Musiker meinte, es habe mit Geltungsdrang zu tun. Mein dezidiertes Veto halte ich auch heute noch aufrecht. Mir wäre es seit jeher am liebsten, könnte ich meiner Arbeit nachkommen, ohne je auf eine Bühne zu müssen, würde das stille Nachdenken genügen, das Wahrnehmen und darüber schreiben.  

Brüssel empfängt mich am Gare Central mit Regen und einem Sprachengemisch; in wenigen Sekunden höre ich Französisch und Niederländisch, Englisch, deutsches Deutsch und Italienisch. Als ich um die Ecke biege, kommt Spanisch hinzu, denn vor dem Zentralbahnhof hat sich eine Gruppe Exil-Kubaner*innen versammelt, um gegen die Polizeigewalt in ihrem Land zu demonstrieren. Ich bleibe stehen, studiere die Banner, nehme die Dynamik zwischen den Kubaner*innen im Exil und den anderen Menschen rundum wahr. Seit ich vor 16 Jahren in die exilkubanische Gemeinschaft in Wien stolperte, später auch mit diesen Freund*innen ihr Land selbst kennen- und lieben lernte, fühle ich mich dieser Insel verbunden und beobachte, was dort geschieht. Leider dringt selten Erfreuliches an mein Ohr …

Auch mein Aufenthalt in Brüssel hat eine politische Komponente – ich vertrete mein Land im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur Aktion »EuropeReadr« (https://europereadr.eu), eine Initiative der slowenischen Präsidentschaft im Europarat. Für dieses EU-Projekt wurden aus zwölf Ländern der Union je ein Autor, eine Autorin ausgewählt, von denen eine Arbeit auf einer gemeinsamen Plattform präsentiert wird, welche sozialrelevante Fragen für die Zukunft der Welt thematisiert: »Open een boek voor een betere toekomst!«, heißt der genutzte Slogan auf Niederländisch. Oder in deutscher Übersetzung: »Öffne ein Buch für eine bessere Zukunft!«

Der Fokus der Initiative liegt dabei ganz klar auf der Auseinandersetzung mit der Frage, in welcher Welt wollen wir in Zukunft leben. Es wird eine digitale sein, es sollte aber auch eine grüne werden, und es wird wohl eine Welt sein müssen, die fern unserer Gegenwart liegt, in der wir die Erde zerstören, um des momentanen Profits wegen. Sechs Autor*innen wurden dazu eingeladen, im Rahmen einer mehrtägigen Auftaktveranstaltung im Bürgergarten vor dem europäischen Parlament ihre Sicht auf diese Frage zu äußern und miteinander sowie mit dem Publikum in Austausch zu treten.

Obgleich keiner in Brüssel, weder im slowenischen noch im österreichischen Kulturforum, wusste, dass ich gegenwärtig an einem Kurzfilm arbeite, welches die Frage zu beantworten versucht, weshalb wir – um unserer Zukunft willen – Literatur und Kunst in unserem Leben benötigen, fiel deren Wahl auf mich. Eine Ehre, die mich jedoch etwas nervös macht: Wie soll man in sieben Minuten darauf eine Antwort geben? Ich schlage dem Moderator zwei Lesepassagen vor. Er wählt sich diejenige aus »¡Leben!« (Leykam Verlag), in der es um die Ermordung andersdenkender und anderslebender, -liebender Menschen während der NS-Zeit geht. Wohl weil wir beide in diesem Europe erleben, wie in manchen Ländern der Union sich erneut ein Denken breitmacht, das uns das Fürchten lehrt. 

Und während ich diese Kolumne tippe, erreicht mich die Nachricht, dass Ungarn, Teil der EU, eine Strafzahlung über die ungarische Buchhandelskette »Líra Könyv« verhängte, weil diese ein Kinderbuch zum Verkauf anbot, ohne einen ›Warnhinweis‹ auf dem Cover anzubringen, dass darin auch ›nicht-traditionelle Geschlechterrollen‹ vorkommen. Die rechtliche Basis liefert ein Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, da – so die Begründung – Käufer*innen des Buches dieses in dem Glauben erstehen könnten, es handle sich bei der ungarischen Übersetzung von Märchen des US-Autors Lawrence Schimel um ein ›traditionelles‹ Märchenbuch. Ein bereits im Vormonat beschlossenes Gesetz verbietet überdies Bücher, Filme und andere Medien, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen eine nicht-heteronormative Sexualität dargestellt wird. Untersagt ist außerdem jedes Bildungsprogramm, das über alternative Lebensformen und Geschlechteridentitäten berichtet. Und das in einem EU-Land! Ohne alarmiertem Aufschrei der Partner*innen, ohne Konsequenzen?! »Öffne ein Buch für eine bessere Zukunft!« könnte einem dann beinahe höhnisch dünken, würde man vergessen, wie immer schon Bücher unter der Hand weitergegeben wurden, das geschriebene Wort auch in jene Räume vordrang, in denen man sie verbieten, verbannen, verbrennen wollte. Aus Angst vor den Gedanken, die darin vermerkt sind.

Auf der Plattform des »EuropeReadr« äußert sich der slowenische Literaturkritiker und Essayist Aljoša Harlamov zur diesbezüglichen Rolle der Literatur in sehr klaren Worten, die ich der ungarischen Regierung, deren Kulturforum auch Teil des »EuropeReadr« ist, ins Bewusstsein rufen würde:

»I firmly believe that literature is a tool encouraging thinking. And that literature as such has to do with the future. Whoever is brought up as a reader is brought up as a thinking human being. Whoever is brought up with stories and into stories grows up to be a member of a community. When we read, even if only for ourselves and in solitude, reading is a social activity – an encounter with the other, with the different, with the world and society, with history and with ourselves. And as we read literature, literature reads us, rearranging the connections in our minds, persistently and imperceptibly adding new information, memories, ideas and opinions, offering alternatives and transposing us at will, forcing us to contemplate time and space from perspectives other than our own. This is literature’s most ingenious trick: it is able to launch into internal monologue, hijack our voice and lend it to another. When we read, we might seem utterly alone and focused inward, yet we undoubtedly communicate with others.«

Ja, die Autor*in, der Autor arbeitet in Kommunikation mit der Welt, reagiert auf sie, schreibt das eigene Denken nieder, für sich selbst und für einen Lesenden – nur so, meinte Gertrude Stein, könne sie arbeiten. Und die Leser*innen treten während der Lektüre in Kontakt mit jener Weltsicht, gehen aus dieser Begegnung verändert hervor. Es mag nur eine minimale Veränderung sein, im Sinne einer Erweiterung des Erfahrungshorizonts vielleicht oder durch einen einzigen Gedanken, der daraus mitgenommen wird, womöglich sogar, ohne es zu jenem Zeitpunkt selbst zu bemerken. Doch was uns berührt, wird stets Teil von uns, alles, was wir in uns aufnehmen. Und manchmal kann es geschehen, dass einen die Lektüre eines Werks um und um wirft, weil sich uns dabei vollkommen neue Denkräume eröffnen. So erging es mir als Kind mit Judith Kerrs »Als Hitler das rosa Kaninchen stahl«, so lernte ich in der wiederholten Lektüre der »Recherche« Marcel Prousts ›Zeit‹ anders zu verstehen, entdeckte die Schönheit kreativer Sprache als kleines Kind mit Christine Bustas »Sternenmühle«, nährte diese Begeisterung mit Friedericke Mayröckers fein gewobenen poetischen Werken. »Cry Freedom« brachte mich als Teenager in die Reflexion über rassistische Mechanismen, Franz Werfels Romane zeigten mir die Konsequenzen dessen auf, was wir heute Mobbing nennen würden, ebenso Robert Musils »Zögling Törleß«. Ja, zu meinem Verständnis der Welt trugen Autor*innen wie Djuna Barnes, Virginia Woolf, Mario Vargas Llosa, Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek und unzählige andere Entscheidendes bei. All diese Denker*innen machen auch aus, wer ich heute bin. Sie nährten nicht nur meine Liebe zur Sprache, sie nährten mich. Ihre fiktionale Darstellung der Welt und philosophischer Fragen zu unserem In-der-Welt-Sein bewirkte zudem, dass ich mich auf abstraktere Denker*innen einließ, quasi das Quellwasser der Autor*innen in mich aufzunehmen begann, denn die Literatur ist eng verwandt mit der Philosophie.

Wer nun einen Einspruch in Gedanken formuliert, eigene jüngste Leseerlebnisse in Erinnerung paraphrasiert, die aus Topfentascherlmord und Powidlattacke bestehen oder dem Beginn einer überwältigenden Liebschaft in Florenz folgen, in Paris oder der Provence, wie die Liebesorte in ›rosaroten Schriften‹ vorzugsweise lauten, auch englische Küstenstädte haben teilweise das Potential dazu, ganz zu schweigen vom grünen Irland, wer deswegen einen Einspruch auf der Zunge hat, der sei darauf hingewiesen, dass dies keine Literatur ist.

Keine Literatur? Was denn sonst?

Oh, ich kann sie hören, die erbosten Einwürfe all jener, die mir nun elitäres Denken vorwerfen.

Ist es das, elitär?

Nein. Mitnichten. Sondern Klarheit.

Es sind schlicht zwei Paar Schuhe. Keiner, der bei Verstand ist, würde den Großglockner oder auch nur den Buschberg in Flip Flops besteigen, nicht wahr? Wodurch keineswegs eine abwertende Aussage über diesen leichten Sommerschuh getroffen wird. Flip Flops sind ausgezeichnet, um über Strände zu spazieren, weil jedes Sandkorn sich sogleich verliert und nicht zwischen Sohle und Rahmen eindringt, um danach zu reiben und zu stören. Oder das Fußgewölbe zu massieren. Eine Frage der Situation wie der Bedürfnisse. Nur weil sich etwas ›anders‹ auswirkt, spricht noch nichts per se dagegen.

Und ebenso wenig wird hierdurch eine abwertende Aussage über Regionalkrimis oder Liebesromans, über andere Genrewerke getätigt. Abwechslung tut unseren Mägen seit jeher gut, doch wir sollten wissen, dass der nährenden Gehalt von Pommes oder Eis, von Schokolade oder frittierten Hühnerbeinen aus der Massentierhaltung ein anderer ist als derjenige einer ausgewogenen Mahlzeit. So verhält es sich jüngsten Forschungsergebnissen nach auch mit der Lektüre: Das sechs Minuten währende Lesen eines durchgängigen literarischen Werkes senkt den Stresspegel um 58 %. Dreißig Minuten tägliche Lektüre und die Lebenszeit verlängert sich, des positiven Effekts auf den Herzschlag wegen, um zwei Monate. Weitaus erstaunlicher – und zugleich logisch! – ist die Aussage dieser Forschungsergebnisse zur Bedeutung der Lektürewahl: Der gesundheitsfördernde Effekt tritt bei sogenannter Unterhaltungsliteratur nicht ein, denn diese bewirkt aufgrund ihrer vorhersehbaren Plots und eindimensionalen Charakteren keine Verlangsamung, sondern das Auge eilt auf der Suche nach dem nächsten Kick über die Seite. Es ist ja völlig powidl, ob jedes Wort wahrgenommen oder drei Seiten ungelesen umgeblättert werden. Ruhe kehrt so keineswegs ein. Sie bedarf der Literatur, in der jedes Wort zählt, jeder Satz von Bedeutung ist und man in die Tiefe der Sprache, der Innenwelten, der Gedanken und des Seins eintauchen kann.

Gleiches gilt übrigens auch für künstlerisch gestaltete gezeichnete Geschichten, sogenannte ›silent books‹, deren wortlose Lektüre den Lesenden sprachlich herausfordert, weil er oder sie diese Komponente im Erfassen erst beizutragen hat, sie auch einen Dialog zwischen zwei Lesenden evozieren kann. Im »EuropeReadr« finden sich spannende Exempel zu dieser Art der Lektüre. Übrigens werden alle ausgewählten literarischen Arbeiten auf der Plattform in englischer Übersetzung sowie im Original zur kostenfreien Lektüre angeboten, und die Bandbreite der Werke reicht von Kinderliteratur und Crossover-Literatur bis zu Werken für junge Leser*innen und Erwachsene. Sie umfasst mehrere literarische Gattungen wie Graphic Novels, Essays, Erzählungen, ›silent books‹ und Lyrik. Deutschland wird bei dieser Initiative übrigens von Lukas Jüligers Graphic Novel »Unfollow« vertreten. Die Plattform enthält auch eine pädagogische Ergänzung für die Arbeit mit Schüler*innen, und anderem wohl auch da das Projekt durch die erfolgreiche slowenische Aktion »Library under the Treetops« zur Leseförderung inspiriert wurde.

Diese Idee der Bibliothek unter den Baumwipfeln findet sich auch als Skulptur im Bürgergarten in Brüssel, die im Rahmen der Auftaktveranstaltung enthüllt wurde: Die Schere führten der gegenwärtige Präsident des europäischen Parlaments David-Maria Sassoli und Dr. Anže Logar, slowenischer Außenminister, sowie die in Borna (Sachsen) geborene Gitte Zschoch, Direktorin des EUNIC (Netzwerk der europäischen Kulturinstitute). Das Studio Drevos entwarf dieses Sinnbild der Lektüre, bei dem ›Weltinhalte‹ vom Baum der Erkenntnis gepflückt werden können. Zwölf verschiedene einheimische slowenische Hölzer symbolisieren nicht nur die zwölf Partner*innen des Projekts innerhalb des EUNIC Brüssel Netzwerks, sondern verweisen zudem auf die um unserer aller Zukunft willen nötige Akzeptanz der kulturellen Vielfalt in der Europäischen Union und die Sehnsucht nach einem friedlichen Zusammenleben, welches im Miteinander Kraft schöpft und hierdurch auch weitere ›Nahrung‹ für den Geist erhält. Vielleicht sollte man die ungarische Regierung daran erinnern, woran sie sich hier beteiligten? Und ein paar andere obendrein! Denn es ist unser Europa, welches ansonsten zu Grabe getragen wird! 

Wer glaubt, der »EuropeReadr« erstrecke sich einzig auf die Europäische Union, der werfe einen Blick auf die Liste der Events rund um diese Initiative (https://europereadr.eu/en/events/), denn auch Staaten wie Ägypten und Japan, Israel und Libanon, Thailand und Argentinien, um nur ein paar zu nennen, haben die Idee aufgegriffen und tragen eigene Projekte zu diesem wichtigen Diskurs bei.

Nach dem Durchschneiden des Bandes samt dreier Reden der offiziellen Vertreter*innen ist es an uns Autor*innen, die Zuhörenden trotz des unaufhörlich fallenden Regens zu begeistern – schon moderiert uns der spanische Kollege Julio Baquero-Cruz an, ein Jurist und Autor, der sich mit uns in mehreren online Meetings und zahlreichen E-Mails auf diese Veranstaltung vorbereitete und den ich in diesen Tagen als Denker kennen- und schätzen lernen darf. An meiner Seite sitzt der Schwede Axel Lindén, der im »EuropeReadr« mit seiner Publikation »Tillstånd« vertreten ist. Jorge Carrión, der spanische Autor auf der Einladungskarte, wird leider in unserem Trio fehlen, da Spanien in diesen Tagen auf der Corona-Ampel das Rot grell entgegen leuchtet, ihm die Ausreise nicht gestattet wurde. Seine schriftliche E-Mail-Botschaft lässt mich ob ihrer relevanten Aussage seine Abwesenheit umso mehr bedauern! Ich hoffe, wir werden einander ein andermal begegnen dürfen …

Während wir – nach knappen Lesungspassagen in englischer Übersetzung – darüber sprechen, was unseres Erachtens für die Zukunft dieser Welt nottue, fällt der Regen unaufhörlich. Schon dringt er durch den blauen Teppich, auf dem unsere Stühle stehen. Den Zuhörer*innen ist anzumerken, dass ihnen die feuchte Kälte unter dem Zeltdach gleichfalls in die Knochen kriecht. Dennoch lassen wir uns davon nicht abhalten.

In der ersten Reihe fällt mir ein Herr auf, weil er mich konstant beobachtet, mal versunken, mal leis lächelnd, er – so scheint es mir – saugt jedes meiner Worte gierig auf, was insbesondere deswegen frappiert, weil er während des offiziellen Aktes ganz gerne noch in seiner Zeitung blättert: Wegen den Herren aus der Politik ist er ganz offensichtlich nicht gekommen. Ich überlege die ganze Zeit, ob ich ihn kenne oder ob er mich bloß an jemanden erinnert. Erst nach der Debatte, als er auf mich zutritt, weiß ich es: Er hat eine leise Ähnlichkeit mit dem von mir so geschätzten Kollegen Alban Nikolai Herbst, ein ausgezeichneter Lyriker und liebenswerter Zeitgenosse! Erst als mir dies einfällt, während ich ihm im plaudrigen Nachhinein lausche, kann ich mich auf seine Worte konzentrieren: Er wie auch die Dame neben ihm teilen mit mir den Geburtstag, sagt er, »der 12. Dezember, ein bedeutsamer Tag, haben Sie Dank für alles!«, und greift in seine Sakkotasche, lässt rote Rosenblätter über mich regnen. Perplex stehe ich da, kann meine Freude, meine Dankbarkeit über diese sichtbare Anerkennung kaum äußern. Obendrein ordert man mich zeitgleich zu einem offiziellen Photo in den angrenzenden Pavillon: Die Kollegen warten schon alle … Ich hasche nach einem der Blütenblätter, stecke es in mein Notizbuch, entschuldige mich – und habe zu posieren, obgleich es mir weitaus lieber wäre, diesen deutschen Herren zu befragen, mich zu bedanken oder auch nur den begonnenen Dialog weiterzuführen: über die Wichtigkeit im In-der-Welt-Sein diese im Sinne einer mitmenschlichen Zukunft zu prägen. Bevor noch die siebzehn Photos im Kasten sind, welche die offizielle Rolle verlangt, ist der Herr verschwunden.

Mit Wilhelm Pfeistlinger, dem österreichischen Botschaftsrat für kulturelle Angelegenheiten, Direktor des österreichischen Kulturforums in Brüssel, dem ich es verdanke, dass ich an jenem Tag dort lesen und reden durfte, gehe ich durch den Bürgergarten. Ich möchte die Wand des Goethe Instituts aus der Nähe studieren: In einem Holzrahmen stecken unzählige Quader, auf denen Zitate vermerkt sind. Literat*innen fügen sich an Philosoph*innen, Kafka, Hegel, Audre Lorde und Hilde Domin finden sich ebenso wie Abschnitte aus der Bibel. Es ist eine Wand, die sich auflösen soll, weshalb Passant*innen gebeten sind, sich ein Zitat ziehen. Noch gibt sie nur stellenweise den Blick auf das dahinter liegende EU-Parlament frei. Mir legt der Zufall einen Satz des niederländischen Kollegen Jeroen Brouwers in die Hand: »Nichts besteht, das nicht auch etwas anderes berührt.«

Den Abend verbringe ich mit Axel Lindén und Julio Baquero-Cruz. Wir setzen die Debatte unter uns fort, die wir zu Mittag offiziell begannen, sprechen über Autor*innenschaft und ihre Schwierigkeiten, über den Verlust des allgemeinen Glaubens an Fiktion, über ihre Notwendigkeit in unserer nüchternen Welt. Dass wir nicht einer Meinung sind, beflügelt die Debatte, welche erst die einbrechende Dunkelheit um uns endet. Den Regen? Haben wir lange schon vergessen.

Anderntags steht meine Abreise im Kalender. Ich bin sonderbar nervös, kann mir nicht erklären, woher diese Anspannung kommt. Checke viel zu früh aus dem Hotel aus, in Sorge, ich würde mich auf dem Weg zum Bahnhof verirren, könnte das Gleis nicht finden – als wäre ich in einem kafkaesken Universum und nicht in einer gewohnten Stadt. Mit Vernunft ist diesem sich heranschleichenden Unbehagen nicht beizukommen. Auch nicht mit dem Griff nach meinem Reisepass. Seit meiner letzten Reise nach Kuba ist mir bewusst, wie irrelevant dieses Dokument sein kann, wenn jemand anderer entscheidet: ›Heute fliegen Sie nicht!‹

Viel zu früh am Gare Central, es regnet unaufhörlich, ich drehe dennoch Runde um Runde, fahre von dort zum Nordbahnhof, will auf der Anzeigetafel überprüfen, ob die Gleisnummer meines Zuges mit Sicherheit nicht geändert wurde. Der Gare du Nord entpuppt sich als Irrgarten, öfter als einmal stehe ich am Ende eines Ganges vor einer Glaswand, durch die kein Weg hindurch führt. An Wegweisern wurden gespart. Endlich, in leuchtendem Gelb die Uhrzeiten, die finalen Bahnhöfe, die erreicht werden, Köln steht in drei Sprachen vermerkt, daneben die Zugnummer, doch im Feld für Gleiszahl flimmern mehrere Sterne. Mit Europa hat das nichts zu tun. Ich starre sie gebannt an, reagiere nicht. Nur mein Puls beschleunigt sich. Eine Sternchen-Zeile, was in aller Welt soll die bedeuten? Hinter mir unruhiges Stimmengewirr, ein junger Mann in Uniform erteilt an einem mobilen Informationspult gelangweilt Auskunft. Ich erkundige mich auf Französisch; und habe nach gehörter Antwort dennoch nachzufragen: »Dieser Zug fährt nicht«, sagt er nun. »Heute auf keinen Fall.« – Noch glaube ich an ein singuläres Ereignis, frage ihn, was nun zu tun sei, wann gehe der Nächste, wo könne ich umbuchen. Er zuckt die Schultern: »Bleiben Sie in Brüssel«, sagt er lakonisch. Ich denke, der hat ja leicht reden, denn wo in Brüssel solle ich in aller Welt bleiben, und was bitte ist überhaupt los? Im gleichen Moment breitet sich die Sternchen-Reihe über die gesamte Anzeigetafel aus, erfasst beinahe Zeile um Zeile. Nur einige wenige Destinationen halten mit einer Gleiszahl stand. Mir sagen die Ortsnamen nichts, aber ich weiß, ich brauche eine Bestätigung für den Ausfall, habe eine Lösung zu finden. Folglich: einen regulären Informationsschalter, ein Reisecenter der belgischen Bahn, das hat es ja zu geben – die Hand des Herrn am mobilen Pult wies geradeaus und leicht rechts. Irre erneut Gänge entlang, lande in einer Ecke, von der Treppen nach oben und nach unten führen – offenbar zu Bussen und Taxis, zu Zügen. Soll ich wahrhaftig den Koffer hoch schleppen? Hinunter sieht ja nicht besonders vertrauenserweckend aus. Je tiefer ich in diesen sonderbaren Bau vordringe, um so häufiger sehe ich Menschen, die unter Lappen, Planen oder Decken am Boden liegen, darunter auch ihre Habseligkeiten in Häufchen um sich geschart, nicht einmal ein Fuß oder ein Kopf blickt unter diesen Schutzmäntelungen hervor. Andere wiederum haben sich eine Bank ergattert, schlafen mit dem Rücken zu passierenden Reisenden. Endlich, der Informationsschalter, an dessen Betreten einem drei Angestellte in Uniform hindern. Wenigstens erfahre ich hier die Ursache für den Zugausfall: Aufgrund der anhaltenden Regenfälle kam es zu massiven Überschwemmungen, Bahntrassen wurden unterspült, brachen ein, mit einem Zugverkehr Brüssel-Köln sei erst in gut sieben Tagen wieder zu rechnen. Ein Schienenersatzverkehr wird angeboten – nein, ruft die eine Angestellte, unmöglich, der Bus fahre nicht mehr. Eventuell böte Flixbus noch einen Transport an, gelänge es mir, deren Schalter rasch zu erreichen, bevor sie schließen. Ich irre erneut durch den Bahnhof, suche den mir genannten Ausgang, steige in der Vorhalle zu jener Tür über Menschenkörper unter Planen, halte den Atem an – hinaus. Zur Nervosität des Morgens, zur Unruhe der Gegenwart gesellt sich leichte Covid-Sorge: Meine 48 Stunden sind in wenigen Minuten bereits passé. Meine privaten, täglich vorgenommenen Selbsttests dienen zwar meiner persönlichen Beruhigung, aber offiziell sind die keineswegs gültig. Auch nicht für den Fahrer eines Flixbusses. Somit ist diese Option ohne Besuch in einer Teststraße gleichfalls undenkbar geworden. Und die nächste Teststraße – ist wo?

Außerdem: sieben Tage! Das ist unmöglich. Ich habe eine Veranstaltung in Magdeburg zu bestreiten, übermorgen, um genau zu sein. Mal ganz davon abgesehen, dass sieben Tage in einem Hotel eine irre Lücke ins Budget reißen würden – und obendrein: In welches sollte ich gehen? Wie kann ich ohne Internet eines finden? Wie haben wir das früher gehandhabt? Ich starre durch die Glaswand nach draußen. Strömender Regen. Das ist kein leichtes Plätschern mehr …

In meiner Ratlosigkeit rufe ich im österreichischen Kulturforum an, man bittet mich zu kommen. Innerhalb weniger Sekunden bin ich, obgleich unter einem Regenschirm, bis in Hüfthöhe nass. Jeder Schritt drückt Wasser aus dem Fußbett der Schuhe, die Jeans klebt an der Haut. Dabei suchte ich bloß ein Taxi! Gut tut da der heiße Tee, danach ein doppelter Espresso, man füttert mich mit Brombeeren und Schokolade, während ich ihr  Internet nutze: Die Deutsche Bahn bestätigt: Keine Züge in den nächsten Tagen. Und weil kein Unheil je alleine kommt, hat auch mein Wertkartentelefon sich entschieden, den Dienst einzustellen – als Dank für die zahlreichen Auslandsgespräche, die ich ihm an diesem Morgen zumutete. Nicht auszudenken, wie turbulent die Situation geworden wäre, hätte es diesen Beschluss gefasst, bevor ich die Botschaft erreichte! Ich schreibe meiner Tochter in Wien eine E-Mail, sie eilt in den Laden, ersteht einen Bon, photographiert ihn – wenigstens dieses Problem ließ sich mit ein wenig Hilfe flink aus der Welt schaffen. Wie aber komme ich von hier nach dort, und wo soll ich schlafen?

Wilhelm telefoniert und organisiert mir ein Hotelzimmer, während seine Assistentin Anna sich mit unzähligen anderen Auslandsösterreicher*innen und -deutschen vernetzt: Wer fährt Richtung Köln?

Das Warten beginnt.

Langsam trocknen die Hosenbeine, die T-Shirt-Ärmel; von den Socken, aus denen das Wasser tropft, verabschiede ich mich bis morgen Mittag. Die Schuhe werden nass bleiben. Niemand nimmt auf eine dreitägige Lesereise Wechselklamotten für alle etwaigen Notfälle mit. Wilhelm versucht mich damit zu trösten, es gäbe in Brüssel durchaus feine Läden, die Belgier und Belgierinnen hätten einen guten Geschmack. Zur Not müsste ich halt … »Zur Not.«

Nach seinem Arbeitsende begleitet er mich zu einem Hotel in der Nähe des Gare Central, und ich bin heilfroh, die Verantwortung für ein paar Stunden abgeben zu dürfen, erschöpft wie ich bin. Und weil er der Meinung ist, dass das ja wohl gar nicht gehe, vor Anspannung nichts zu essen, erkundigt er sich an der Rezeption nach einem Restaurant, welches aller Voraussicht nach weitere glutenfreie Speisen auf der Karte kennt als bloß Salat. So verbringen wir einen weiteren Abend miteinander, parlieren angeregt über Lektüreerlebnisse und Lesefreuden, tauschen uns über die literarische Landschaft aus, woran ich gerade arbeite, was wir lesen … als würde er ahnen, dass es mir in dieser momentan noch immer ausweglosen Situation hilfreich ist, mich mit dem zu beschäftigen, was neben der Liebe das Leben lebenswert macht: die Literatur.

Am nächsten Tag das Warten erneut. Nicht auf Züge. Die habe ich bereits abgehakt. Eine einzige Transfer-Option tat sich bislang auf, via Facebook – ja, für solche Katastrophen sind die sozialen Netzwerke ein wahres Wunder! Eine Mitarbeiterin der »Österreich Werbung« fahre nach einem beruflichen Termin in Brüssel am kommenden Tag zurück nach Köln und erreiche die Stadt um ca. zehn Uhr vormittags. Zu spät für mich, wenn ich am gleichen Tag um 14 Uhr einen Public Poetry Scream  vor der Buchhandlung »Fabularium« moderieren soll: Kolleg*innen versetzt man nicht; höchstens, wenn die Welt untergegangen ist. Aber an dem Punkt sind wir noch lange nicht, es wäre doch gelacht, gelänge es nicht, eine private Mitfahrgelegenheit zu finden! Mag der Kerl am Steuer nun Michal, Pavel oder wie auch immer heißen. Weshalb bieten ausschließlich Männer ihre Rückbank und ihren Beifahrersitz an? Berufspendler? Ich weiß es nicht. Mir fällt nur auf, dass sie fast ausnahmslos eine finale Destination in Polen angeben.

Wer je diese Portale benutzte, kennt den Stresspegel, den sie evozieren, wenn eine Fahrt, gerade eben noch im Angebot, erlischt, bevor man noch ein höfliches ›Ja, ich will mitfahren‹ vermerken konnte. Gegen Mittag werde ich das Hotelzimmer verlassen müssen; oder eine weitere Nacht buchen. Ich starre auf den Zeiger, sehe seinem Vorrücken zu, weiter, weiter, immer weiter auf die Zwölf. Mittlerweile habe ich leise Zweifel, ob es sich bei ihr wirklich um solch eine herausragende Zahl handelt, wie der Zuhörer im Bürgergarten meinte. Um zwölf vor zwölf mache ich mich auf den Weg zur Rezeption. In Gedanken baue ich im Lift hinab Satz für Satz: die Lage schildern, um Kulanz bitten, um einen Aufschub von zwei Stunden ersuchen – ich komme gar nicht so weit. Schon winkt die Rezeptionistin ab: Natürlich, das sei überhaupt kein Problem, die Situation sei dem Hotel seit gestern bekannt, zahlreiche Gestrandete hätten hier Zuflucht gesucht, ich hätte Zeit bis vierzehn Uhr, auch fünfzehn Uhr genüge noch, und sie wünsche mir alles Glück der Welt!

Um zwölf nach eins läutet mein Telefon – Anna, sagt das Display: Ein Mitarbeiter der EU fahre mit dem Auto nach Köln, er habe schon zwei weitere Frauen im Wagen. Ich sage sofort zu, rufe ihn an, checke aus, flitze mit der Metro 1 zur Endstation Stockel. Er wisse nicht, wann er genau komme, es werde noch dauern. Ich bin mittlerweile zu gebeutelt, um mich aufzuregen oder zu ängstigen: Er wird kommen, dieser Max, irgendwann.

Um vier Uhr entpuppte sich Max als freundlicher junger Kerl, kaum älter als mein Sohn. Knallrot gefärbte Haare, und neben ihm seine Freundin, die er an die Grenze fährt, damit sie der Großmutter Beistand leiste, deren Dorf zwar gegenwärtig noch nicht im Überschwemmungsgebiet liege, doch sicher sei sicher, und wer wisse zu sagen, wie lange der Damm den Wassermassen standhalte. Wir tauschen uns über das vergangene Jahr aus, wie es sich auf uns auswirkte, wie wir mit der Beklommenheit umgehen lernten. Irgendwann sagt er den höchst klugen Satz, eines habe ihn die Pandemie gelehrt: Es helfe niemandem, laute die Antwort auf die Frage, wie es einem gehe, ›Gut!‹, ist es nichts als eine Lüge, weil Ängste und Panikattacken einem die Kehle zuschnüren, die Nächte schlaflos geworden sind. Weder dem Betroffenen selbst noch dem Gegenüber, der sich sonst natürlich gleichfalls gezwungen fühle ›Gut, gut!‹ zu sagen, selbst wenn ihm oder ihr das Wasser bis zum Hals oder höher steht. Nur die Ehrlichkeit helfe, nur sie ermögliche Nähe, antworte ich ihm.

Wir sausen über die Autobahn, dann über Land, liefern die junge Frau zur Großmutter, fahren weiter – je näher wir der Grenze kommen, desto mehr verändert sich die umgebende Landschaft. Es ist nicht mehr bloß so, dass Wiesen und Weiden Pfützen aufweisen, nein, Bäche schießen über die Straße, wo nie ein Bach war, der Asphalt in den Ortschaften ist braunverschlammt, Straßen sind gesperrt, wir haben zu wenden, eine andere Route zu nehmen. Bäche wuchsen zu Strömen an und überfluteten angrenzendes Gebiet, führen Blattwerk, Gestrüpp, entwurzelte Baumstämme mit sich. Zahllos die Häuser, neben deren Wänden sich Mobiliarberge schichten – Polstermöbel, Matratzen, aufgequollenes Sperrholz. Müllsäcke bergen, was einst zum Leben nötig schien. Schweigend fahren wir durch diese Dörfer. Auch das: unsere Zukunft, wenn wir nicht hurtig lernen umzudenken! Denn nur ein Ignorant, eine Ignorantin kann noch behaupten, solches habe es immer schon gegeben, um weiterhin zu ignorieren, dass Handlungsbedarf besteht. Nicht irgendwann, nicht in ein paar Jahren mit ein paar Zielen, sondern jetzt: Wenn Sturzbäche in wenigen Stunden vom Himmel fallen und eine Region versenken, während ein paar Kilometer östlich Dürre herrscht, über den Landstrich gleich daneben zuvor ein Tornado fegte, Waldbrände da und dort alles Leben auslöschen, dann haben wir keine Zeit für unsinnige Debatten über CO2-Ausgleich und Klimaziele-im-Irgendwann.

Ich erreiche Köln am frühen Abend. Der Angestellte der Deutschen Bahn sagt mir, es gäbe noch einen Zug, der fahren werde, in etwas mehr als zwei Stunden – und er lacht über meinen Jubel samt Freudentanz.

Diese Zeit vergeht flink. Kurz nach 23 Uhr steige ich in den Waggon, der mich direkt nach Magdeburg bringen wird. Was interessiert mich die Verspätung – fünfzehn Minuten, zwanzig, dreißig, achtzig am Ende, powidl ist es, powidl bleibt es …  dann irgendwann, im Morgengrauen, da tauchen sie auf, die Türme des Magdeburger Doms, stehen dunkelgrau mitten im Regen. ›Wenn ich den Dom sehe, weiß ich, ich bin zu Hause‹, sagte man mir mehrmals in dieser Stadt. Ich weiß, dass ich ankomme, sehe ich die beiden Türme des Doms, und ich weiß, ich bin zu Hause, weil mich ein geliebter Mensch am Bahnsteig überrascht und in die Arme nimmt.