Wetter

Regentage spielen heute in der Kinderliteratur so gut wie keine Rolle mehr, anders als vor vielen Jahren noch, da Kinder von ihren Erwachsenen noch nicht verkabelt worden waren. Ein Kinderroman konnte mit einem Abenteuer an einem Regentag beginnen, wenn die Kinder nicht draußen spielen konnten und sich etwas einfallen lassen mussten, wollten sie sich nicht unendlich langweilen. Auf iks Ideen kam man an Regentagen.

Man wartete auf das Ende des Regens, man malte auf beschlagenen Fensterscheiben.

Draußen spielen hieß herumstromern, die Gegend erkunden, Spiele mit vielen anderen Kindern, Schaukelwettkämpfe, Verfolgungsjagden – aus der Zeit vor gut 40 Jahren stammt das Baustellenschild: Eltern haften für ihre Kinder.

Regentage waren Tage, die man überstehen musste – was tun, wenn man zu Hause am Fenster stand und sehnsüchtig hinausschaute? Es gab Spielesammlungen, Rätselbücher, Fischertechnik, Ankerbausätze und Lego, nicht nur zum nach Anleitung zusammenbauen und dann so lassen, weil man es sonst nie wieder zusammenbekommt…  Es gab Anleitungen zum Überstehen von Regentagen in Zeitschriften.

Vor Jahren hieß es nur: Es regnet.

Heute, da Kinder wie auch viele Erwachsene mehr Zeit im Innern von Gebäuden verbringen als früher, sagt man: Es regnet draußen.

Am anderen Ort eben, da draußen. Manche stehen sogar auf der Straße, draußen, über sich nichts als Himmel, und sagen: Es regnet draußen. Wo kann das sein?

Gespräche

Zwei Menschen:

Hei.

Hallo.

Na?

Na?

Was machstn?

Nix.

Was wolln wirn machen?

Weiß nicht. Kein’ Plan.

Hm.

 

Menschen sprechen viel. Und glauben, nur sie könnten sich komplex unterhalten. Über  Zukunft und Vergangenheit undsoweiter.

Sogar geflügelte Worte haben sie: „Der Magdeburger an sich ist ein wenig grob, aber er meint das auch so …“

Urs und Ulf haben schlechte Laune. Ulf, weil Gudrun von Rudi nicht lässt, obwohl er ihn doch verjagt geglaubt hatte und Urs gesagt hatte: Liebe kann man eben nicht zwingen. Da war Ulf sauer auf Urs und Urs sauer auf Ulf, weil der sauer auf ihn war. Sie hatten es mal gemütlich auf dem Dachboden, aber nun sind sie längst rausgeputzt und die Fenster nicht mehr zugänglich – nirgends kommt man mehr rein. Im Breiten Weg und hinter dem Hasselbachplatz in der Sternstraße hat der Himmel sich Platz zurückerobert und reicht wieder bis auf den Erdboden, bis auf seinen angestammten Horizont.

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Häuser weg und was denken die sich, wo wir wohnen?

An welchem Wort sollen denn da die Flügel dran sein?

Wahrscheinlich bei „ein wenig“.

Ha ha ha, fliegt ein wenig, stürzt grob ab.

 

Nicht, dass Urs und Ulf getrunken haben – weil sie zwar lachen, aber sich selbst nicht witzig finden – saufen tun nur die Wespen und die Fruchtfliegen. Wer die frisst, wird sekundär besoffen wie von Mon Chéri.

Jetzt müssen sie gleich weiter, Kleine füttern. Oder Weibchen beim Brüten ablösen. Und wenn sie auf den Eiern sitzen, können sie richtig eklig rufen. So ein schnarrendes metallenes Geräusch, es gruselt einen, man will da gar nicht in der Nähe sein, macht mir Gänsehaut. Soll ja auch niemand zu nah kommen. Die Krähen nehmen lieber die Singvögel.

Die denken, wir können uns nicht unterhalten.

Und was reden sie?

Die sagen nur rhabarber rhabarber otto motto toto lotto bla bla … weiter kaum was – die können so differenziert wie wir nicht sprechen.

Vielleicht ist ihr Gehirn zu groß.

Hm.

Sie rufen nur immer was auf. Und das ganz stumm, sind nur Zeichen auf dem Fenster, durch das man nicht durchgucken kann. Hören tut man nix.

Na ja, eben doch bisschen beschränkt.

Und denken, sie wüssten was über uns, die Dummen.

Aus dem Fenster (Wikipedia): Das von beiden Geschlechtern geäußerte Gurren ist sehr variabel und klingt etwa wie „gúrr“ oder „guu-ru-gu.“

Das Männchen balzt mit einem tiefen, kollerndem „gang-grrru-guruú-u“, das mitunter gleichförmig aneinandergereiht wird. Beim ersten Teil dieses Motivs verbeugt er sich, beim letzten richtet er sich wieder auf.

Am Nest wird ein langgezogener Ruf in Wiederholung geäußert, etwa wie „ruh“.

Der Warnruf ist ein kurzes, einsilbig betontes „hu“.

Zur Verständigung untereinander werden auch andere Laute benutzt. Mit dem Kropf werden laute oder leise Klack-Geräusche erzeugt.

Durch Zittern reiben die Federn aneinander und erzeugen ein raschelndes Geräusch. Während des Balzfluges wird mehrmals schnell mit den Flügeln geklatscht, was auch der Reviermarkierung dient.

Die Jungen betteln mit hellen Fiep-Tönen während des Fütterns.

Alle Vögel fliegen hoch

Flugzeuge fliegen höher als Tauben. Rote Milane auch. Von Afrika kamen sie im April an die Elbe zurück, im März war noch Friede in den Lüften. Die Milane wohnen vielleicht in der Gegend vom Herrenkrug auf den hohen alten Bäumen am Ufer, deren Wurzeln unterspült wurden vom Hochwasser. Aber die Alten wurzeln tief, mindestens so tief wie sie hoch sind, und so ein Wasser kann sie so schnell nicht umwerfen. Oben in den Ästen hängen noch in braunen Bündeln die trockenen Gräser und das Schilf vom letzten Jahr. Und darin dies und das, Schnüre von Booten, Plastikteile von Toilettengeruchsaufbesserungsbehältern, eine Gabel, die Pfote eines Kuscheltiers.

Rudi und Gudrun, Urs, die schöne Ulla und alle anderen verlassen ihre Gegend kaum und fliegen meist in Paaren. Rudi, Gudrun und Urs fast immer zu dritt, die beiden sind ewig Rivalen. Aber Rudi ist fescher. Sie fliegen und schauen, ruhen und picken und ihr Dorf ist der Hof. Wenn aber die roten Milane auf der Jagd sind und über den Straßen und Höfen und dem Kaufhaus kreisen, dann wird plötzlich alles still in der Luft. Die Tauben halten sich auf Simsen dicht an der Hauswand und wenn sie fliegen, dann hin und her in großen Schwärmen, um die Johanniskirche und fern von ihren Nestern. Erhoffte Gefahrenabwehr durch Zusammentun im Schwarm der eigenen Art – kennt man von Menschen. Drei Milane sah ich, einer übergab dem anderen ein Beutestück hoch in der Luft, von Klauen zu Klauen im Flug die Beute sichern. Bring die mal nach Hause, hieß das vielleicht, denn zwei flogen davon, aber der große Milan blieb am Innenstadthimmel. Und nur die Krähen wehren sich, immer zu dritt fliegen sie von unten an den großen Milan heran, eine zum Schwanz, zwei rechts und links an den Flügeln. Bis er genervt abdreht, zur Elbe zurück.

Dann über den großen Bäumen am Ulrichplatz wieder Singvögel, die nach derselben Methode die Krähen verjagen, die an ihre Nester und die Jungen wollen. Nur die Tauben halten sich raus. Krähen und Tauben sitzen voneinander unbehelligt nebeneinander auf der Balustrade. Die Tauben schläfrig, die Krähen wie auf Wache, ruckartig alle paar Sekunden in alle Richtungen schauend den Luftraum kontrollierend.roter milan

Fundstück: Der Ornithologische Beobachter

Monatsberichte für Vogelkunde und Vogelschutz.
Offizielles Organ der Schweizerischen Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz.
Redaktion für den deutschen Teil: Albert Hess in Bern.
XX. Jahrgang 1922 23.
Der Wachtelkönig schnarrt in strengem 3/4 -Takt; ebenso singt der Stockerpel sein räräb, singen Rabenkrähe, Saatkrähe, Perlhuhn — und der Kuckuck: denn sein guguk mit Pausen ist klar ersichtlich die Art des Wiesenschnarrers. Der Daktylus der Wachtel kommt vor auch im Lied der Turteltaube. Die Melodielinie und der Rhythmus des Hohltaubenrucksens kehrt verblüffend genau wieder im Trillerlied des Grossen Brachers.

Vom bernischen Seeland.
Am 17. Dezember 1922 (Sonntag) sang inmitten einer wunderschönen Biechtlandschaft eine Amsel leise in einer „Thuja“. Nachmittags jagte ein Wanderfalk beim Bahnhof nach Haustauben und verfolgte sie bis ins Städtchen hinein.

 

 

Mir ist warm

Mir ist warm, sagt eine Frau aus dem Schatten heraus zu einem Mann, der mit hochrotem Kopf gemütlich zurückgelehnt in der prallen Sonne sitzt. Vielleicht platzt er gleich vor Überhitzung.

Musst du dich abkühlen.

Wie denn? Bei mir drin ist 31,6! In der Wohnstube 31,6.

Die Tauben sitzen auf den Dächern oder in den Bäumen wie immer. Ich guck mal In den Meerwellen. Was das für eine Straße ist, vielleicht ist’s kühler dort?

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Aber nichts ist mit Wasser in der Straße, keine Spur von Meer, nicht einmal eine Kurve, die als Welle hätte gedeutet werden können, eine kurze schnurgerade unspektakuläre Straße. Warum heißt sie so? Immerhin wohnt eine schneeweiße Taube dort. Vielleicht eine von einer Hochzeitsfeier nicht zum Taubenschlag zurückgekehrte.

Auch in Kasachstan lassen manche Brautpaare bei der Hochzeit Tauben fliegen. Zum Vergnügen halten sich manche Männer Tauben auf den Dächern von Wohnhäusern. Ihre Tauben hören auf ihren besonderen Pfiff und kommen angeflogen, sobald sie ihn hören. Bei einer Hochzeit kostet eine Taube 1000 Tenge, meistens werden mindestens zwei losgelassen, also 2000 Tenge. Sie fliegen hoch, etwas abseits pfeift der Besitzer – seine Tauben fliegen zu ihm, er sammelt sie wieder ein und bringt sie nach Haus.

Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen, der sammelt sie ein, der trägt sie heim und der Kleine isst sie alle auf. Alles aus einer Hand. Am Besten Taubenzucht und Hochzeitsfotos zusammen. Heiraten manche vielleicht wegen der Fotos? Weiße Tauben gelten als Symbol für Frieden, Liebe, Hoffnung und Glück. Tauben bleiben sich treu bis an ihr Lebensende. Außer Gudrun.

Preise hier zum Beipiel:

– 8 weiße Hochzeitstauben aus der Kiste + 2 für das Brautpaar (aus der Hand) : 90 €

– 10 weiße Hochzeitstauben + 2 für das Brautpaar (aus der Hand) : 100 €

– 14 weiße Hochzeitstauben + 2 für das Brautpaar (aus der Hand) : 120 €

(auch möglich: alle Tauben aus der Kiste oder gern auch mehrere Tauben aus der Hand)

Bei ungeeignetem Wetter lässt man die Tauben nicht aufsteigen. Ungeeignet sind Sturm, Regen oder Nebel, sowie Temperaturen unter 0°C sowie über 35°C. Also heute, wenn schon in der Wohnstube 31,6.

Was tut man später eigentlich mit den Hochzeitsfotos, wenn der Mann das Taubengitter über den Balkon spannt und die Frau ein Nest am Badfenster zerstört und die Taubeneier auf die Straße wirft? Oder wenn nicht Frieden ist zu Haus?

Zitat eines Taubenzüchters:

Wenn du zu Hause Ärger hast, fährst du in den Garten und guckst dir einfach die Tauben an.

Gibt’s ein Taubenorakel? Auf jeden Fall bedeuten Tauben in der Traumdeutung immer etwas:

Erscheint Ihnen eine Brieftaube, erhalten Sie eine erfreuliche Neuigkeit oder Sie haben eine Glückssträhne im Spiel. Sieht der Träumende eine fliegende weiße Taube, haben Sie Glück und Erfolg in Unternehmungen.

Tauben im Traum sollen auch erotisches Symbol für das Sanfte, Weiche, das sich schnäbelnd Vereinigende sein. Aber in Indien bedeutet schnäbeln sehen: Glaube deinen Freunden nicht alles, sie wollen dich zum Besten halten.

Da es den Tauben heute zu heiß ist und sie ohnehin immer früh schlafen gehen, singt bei mir auf der Balustrade eine Amsel wunderschön den Regen herbei.

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