Nach der Vorstellung

Am Sonnabend, dem Tag an dem wir abends unsere letzte Vorstellung von: „Olvenstedt probiert’s – 29.Versuch: Die Möwe“ spielen sollten, bin ich vormittags per Fahrrad zu meiner Kollegin Friederike Walter an den Barleber See gefahren. Für den ersten Teil des Weges entschied ich mich natürlich wieder für die Elbnähe, erst am alten Hafen bewegte ich mich auf den Straßen entlang alter und neuer Industrieanlagen, wobei auch die für mich etwas faszinierendes haben. Die alten Bahnwaggons und Lokomotiven ohnehin aber auch die gigantischen Teile von Windrädern, die ich hinter Zäunen lagern sah. Mich beruhigen Windräder. Sie sind jederzeit abbau,- oder umsetzbar, ohne dass sie Müll produzieren, der noch in tausend Jahren verheerend wirkt.

In der tropischen Hitze des 29. Junis 2019 zogen sich allerdings dann doch die letzten Kilometer zum Barleber See und wurden für mich zu einer kleinen Anstrengung, zumal ich immer vom Weg abkommen wollte, grünere zu suchen, die sich für mein Ziel aber nicht auftaten. Manchmal kann man eben noch so mutig und veränderungsbereit sein, es gibt nur die vorgeschriebenen Wege, die uns dahin führen, wo wir ankommen wollen. Als Friederike mir anbot, mein Fahrrad und mich nachher mit zurück in die Stadt zu nehmen, erfreute mich dies Angebot, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie sie es würde realisieren können.

Friedericke Walter, die Schauspielerin und Sängerin arbeitet am Barlebener See als Rettungsschwimmerin. Einer von mehreren Jobs den sie zum Überleben braucht. Bis vor einigen Jahren glaubte ich, dass es nur für Kollegen in den USA, Israel oder auf Island üblich sei, sich ihre Berufe auf der Bühne zu ermöglichen, indem sie sich ihren Alltag durch Nebenjobs finanzieren. Doch auch in Deutschland muss man es sich leisten können Kunst zu machen. Leben können nur wenige davon. Zumal wenn sie sich entschieden haben, ihre Seele nicht an eine bestimmte Kunstrichtung zu verkaufen, die in erster Linie Geld bringt oder wenn sie sich für bestimmte Orte zu wohnen entschieden haben. In Magdeburg gibt es Kollegen, die sich wegen der Liebe zu ihrer Familie, zu ihrem Partner, zur Stadt entschlossen haben, hier zu leben, was heißt, sie müssen besonders flexibel sein, denn so viel Arbeit findet man hier in unserem Metier nicht. Friederike hat es geschafft, sich in Tätigkeiten einzubringen, die – wie ihr studierter Beruf- nur mit Leidenschaft und Berufung zu machen sind. Ich denke, dass sich ihre Jobs sogar gegenseitig bereichern. Was Friederike ihren besonderen Fähigkeiten und Ausbildungen verdankt. Sie arbeitet zusätzlich noch mit Emigranten, hilft im Prozess des Sozialisierens und dem Erlernen der deutschen Sprache, indem sie mit ihnen Theater einstudiert. Sie hat ein fröhliches, zugewandtes Wesen, wirkt auf mich glücklich und dankbar, was sicher auch damit zu tun hat, dass ihre Tage von einem Söhnchen, einem Ehemann, wie vielen gelebten Freundschaften bestimmt werden. Auch Friederike ist eine der Begegnungen, die ich Magdeburg verdanke. Sie wird eine der Leserinnen sein, die mich bei der Vorstellung meines Romanmanuskripts am letzten Septemberwochenende im Forum Gestaltung unterstützen. Das ist dann auch das Wochenende mit dem meine Amtszeit als Stadtschreiberin beendet sein soll. Am Montag – dem 30.. September folgt nur noch meine endgültige Abschlusslesung im Literaturhaus Magdeburg.

Ja, ich bin im Verzug mit meinen Eintragungen im Blog. Mein Manuskript fordert mich ganz. Es gibt einen Termin! Wieder wird es dieser wunderbar inspirierende Ort, das ‚Forum Gestaltung‘ sein, der sich mir öffnet, mich einbringen zu dürfen. Norbert Pohlmann war meiner Idee gegenüber sofort aufgeschlossen, eine Lesung des dann in Magdeburg vollendeten Romanmanuskripts in voller Länge bei ihm zu veranstalten. Umgehend hatte er die Idee für ein Plakat, was von einer seiner Mitstreiterinnen der Künstlerin Gabriele Brusche beglückend umgesetzt wurde. Ein Team der ‚Macher’ eben — ich kann sehr gut verstehen, dass mein Kollege , der wunderbare Peter Wawerzinek in seiner Zeit als Stadtschreiber (2015) von Magdeburg, sich das Forum als vorwiegenden Arbeitsplatz erwählt hat. Die Energie dieses Ortes mit seinen Menschen ist eben inspirierend … Übrigens traf ich Peter Wawerzinek bei der Vorstellung seines Dokumentarfilms ‚LIEV ALLEN’ hier in Magdeburg. Dieser tiefberührende Film, der in einer sensiblen, äußerst geschmackvollen künstlerischen Übersetzung noch einmal das schicksalschwere Aufwachsen Peter Wawerzineks und seiner Schwester erzählt, dabei auch die späte Begegnung mit der Mutter nicht ausspart, sollte vorerst eigentlich nur auf Festivals präsentiert werden. Dass er dennoch dem Magdeburger Publikum im Studiokino am Moritzplatz gezeigt wurde, ist der Freundschaft Peter Wawerzineks zu Norbert Pohlmann und seiner Verbundenheit zu Magdeburg zu verdanken, die er in seiner Stadtschreiberzeit hier entwickeln konnte. Wie ich ihn verstehe. Auch ich werde nach Möglichkeit immer wieder gern in diese Elbstadt zurückkehren. Sicher werden auch die Menschen und das Programm des ‚Forum Gestaltung‘ dafür ausschlaggebend sein. Ich freue mich jetzt schon auf den 09.10. dort. Da stellt Peter Wawerzinek seinen neusten Roman vor. Er reist dafür extra aus Rom an, wo er zu der Zeit ein Aufenthaltsstipendium in der Villa Massimo hat.

Ein weiteres Highlight im Juli, was ich durch die Organisatoren des Forums erleben konnte, war die Präsentation des Buches über Bruno Taut, dessen Bauten wir in der Gartenstadt – Kolonie Reform besichtigen konnten. Architektur ist schon immer eine meiner großen Lieben — nicht umsonst habe ich den Protagonisten meines ersten Romans (der veröffentlicht wurde…,) „Haltewunschtaste“ Architekt sein lassen. ‚Visionär und Weltbürger‘ steht auf dem Cover des Buches über Bruno Taut, klar trifft das auf ihn im Besonderen zu – sollte aber für den Beruf eines Architekten Voraussetzung sein.

Auch durch die Ausstellung von Stefan Werwerkas Werken ging ich zum wiederholten Male. Wieder fühlte ich mich durch seine Perspektivwechsel, seine schräge Weltsicht weiter dazu ermutigt in meinem aktuellen Schreiben mit den Zeiten, mit den Erzählweisen, Außen- und Innenansichten meiner erdachten Figuren zu spielen.

Aufgerüstet

Wenn auch über die Hälfte der Zeit meines Stadtschreiberamtes vorbei ist – ich habe aufgerüstet – ein Tisch für meine Terrasse.