Über Kunst

Deutlicher kann man es nicht ausdrücken: „Erst Autogramme, dann Kunst.“ Und plakativer schon gar nicht, nämlich auf der Titelseite, groß und in Farbe. Da lächelt der Barde fröhlich ein paar Zentimeter an der Kamera vorbei. Nein, nicht Jürgen Drews schon wieder. So einfallslos ist die Magdeburger Volksstimme dann doch nicht. Diesmal ist es Roberto Blanco. Und der war sogar in der Stadt. Warum? Weil dort gerade die Kunstmesse eröffnet hat. Street Urban Pop Art aus München, Bildende Kunst aus Kärnten, Grafiken aus Dresden. Wen lädt man sich zur Eröffnung einer solchen Ausstellung ein? Robert Blanco. Logisch, oder?
Ich will mehr darüber wissen und schlage die Kulturseite auf. „Neues Programm der Magdeburger Zwickmühle rechnet mit der Corona-Pandemie ab“. „Kunstsammler Erich Marx gestorben.“ Wie jetzt? Der Schlager aus dem Feuilleton vertrieben? Hat sich da offenbar jemand beschwert? Nicht ganz. „Trauer um Gründer von Kool&The Gang“. Wobei – das ist ja Funk, kein Schlager. Geblieben sind aber die halbseitigen Anzeigen. Und da hat man diesmal immerhin einen kulturellen Akzent gesetzt. Nicht nur „Urlaub an der Nordsee“ oder „Silvester in Südmähren“ – auch eine 4tägiges Busreise zu den Störtebeker Festspielen wird angeboten. Aber wo zum Teufel finde ich Robert Blanco wieder?
Auf Seite 15, in der Beilage „Magdeburger Lokalanzeiger“. Zwischen Meldungen über Jugendliche, die sich gegenseitig Bluetooth-Boxen klauen und ein gemeinsames Abbaden von Mensch und Hund im Carl-Miller-Bad. Dafür aber umso spektakulärer. Im roten Sakko, mit ausgestreckter Hand, das Mikrophon vor dem Mund erstrahlt er über ein Viertel der Seite. Unten rechts schaut eine „Nachwuchskünstlerin“ aus München, die Alltagskleidung aus Holz erarbeitet, ernst in die Kamera.
Aber damit noch nicht genug. In einem dem Artikel beigefügten Kommentar wird der Auftritt Roberto Blancos bei der diesjährigen Kunstmesse als „Kluger Schachzug“ bewertet. Ja, es wird sogar die Behauptung aufgestellt, dass sich die unterschiedlichen Genres, also „Der Puppenspieler von Mexico“ und die Lichtkunst von Franz Betz aus Hannover etwa „durchaus beflügeln können“. Wobei den Künstler*innen immerhin attestiert wird, „geschluckt“ zu haben, als sie „davon hörte(n), wer die Messe eröffnen soll“. Aber wären denn sonst so viele Menschen zur Eröffnung gekommen? Und die Schlussfolgerung, die man daraus zieht, liegt auf der Hand: „Solche Anknüpfungspunkte sollte es viel öfter geben, wenn es um Kunst und Kultur geht.“ Also demnächst Heino zur Eröffnung der Magdeburger Literaturwochen. Die Wildecker Herzbuben bei der Verleihung des Telemann-Preises. Und wenn Magdeburg dann am 28. Oktober den Zuschlag als „Kulturhauptstadt Europas 2025“ erhält, dann bitte auch mit dem „König von Mallorca“ als „Publikumsmagnet“. Am besten auf einer riesigen Bühne im City Carré.

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