FCM – Darmstadt 98

Wenn ich jetzt Corona habe, dann weiß ich wenigstens woher. Aus der MDCC-Arena, als Zuschauer des DFB-Pokalspiels FC Magdeburg gegen Darmstadt 98. Naiv wie alle Liebenden habe ich dem Sicherheitskonzept der DFL vertraut. Aber was nützen zwei neben einem gesperrte Sitze, wenn einem der Hintermann beim Torjubel beinahe in den Rücken springt oder der Vordermann bei einer vergebenen Torchance fast seinen Hals auf die Brust legt. Von den Gesängen, den Schiedsrichterschmähungen, den Pfiffen und dem ganzen Gegröhle ganz zu schweigen. Und wenn man dann noch zwei Nebenleute hat, deren Urlaubsbräune sich ganz offensichtlich nicht der altmärkischen Sonne verdankt, dann kann man sich nur noch in sein Schicksal ergeben. Wobei hie und da noch Protest aufscheint, so z. B. wenn man sich fragt, warum eigentlich die mindestens fünfzehn Meter von einem entfernt stehenden Sicherheits- oder Kameraleute Masken tragen, der Fan aber vom Stadionsprecher beinahe dazu aufgefordert wird, seine Maske am Sitzplatz abzulegen. Dafür muss man sie dann im Zwischenbereich, wo man die Abstände eigentlich selber bestimmen kann, wieder tragen. Und wieso bleibt eigentlich ein kompletter Sitzplatzblock leer?
Wenn ich in einer Woche noch immer keine Symptome habe, werde ich sagen: was für ein geiles Spiel! Das war es nämlich. Ein richtig gutes Pokalspiel, wofür der FCM ja seit seiner Gründung bekannt ist. Mit fünf Toren, zwei Latten- bzw. Pfostentreffern, einer gehörigen Portion gelber Karten, zwei sehr unterschiedlichen Halbzeiten und einer Verlängerung. Nur dass die Darmstädter das bessere Ende für sich hatten.
Aber für heute muss ich sagen: Vorsicht, Leute! Entweder es gibt Corona oder es gibt kein Corona. Wenn es aber Corona gibt, dann sind selbst 5000 Zuschauer in einem eigentlich 30 000 Zuschauer fassenden Stadion – zumindest wenn sie nur auf zwei Tribünen verteilt sind – zu viel.

P.S. Als ich mir auf dem Rückweg in einem Spätkauf ein Bier hole und von einem Kunden aufgrund meines blau-weißen Schals angesprochen werde, bekomme ich als Antwort auf meine Bedenken zu hören: „Ach was, Magdeburg ist doch fast coronafrei. Wenn da nicht die Sinti und Roma gewesen wären…“

Über Kunst

Deutlicher kann man es nicht ausdrücken: „Erst Autogramme, dann Kunst.“ Und plakativer schon gar nicht, nämlich auf der Titelseite, groß und in Farbe. Da lächelt der Barde fröhlich ein paar Zentimeter an der Kamera vorbei. Nein, nicht Jürgen Drews schon wieder. So einfallslos ist die Magdeburger Volksstimme dann doch nicht. Diesmal ist es Roberto Blanco. Und der war sogar in der Stadt. Warum? Weil dort gerade die Kunstmesse eröffnet hat. Street Urban Pop Art aus München, Bildende Kunst aus Kärnten, Grafiken aus Dresden. Wen lädt man sich zur Eröffnung einer solchen Ausstellung ein? Robert Blanco. Logisch, oder?
Ich will mehr darüber wissen und schlage die Kulturseite auf. „Neues Programm der Magdeburger Zwickmühle rechnet mit der Corona-Pandemie ab“. „Kunstsammler Erich Marx gestorben.“ Wie jetzt? Der Schlager aus dem Feuilleton vertrieben? Hat sich da offenbar jemand beschwert? Nicht ganz. „Trauer um Gründer von Kool&The Gang“. Wobei – das ist ja Funk, kein Schlager. Geblieben sind aber die halbseitigen Anzeigen. Und da hat man diesmal immerhin einen kulturellen Akzent gesetzt. Nicht nur „Urlaub an der Nordsee“ oder „Silvester in Südmähren“ – auch eine 4tägiges Busreise zu den Störtebeker Festspielen wird angeboten. Aber wo zum Teufel finde ich Robert Blanco wieder?
Auf Seite 15, in der Beilage „Magdeburger Lokalanzeiger“. Zwischen Meldungen über Jugendliche, die sich gegenseitig Bluetooth-Boxen klauen und ein gemeinsames Abbaden von Mensch und Hund im Carl-Miller-Bad. Dafür aber umso spektakulärer. Im roten Sakko, mit ausgestreckter Hand, das Mikrophon vor dem Mund erstrahlt er über ein Viertel der Seite. Unten rechts schaut eine „Nachwuchskünstlerin“ aus München, die Alltagskleidung aus Holz erarbeitet, ernst in die Kamera.
Aber damit noch nicht genug. In einem dem Artikel beigefügten Kommentar wird der Auftritt Roberto Blancos bei der diesjährigen Kunstmesse als „Kluger Schachzug“ bewertet. Ja, es wird sogar die Behauptung aufgestellt, dass sich die unterschiedlichen Genres, also „Der Puppenspieler von Mexico“ und die Lichtkunst von Franz Betz aus Hannover etwa „durchaus beflügeln können“. Wobei den Künstler*innen immerhin attestiert wird, „geschluckt“ zu haben, als sie „davon hörte(n), wer die Messe eröffnen soll“. Aber wären denn sonst so viele Menschen zur Eröffnung gekommen? Und die Schlussfolgerung, die man daraus zieht, liegt auf der Hand: „Solche Anknüpfungspunkte sollte es viel öfter geben, wenn es um Kunst und Kultur geht.“ Also demnächst Heino zur Eröffnung der Magdeburger Literaturwochen. Die Wildecker Herzbuben bei der Verleihung des Telemann-Preises. Und wenn Magdeburg dann am 28. Oktober den Zuschlag als „Kulturhauptstadt Europas 2025“ erhält, dann bitte auch mit dem „König von Mallorca“ als „Publikumsmagnet“. Am besten auf einer riesigen Bühne im City Carré.

Über Kultur

Dass Jürgen Drews keinen gelifteten Po hat, erfährt man wo? Auf der Kulturseite der Magdeburger Volksstimme. Dort schenkt man Jürgen Drews ohnehin große Aufmerksamkeit. Schließlich hat der „König von Mallorca“ – wer es noch nicht wusste, diesen Beinamen verdankt der Barde keinem Geringeren als Thomas Gottschalk – soeben seine Memoiren veröffentlicht, unter dem Titel „Es war alles am besten“. Das muss natürlich gebührend besprochen werden, gleich auf einer halben Seite. Ganz im Gegensatz zu anderen Neuerscheinungen dieses Spätsommers, „Herzfaden“ von Thomas Hettche etwa, „Ein Mann der Kunst“ von Kristof Magnusson oder „1000 Serpetinen Angst“ von Olivia Wenzel. Da passt es doch wunderbar ins Bild, dass die Volksstimme den anderen Teil der Kulturseite für Anzeigen freigegeben hat. Fulminan – Der Beauty-Drink für reife Haut. Oder Deseo nehmen mein Mann und ich ein. Ich zur Luststeigerung, er als Erektionsunterstützung. Es wirkt! (Jutta und Heiner D.) Wer so für sich sorgt, der muss sich auch seinen Po nicht liften lassen.