leidenschaftlich…

Obwohl‘s Ihn gar nicht geben soll
Bedank ich mich
So oft am Tag
So manche Stunde
Tauch ich ins Meer
Schwimme in die Weite
Hör ich den Vögeln zu
Dem Bäumerauschen
Atme den Nieselregen
Seh die Sonne auf und untergehen
Und alle Wunden
Alle Narben an meinem Leib
In meiner Seele
Danke sag ich
Lieber Gott
Danke für dies Leben !

Nele Heyse
Gestern Sonntag 08.09.2019 las ich in der sich im Stadtteil Sudenburg befindlichen St. Ambrosius-Kirche aus meinem: Doppelt verdienten Glück.

Im Kirchturm von Molmerswende

St. Ambrosiuskirche

Auf diesen neugotischen Bau wurde ich aufmerksam, als ich eine Voraufführung von Susanne
Bards Lotte- Lenya -Abend in der unweit gelegenen Spielstätte ‚Feuerwache‘ besuchen wollte.
Ich ließ mir die Geschichte des Ortes erzählen und da es mich immer berührt, wenn ich von
Bemühungen erfahre, die gegen Wunden und Narben der Vergangenheit kämpfen, bot ich mich
an, meinen geringen Möglichkeiten entsprechend, einen Beitrag zu leisten. So entstand die Idee
einer Benefizlesung. Da sich die Kirche noch angenehm füllte, hoffe ich auch, dass es Spenden
gegeben hat für die weitere Fassadensanierung der Ambrosius-Kirche. Dass dieser Ort lebt,
leben kann und Zukunft hat, wird die Veranstaltung, die dort nicht etwa die erste gewesen ist und
musikalisch von Petra Barthel umrahmt wurde, auf jeden Fall gezeigt haben. Ich habe mich auch
gefreut, den Alt-Magdeburger Wolfgang Schreiber unter den Zuhörenden gehabt zu haben. Die
Begegnung mit ihm würde ich gern noch einmal extra würdigen. Leider habe ich nicht so viele
Magdeburger kennengelernt, die für ihre Stadt ähnlich brennen. Doch gibt es sie. Der wohl älteste
leidenschaftliche Liebhaber und Kenner seiner Stadt ist für mich Wolfgang Schreiber.

Leidenschaftlicher Magdeburger Chronist und Reimer
Herr Wolfgang Schreiber

Er ist unfassbare 86, beinahe schon 87. Seinem Namen alle Ehre machend, beschreibt er seit
Jahrzehnten die Elbestadt in Reimen, scheint fast alles von ihr und um sie zu wissen, bietet sich als Stadtführer an und geht mit Programmen in Einrichtungen der Stadt – auch Krankenhäuser
und Heime- wo es Bedürftige gibt, die er aufzumuntern sich – gemeinsam mit zwei Mitstreitern –
zur Aufgabe macht. Er hat mir einen Schwung seiner gereimten Texte überlassen, auch eine Kunst, die heute kaum noch jemand beherrscht. Ich ziehe den Hut vor so einem Mann und hoffe,
ihn noch wenigstens einmal in Magdeburg zu treffen.

Aber erst einmal muss ich weiter die Mitlesenden an meinem Lesemarathonfest vorstellen.

 

Marian Kindermann und Friederike Walter

Den Magdeburger Theatergängern ist Marian Kindermann ganz sicher ein Begriff und eine
Erinnerung an besondere Schauspielkunst. Ich erlebte ihn hier während meiner Amtszeit als
Stadtschreiberin in Ayckbourns Komödie „Ab jetzt“ und Gorkis Drama „Nachtasyl. Bekannt war
Marian Kinsermann mir aber schon länger. Vor einigen Jahren spielte er die männliche Hauptrolle
in dem Kinofilm „Das Hochzeitsvideo“ in dem mein Mann als sein Schwiegervater besetzt war.
Matthias war nicht nur von Marian Kindermanns schauspielerischer Begabung und seinem
Partnerspiel angetan, er überzeugte ihn in den Pausen und nach Drehschluss als Mensch und
Charakter, was wir beide als einen sehr sehr wichtigen Aspekt für ein Künstlerleben ansehen. Als
ich Marian hier in Magdeburg auf der Bühne in einer Inszenierung erleben konnte, die mich
begeisterte, war es ein leichtes Matthias dazu zu bewegen, extra wegen dieser Vorstellung
anzureisen, um auch Marian in: „Ab jetzt“ zu erleben…

photo © Christian Hartmannn

Ich bin glücklich und dankbar, dass er am 28. – 29.09. mitlesen wird. Er passt perfekt auf
die Figur des Hauptplots dem icherzählenden Schriftsteller Konstantin.
Am 29.09. wird er ein ganzes Kapitel etwa um 17 Uhr übernehmen.
Aber auch die Figur des Sascha, die ich meinen Schriftsteller erfinden ließ, wird er gleich am
ersten Tag lesen.

„Sascha träumt vom Vergessen“ heißt die Geschichte und wird von Marian Kindermann am
28.09. wahrscheinlich so gegen 15.30 Uhr gelesen.
Diese Geschichte hat einen zweiten Teil, komplett heißt sie: Sascha träumt vom Vergessen – Jana nicht

Dann kommt die Geschichte: Jana lacht
Und für die konnte ich die Schauspielerin und Sängerin Fridericke Walter gewinnen.

photo © Jens Wolf

Ich habe Friederike Walter kennengelernt in: Olvenstedt probiert’s und werde sie im September
als Gretchen im Faust erleben, was im Forum Gestaltung wieder aufgenommen wird.

Über Friederike habe ich in diesem Blog schon geschrieben. Sie gehört für mich zu den Frauen,
die nicht nur äußerlich schön sind sondern vor allem durch ihre inneren Werte „leuchten“. Sie hat
sich charakterlich – vom sicher schon frühen Geschenk ihrer Schönheit – nicht verderben lassen.
Im Gegenteil: ihre Menschenliebe und Hilfsbereitschaft erwärmen die Herzen.

Schön, dass sie dabei ist am 28.09. etwa 16 Uhr im Anschluss an Marian Kindermann
Inhaltlich wäre es aber von Vorteil, in dem Falle die ganze Geschichte also beide miteinander zu
hören: Marian Kindermann und Friederike Walter
28.09. um 15.30 Uhr

Wer liest noch? Matthias Brenner.

Matthias ist Schauspieler, Regisseur und zur Zeit Intendant des Neuen Theaters in Halle.
Matthias und ich sind seit 1991 ein Paar. Einige Jahre hat er als Regisseur auch in Magdeburg
gearbeitet (u. a. Die Musicals „Fame“; „Hair“ und „Jesus Christ“ oder „Effie Briest“ im Schauspiel).
Damals besuchte ich ihn — weil beruflich an anderen Häusern beschäftigt — immer nur zu den
Premieren. Das war viel zu kurz, um mich von der Stadt faszinieren zu lassen. Magdeburg ist eben die Stadt auf den 2. und manchmal sogar erst 3. Blick — aber dann lässt sie einen nicht mehr los.
Einem breiteren Publikum ist Matthias Brenner vielleicht durch seine Mitwirkung in der mit dem
Grimmepreis ausgezeichneten Serie: „Club der roten Bänder“, der ARD Produktion „Charité“
oder als Pathologe im Bremer Tatort bekannt. Mein Lieblingsfilm mit ihm ist der Studenten-Oscar
prämierte Kurzfilm: „Von Hunden und Pferden“ (Geschichte von Clemens Meyer). Übrigens im
letzten Jahr ist er auch ausgezeichnet worden für einen Kurzfilm (Der Besuch), in dem ich an
seiner Seite die Ehefrau spielte.

In Matthias habe ich einen leidenschaftlichen Mitstreiter und Mitlesenden meiner Texte. Da er sich während der Sommerferien mit meinem Manuskript befasste und sich dabei dermaßen vom Inhalt und den Figuren fesseln ließ, dass er immer wieder darauf zu sprechen kam, entwickelten sich bei mir Gedanken vom Weiterschreiben! Ja, warum nicht? Das Ende des Romanmanuskripts „Zerbrechliche Welten – Gott, ist die Schöpfung schön“ beschreibt einen Status Quo. … Doch …
Die Hauptpersonen leben, lieben, agieren ja weiter. Es könnte gut einen zweiten Teil geben und
warum soll in dem nicht auch Magdeburg eine bedeutendere Rolle zukommen? Alles offen …

Matthias Brenner liest voraussichtlich gleich am ersten Tag in der zweiten Runde
28.09. um 14 Uhr das Kapitel: „Könnte ich mit Engelszungen reden…“

Am Abend des 28.09. lesen wir zum Abschluss des ersten Tages gemeinsam 20Uhr „Aufbruch im Schnee – beginnend weit nach Mitternacht im Bett einer in die Jahre gekommenen Ehe“
… eine der Geschichten, die der Icherzähler – Hauptprotagonist erfindet und niederschreibt, um
seine Frau für sich zurückzugewinnen.

Am 29.09. um 18 Uhr wird Matthias Brenner das Kapitel: „Wäre das Leben ein Roman“ lesen
Nach der Lesung wird er sich an den musikalischen Beiträgen beteiligen und gemeinsam mit
Martin Reik singen …

Wer liest mit beim MarathonLeseFest vom 28. – 29.09.2019

Hier stelle ich nun nach und nach die Mitlesenden unseres Lesemarathonfests am 28.-29.09.2019 im Forum Gestaltung Magdeburg vor:

Ulrike Krumbiegel

Hier besuchte sie mich zu einer Lesung im dem von Thomas Rühmann (Sohn Magdeburgs) gegründeten Theater am Rand.

 

Ulrike Krumbiegel und ich sind beste Freundinnen seit 39 Jahren. Damals kam sie ans Staatstheater Schwerin als Anfängerin, wo ich schon engagiert war. Bei der Leseprobe unseres
ersten gemeinsamen Antike- Projekts — sie spielte die Iphigenie, habe ich mich schlagartig von
ihrer Stimme und von ihren braunen Augen faszinieren lassen. Sie erinnerte mich an die Jugend und Theateraufnahmen meiner damals schon verstorbenen Großmutter, die klein und zart aber mit einem überwältigenden Alt als Opernsängerin und Schauspielerin in ihrer Karriere sowohl die Carmen gesungen wie auch das Gretchen gespielt hatte.

Ulrike und ich spielten im folgenden in Lessings „Minna von Barnhelm“ Minna und Franziska
miteinander und befreundeten uns so eng miteinander, dass auch die spätere räumliche Trennung
dieser Freundschaft nichts anhaben konnte. Ulrikes frühe Karriere bei Film, Fernsehen und am
bedeutenden Deutschen Theater Berlin erlaubte es ihr, schon zu DDR- Zeiten mich, die ich 1984
in die BRD ausgereist war und nach Basel engagiert wurde, in der Schweiz zu besuchen. Nach
der Wiedervereinigung ließ Ulrikes Treue keinen der Spiel- Orte aus, an die es mich verschlagen
hatte und so saß im Publikum in Bremen, Leipzig, Bozen, Zürich, München, Freiburg und Tel Aviv.
Natürlich erlebte sie auch: „Olvenstedt probiert’s“ im Forum Gestaltung Magdeburg.

Um die Jahrtausendwende, als auch ich am DT engagiert war, standen wir sogar noch einmal
gemeinsam auf der Bühne. Wir spielten in der Thomas Langhoff Inszenierung von „Onkel Wanja“
— zusammen Sonja und Jelena…

Und nun lesen wir zusammen am Sonntag 29.09. etwa um 15 Uhr wird es so weit sein, dass die
Lesung zu der Geschichte vorgedrungen sein wird:
Tränen habe ich nicht mehr, Schreie hatte ich nie, jetzt kommen die Worte …
Wir haben sie im Sommer schon mal zusammen probiert auf Usedom.
Doch am 28. – 29. September wird Ulrike auch zwei weitere längere Abschnitte allein lesen …
gleich in der ersten Stunde (also etwa 12.30 Uhr) eine Geschichte: Ava.

Am 29.09. wird sie in der letzten Runde Avas Geschichte zu Ende lesen (voraussichtlich gegen 19
Uhr) vorher waren wir wie gesagt gegen 15 Uhr gemeinsam dran.

Ja, alles ist durchdacht — wobei: es wird ein Menschenlesefest und da kann auch mal was
menschlich mit der Planung durcheinander gehen …

Die Stunden fliehen

Heute in einem Monat , also am 30. September wird meine definitiv letzte Lesung als amtierende Stadtschreiberin im Magdeburger Literaturhaus stattfinden.
Da ich gestern zur Eröffnungsveranstaltung der Literaturwochen im Gesellschaftshaus erfuhr, dass diese unter dem Thema Paare und Paarschaften stehen, habe ich mich entschlossen, eine
Geschichte aus meinem Romanmanuskript „Zerbrechliche Welten- Gott, ist die Schöpfung schön“ zu wählen, die sich darauf bezieht. Ich habe das Glück, dass mich mein Mann, der Schauspieler Matthias Brenner dabei unterstützen kann. Wir werden also beide eine Paarbeziehung lesen:

„Aufbruch im Schnee“ heißt sie – beginnend weit nach Mitternacht im Bett einer in die
Jahre gekommenen Ehe…

Das hat nun nicht unbedingt direkt etwas mit Magdeburg zu tun — aber es gibt ja im Anschluss
sicher ein Gespräch und da kann ich gern erzählen zu meiner Zeit hier.

Es fällt mir schwer an den Abschied zu denken— aber alles ist endlich und die Abschiedsglocken werden bald läuten …

Den Fahrradweg vom Gesellschaftshaus zurück an der Elbe gestern Abend unterbrach ich öfter
und ließ ihn zum unvergesslichen Erlebnis werden. Nächtliche Hochsommer- Atmosphäre an der Elbe – überwiegend junges oder junggebliebenes Leben, buntes Leben, beinahe so, wie ich es aus meinen Jahren in Basel am Rhein kenn. Auch da hörte ich Vielsprachigkeit und erlebte dieses friedliche Nebeneinander-Genießen. Der Fluss verbindet, die laue Nacht das ganz in der
Gegenwart – Verweilen …

Schönes Magdeburg!

Meine nächsten Termine in Magdeburg
08.09.2019 um 18.00 Uhr
Benefizlesung
„Doppelt verdientes Glück“
Titelgeschichte des im März erschienenen Geschichten und Gedichtebuches von mir
18 Uhr in der St. Ambrosius Kirche (Sudenburg)

11.09.2019 um 19.00Uhr
kubus 2025/ Fürstenwallstraße 11 hinter dem Kunstmuseum
„Tränen habe ich nicht mehr, Schreie hatte ich nie, jetzt kommen die Worte“
Eine noch unveröffentlichte Geschichte die zu meinem In Magdeburg entstandenen
Romanmanuskript gehört.

In einem Monat ist es soweit

Ich habe im wesentlichen die Zeit genutzt mich mit mir und meinem Romanmanuskript zurück zu ziehen, den Blog darüber vernachlässigt. Zwischendurch probierte ich schon mal mit Ulrike Krumbiegel und Matthias Brenner auf Usedom für die Lesung in Magdeburg …

Es hat funktioniert

Auch ein paar Gedichte sind dort wieder entstanden.

Zurück bin ich dann direkt in die Festung Ravelin.

Habe mich in der faszinierenden Kulisse dieses Ortes von den Kollegen beeindrucken lassen, die sich Zuckmayers Geschichte um den ‚Hauptmann von Köpenick’mit Leidenschaft, Tiefe und Humor angenommen haben. Leider war es mir unmöglich, auf Fotos auch nur annähernd die umwerfende Atmosphäre von dort einzufangen. Deshalb hier nur ein einsames vom Hauptdarsteller Michael Günther, der übrigens auch einer der Mitlesenden des Lesemarathonfests am letzten Septemberwochenende sein wird.

Auch der Schauspieler Oliver Breite, Regisseur des Abends wird einer der Überraschungsgäste sein. In den nächsten Tagen werde ich die Überraschungen langsam ‚lüften‘ . Die Freunde und Kollegen, die sich für das Fest mit ihren Lesestimmen aktiv zur Verfügung stellen.

Ich hatte den Ort – die Festung Ravelin schon im Juli durch die Einladung eines Konzerts der Band von Michael Magel erleben können. Wieder eine kleine Offenbarung – was ist Magdeburg reich ! Und hier sind sie auch die Menschen, die das wissen — achten! sich mit Herz, Seele und all ihren Kräften engagieren. Gute Gespräche hatte ich in den Pausen der Aufführung.

Die Strahlungskraft dieser Menschen wünschte ich mir mehr für Magdeburg- die Stadt hätte es verdient ! Das ehemals historisch gewachsene Selbstbewusstsein Magdeburgs, was sich einmal auch durch die weitreichende Anwendung des ‚Magdeburger Rechts‘ zeigte – wünschte ich mir im Heute wieder : Gründe gibt es genug !

Nach der Vorstellung

Am Sonnabend, dem Tag an dem wir abends unsere letzte Vorstellung von: „Olvenstedt probiert’s – 29.Versuch: Die Möwe“ spielen sollten, bin ich vormittags per Fahrrad zu meiner Kollegin Friederike Walter an den Barleber See gefahren. Für den ersten Teil des Weges entschied ich mich natürlich wieder für die Elbnähe, erst am alten Hafen bewegte ich mich auf den Straßen entlang alter und neuer Industrieanlagen, wobei auch die für mich etwas faszinierendes haben. Die alten Bahnwaggons und Lokomotiven ohnehin aber auch die gigantischen Teile von Windrädern, die ich hinter Zäunen lagern sah. Mich beruhigen Windräder. Sie sind jederzeit abbau,- oder umsetzbar, ohne dass sie Müll produzieren, der noch in tausend Jahren verheerend wirkt.

In der tropischen Hitze des 29. Junis 2019 zogen sich allerdings dann doch die letzten Kilometer zum Barleber See und wurden für mich zu einer kleinen Anstrengung, zumal ich immer vom Weg abkommen wollte, grünere zu suchen, die sich für mein Ziel aber nicht auftaten. Manchmal kann man eben noch so mutig und veränderungsbereit sein, es gibt nur die vorgeschriebenen Wege, die uns dahin führen, wo wir ankommen wollen. Als Friederike mir anbot, mein Fahrrad und mich nachher mit zurück in die Stadt zu nehmen, erfreute mich dies Angebot, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie sie es würde realisieren können.

Friedericke Walter, die Schauspielerin und Sängerin arbeitet am Barlebener See als Rettungsschwimmerin. Einer von mehreren Jobs den sie zum Überleben braucht. Bis vor einigen Jahren glaubte ich, dass es nur für Kollegen in den USA, Israel oder auf Island üblich sei, sich ihre Berufe auf der Bühne zu ermöglichen, indem sie sich ihren Alltag durch Nebenjobs finanzieren. Doch auch in Deutschland muss man es sich leisten können Kunst zu machen. Leben können nur wenige davon. Zumal wenn sie sich entschieden haben, ihre Seele nicht an eine bestimmte Kunstrichtung zu verkaufen, die in erster Linie Geld bringt oder wenn sie sich für bestimmte Orte zu wohnen entschieden haben. In Magdeburg gibt es Kollegen, die sich wegen der Liebe zu ihrer Familie, zu ihrem Partner, zur Stadt entschlossen haben, hier zu leben, was heißt, sie müssen besonders flexibel sein, denn so viel Arbeit findet man hier in unserem Metier nicht. Friederike hat es geschafft, sich in Tätigkeiten einzubringen, die – wie ihr studierter Beruf- nur mit Leidenschaft und Berufung zu machen sind. Ich denke, dass sich ihre Jobs sogar gegenseitig bereichern. Was Friederike ihren besonderen Fähigkeiten und Ausbildungen verdankt. Sie arbeitet zusätzlich noch mit Emigranten, hilft im Prozess des Sozialisierens und dem Erlernen der deutschen Sprache, indem sie mit ihnen Theater einstudiert. Sie hat ein fröhliches, zugewandtes Wesen, wirkt auf mich glücklich und dankbar, was sicher auch damit zu tun hat, dass ihre Tage von einem Söhnchen, einem Ehemann, wie vielen gelebten Freundschaften bestimmt werden. Auch Friederike ist eine der Begegnungen, die ich Magdeburg verdanke. Sie wird eine der Leserinnen sein, die mich bei der Vorstellung meines Romanmanuskripts am letzten Septemberwochenende im Forum Gestaltung unterstützen. Das ist dann auch das Wochenende mit dem meine Amtszeit als Stadtschreiberin beendet sein soll. Am Montag – dem 30.. September folgt nur noch meine endgültige Abschlusslesung im Literaturhaus Magdeburg.

Ja, ich bin im Verzug mit meinen Eintragungen im Blog. Mein Manuskript fordert mich ganz. Es gibt einen Termin! Wieder wird es dieser wunderbar inspirierende Ort, das ‚Forum Gestaltung‘ sein, der sich mir öffnet, mich einbringen zu dürfen. Norbert Pohlmann war meiner Idee gegenüber sofort aufgeschlossen, eine Lesung des dann in Magdeburg vollendeten Romanmanuskripts in voller Länge bei ihm zu veranstalten. Umgehend hatte er die Idee für ein Plakat, was von einer seiner Mitstreiterinnen der Künstlerin Gabriele Brusche beglückend umgesetzt wurde. Ein Team der ‚Macher’ eben — ich kann sehr gut verstehen, dass mein Kollege , der wunderbare Peter Wawerzinek in seiner Zeit als Stadtschreiber (2015) von Magdeburg, sich das Forum als vorwiegenden Arbeitsplatz erwählt hat. Die Energie dieses Ortes mit seinen Menschen ist eben inspirierend … Übrigens traf ich Peter Wawerzinek bei der Vorstellung seines Dokumentarfilms ‚LIEV ALLEN’ hier in Magdeburg. Dieser tiefberührende Film, der in einer sensiblen, äußerst geschmackvollen künstlerischen Übersetzung noch einmal das schicksalschwere Aufwachsen Peter Wawerzineks und seiner Schwester erzählt, dabei auch die späte Begegnung mit der Mutter nicht ausspart, sollte vorerst eigentlich nur auf Festivals präsentiert werden. Dass er dennoch dem Magdeburger Publikum im Studiokino am Moritzplatz gezeigt wurde, ist der Freundschaft Peter Wawerzineks zu Norbert Pohlmann und seiner Verbundenheit zu Magdeburg zu verdanken, die er in seiner Stadtschreiberzeit hier entwickeln konnte. Wie ich ihn verstehe. Auch ich werde nach Möglichkeit immer wieder gern in diese Elbstadt zurückkehren. Sicher werden auch die Menschen und das Programm des ‚Forum Gestaltung‘ dafür ausschlaggebend sein. Ich freue mich jetzt schon auf den 09.10. dort. Da stellt Peter Wawerzinek seinen neusten Roman vor. Er reist dafür extra aus Rom an, wo er zu der Zeit ein Aufenthaltsstipendium in der Villa Massimo hat.

Ein weiteres Highlight im Juli, was ich durch die Organisatoren des Forums erleben konnte, war die Präsentation des Buches über Bruno Taut, dessen Bauten wir in der Gartenstadt – Kolonie Reform besichtigen konnten. Architektur ist schon immer eine meiner großen Lieben — nicht umsonst habe ich den Protagonisten meines ersten Romans (der veröffentlicht wurde…,) „Haltewunschtaste“ Architekt sein lassen. ‚Visionär und Weltbürger‘ steht auf dem Cover des Buches über Bruno Taut, klar trifft das auf ihn im Besonderen zu – sollte aber für den Beruf eines Architekten Voraussetzung sein.

Auch durch die Ausstellung von Stefan Werwerkas Werken ging ich zum wiederholten Male. Wieder fühlte ich mich durch seine Perspektivwechsel, seine schräge Weltsicht weiter dazu ermutigt in meinem aktuellen Schreiben mit den Zeiten, mit den Erzählweisen, Außen- und Innenansichten meiner erdachten Figuren zu spielen.

Aufgerüstet

Wenn auch über die Hälfte der Zeit meines Stadtschreiberamtes vorbei ist – ich habe aufgerüstet – ein Tisch für meine Terrasse.

Gastauftritt bei Olvenstedt probierts

In den letzten Juni – Wochen habe ich mich von den Welten der Figuren in meinem Romanmanuskript: „ Zerbrechliche Welten/ Gott, ist die Schöpfung schön“ öfter mal wegbegeben und in die unvergleichliche Theaterwelt der „Probierenden Olvenstedter“ locken lassen. Ich hatte das Glück, aufgenommen und ein kleiner Teil von ihnen zu werden.
Nun spiele ich mich selbst in den Aufführungen dieser Kulttruppe als
‚Stadtschreiberin Nele Heyse‘ mit den Mitteln der Schauspielerin Cornelia Heyse.
Dieser Gastauftritt ist gemessen am gigantischen Humoraufkommen des gesamten Abends nur ein kleiner Spaß. Er wird alljährlich neu vergeben und dies mal nun ist er mir geschenkt. Ich durfte etwas zu dem sagen, was eine Stadtschreiberin so macht und habe genau das, was mancher vielleicht vermutet, aber ganz und gar nicht zu meinen Aufgaben gehört, behauptet. Zum Beispiel, dass ich die Baustelle am Hauptbahnhof dokumentiere und deshalb schon Verlängerung meiner Amtszeit auf 2026 beantragt habe. Da 2025 Magdeburg Kulturhauptstadt wird und diese Baustelle in ihrer Faszination dafür noch gehalten werden muss.

Foto © Jens Wolf

Seit 21 Jahren besteht das Format:
„Olvenstedt probiert’s“.
Die Figuren, die Handlung, die pointierten Dialoge sind von dem vielfach ausgezeichneten Magdeburger Autor Dirk Heidicke erdacht und aufgeschrieben. Ich ziehe ganz tief den Hut vor seinem Können!! Er gehört zu den Highlights meiner Begegnungen hier in Magdeburg, obwohl ich bisher nur einen kleineren Teil seines umfangreichen Werks kennenlernen durfte. ( Dieses Stück, in dem ich dabei bin und noch zwei weitere Stücke, jeweils gespielt von Susanne Bard)

Foto © Jens Wolf

Für Magdeburg Kult und inzwischen Legende, will ich dennoch für Außenstehende „Olvenstedt probiert’s“ beschreiben. Hier spielen professionelle Schauspieler, – besondere Könner ihres Handwerks – Laien. Laien, die alljährlich auf ihrem Zeltplatz an der Ehle zusammentreffen und sich ein Stück der Weltliteratur vornehmen, um es mit Hilfe eines Regisseurs zu erarbeiten. Sie kämpfen mit ihren naiven Mitteln um Qualität, nicht nur aus ihrem Selbstverständnis heraus, dem Stoff gerecht zu werden, sie müssen auch, um finanziert zu werden, ein akzeptables Ergebnis abliefern. So wird Frau Doktor Wedel vom Kulturbüro (alljährlich Corina Sowa) zu Gefallen, zum vorrangigen Ziel, denn sie entscheidet, ob ihnen die Förder-Mittel für das erarbeitete Ergebnis bewilligt werden.

Foto © Jens Wolf

Von Beginn an dabei – dieses Formats der freien Kammerspiele , sind die großartigen Kollegen Susanne Bard, die ich schon in zwei ihrer Solostücke begleitet von Jens -Uwe Günther während meiner „Amtszeit“ erleben durfte, der raumgreifende urkomische Barde Michael Günther und die herrlichen Typen Falko Graf und Mike Manhartsberger. Die jüngeren Kollegen Friederike Walter und Michael Magel sind seit einigen Jahren die Zugewinne der Olvenstedter Truppe, wie der Kammerspiele Magdeburg. In diesem Jahr spielte erstmals Michael Ruchter – den Regisseur und Schriftsteller. Für mich eine erfreuliche Wiederbegegnung, da ich ihn schon vor Jahren in Rostock auf der Bühne, damals noch als Anfänger, gesehen hatte. Kevin Schulz – ein langjähriger Freund und Mitarbeiter der freien Kammerspiele, – war wohl erstmals in einer durchgehenden Rolle dabei. Der Regisseur Oliver Breite hat ihn, der schon äußerlich den russischen Menschen per se verkörpert, mit einer besonderen Sprachbehandlung bedacht, was das besserwisserisch nervende seiner humorlosen Figur unterstreicht und für besondere Komik sorgt. Überhaupt, auch den Schauspielkollegen Oliver Breite, mit seinem geschmackvollen stilsicheren Humor hier inszenierend zu erleben war, für mich herzerwärmend. Seine Genauigkeit und Zugewandtheit schafften es, dass in dieser kurzen Zeit ein solches Ergebnis auf der Bühne zum leuchten kommt, ohne dass an irgendeiner Stelle etwas unfreiwillig aus dem Ruder läuft, was bei dem Stoff und der Spielfreudigkeit aller Akteure, leicht möglich gewesen wäre. Hier war Disziplin gefordert und probiert wurde, ohne auf die sonst an Theatern gewerkschaftlich geforderten Zeiten zu achten. Das geht nur mit Leidenschaft zur Sache, die man spürt und die Oliver mit seiner Liebe befeuerte und zugleich im Rahmen hielt.
Auch die junge Luise Haberlah, die während der Proben neben ihrer schauspielerischen Aufgabe soufflierend half, spielt mit vollem Einsatz und ist, wie ich höre, schon während vieler Produktionen der Kammerspiele hinter und neben der Bühne mit ganzer Seele dabei. Sie strebt zum Theater, hoffen wir für sie, dass die Verantwortlichen an einer Schauspielschule ihr Talent erkennen und Luise baldigst studieren darf.

Foto © Jens Wolf

Gänsehaut bekomme ich jedes Mal am Schluss, wenn von dem Kollegen Michael Magel dem Publikum entgegen gerufen wird:
Für die Menschen hier, für die gebeutelte Region und gegen den Rechtsruck in diesem Land!
Dann gibt es einen derart entfesselten jubelnden Applaus, dass ich sagen kann :
Ich musste erst nach Magdeburg kommen und so alt werden, um dergleichen zu erleben.
Danke!

Foto © Jens Wolf

Nur noch bis Samstag den 29.6. sind die Olvenstedter beim Probieren von Tschechows
Möwe zu erleben. Dann gibt es sie erst im nächsten Jahr wieder, bei einem neuen Versuch, ein Stück der Weltliteratur auf dem Zeltplatz an der Ehle zum Leuchten zu bringen.

Foto © Jens Wolf

Meine EröffnungsRede zur KulturNacht 2015 in ganzer Länge

Kultur und Kunst macht aus dem Magdeburger den MagdeBürger.

Es sind Wortspiele. Es ist ein purer Spaß daran, mit Begriffen zu jonglieren, Begriffe begreifbar zu machen. Und in Magdeburg liegt nun einmal vorne weg die Silbe MAG wie ich: Mag die Burg. Ich bin die Magd in Magdeburg, die ihre Haut zu Markte trägt, mit Kultur um sich schlägt, auf die Trommel haut. Magdeburg als Mag deuten, von mag, mögen. Und Mög wiederum als Urwort für Möglichkeiten auffassen, heiße Eisen anzufassen, weil man Kultur Mag, einfach die machbaren Dinge einfach mögen muss. In der zweiten Silbe von MagdebURg liegt die Silbe UR als Ausgangssilbe für so schöne Worte wie Urgewalt, Ursprung, urban, Ursache, URvertrauen und Urlaub. Die Silbe UR lässt das Wort KultUR ausklingen. Das UR in bURg und das UR in KultUR, das UR das zur UHR wird, den Takt vorgeben, die Zeit bestimmen, kleiner Zeiger, großer Zeiger sein, Zeit anzeigen, zeigen, was man drauf hat, zeigen wer man ist, zeigen, was möglich ist, hervortreten, sich zeigen, mit den Finger nicht auf andere zeigen, sich selbst ein Fingerzeig sein. Mit den Finger schnippen und: Hier sind WIR rufen. Ja zur KultUR sagen, zur KultUHR mit Weckfunktion. Kultur funktioniert nämlich auch als Weckanlage. Aufwachen, ruft die KultUHR, aufwachen, sich aufmachen, aus den Federn und die Ruhekissen beiseite geschoben.

Eine feste Burg ist die Kultur der Stadt

Die Worte Kultur und Magdeburg kann man auf viele Weisen in Verhältnis setzen. Man kann die Magdeburg und Kultur leicht miteinander verbinden, den Namen der Stadt Magde Burg und den in zugeordneten Begriff Kul-tur auseinanderschneiden und neu zusammensetzen, ganz neue Namen erfinden, Magdeburg in Kulturburg umwandeln, aber auch aus Magdeburg eine Magdetur formen. Man kann aus die Stadt Magdeburg dann rasch zur Kultburg erheben. Man kann den Namen dann noch mehr leicht abändern, wenn man zum Beispiel aus der Silbe Magd die Silbe Macht von mächtig sein, sich mächtig ins Zeug werfen macht. Und hat dann ratzbatz die KulturNacht zur KulturMacht erweitert. Kultur, die eine Macht ist, mit Macht kommt, nach dem Höheren strebt, zu Höhenflügen anhebt, von Höhepunkt zu Höhepunkten strebt, in die Höhe schießt, aus der Höhe grüsst: Sie lebe hoch hoch. Man kann mit kultureller Macht Magdeburg zur MacherBurg erheben, Magdeburg in eine KulturHochBurg verwandeln. Der neue Slogan heisst dann: Magdeburg startet mit Macht in die Nacht, rund um die Uhr, gibts Kultur, jedermann für jedermann zur Bereicherung und allen zum Gefallen, Kultur steht diese eine Nacht lang über allem und soll möglichst lange über allem stehen blieben, Fuß fassen, Wurzeln schlagen, aus sicheren Boden Triebe treiben, also anwachsen, zu den Wolken streben.

Magdeburg treibt es nie zu bunt

Magdeburg kann man auch flink in MagdeBund von Verbund und den Bund Blumen umtaufen. Aber auch schnell Magdebunt nennen, von Macht die Stadt bunter. Bund wie Mund, also von Mund zu Mund weiter sagen: Magdeburg wird im Verbund bunt und munter bunter bis absolut munterer. Bunt sind bald die Dächer, bunt wie Ziegelsteinfächer. Bunt sind dann auch bald Straßen und bunt ist jede Laterne, leuchten wie die Himmelssterne. Bunte Ampeln, bunte Zebrastreifen, bunte Autoreifen, bunte Parkplatzuhren, bunte Fahrradständer, bunte Geländer an der Uferpromenade, bunte Abschleppwagen, bunte Absperrgitter, bunte Schlagbäume, bunte Tagträume, bunte Schlagsahne und Schlaghosen an Schlagersängern, bunte Peitschen an bunten Lampen. Bunte Türme, bunte Rolltreppen, bunte Läden, bunte Schaufenster, bunte Gleise, bunte Wartehäuschen, bunte Straßenbahnen, bunte Busse. Bunte Schulen, bunte Kinder, bunte Beamte, bunte Menschen im bunten Gewimmel. Macht die Stadt bunt. Eint die Stadt zu einem starken bunten Bund. Macht bunter die Katz, macht bunter noch den bunten Hund. Bunt sind schon die Wälder und Felder, bunt ja bunt werde auch ich, darum möchte ich so bunt sein, weil mein Schatz eine bunte Madgeburgerin ist. Zeigt her eure Buntheit, zeigt her eure Schuh, zeigt her eure Kunstwerke, und gebt keine Ruh.

Greif zum Pinsel, greif zur Feder, Kunst kommt von Kennenlernen, sich kennenlernen kann jede. Kultur ist schön, sagte einst die spindeldürre Karl Valentin, Kunst macht aber auch viel Arbeit. Die Arbeit ist längst begonnen, Magdeburg will Kulturhauptstadt werden. Kultur ist harte Arbeit, macht aber auch das Leben schön. Kunst ist schön und arbeitet sich stetig voran. Die schönste Kunst kann nicht blühen, wenn ihr kein Boden bereitet wird. Magdeburg ist ein Beet, die Kultur kann nur Same sein, am besten alle Kunst und Kultur in einen Topf werfen, ordentlich vermengen und dann über das Beet Magdeburg ausstreuen, dass überall und vor allem an Stellen, an denen man es gar nicht erwartet hat, plötzlich Kunst wächst, Kultur aus dem Boden schießt, er grünt und blüht und sprießt und blüht und kleine erste Früchte trägt. Solch einen Garten darf diese Stadt sich erwarten. Aber jeder Garten macht erst Arbeit und wird dann wunderschön anzusehen. Ein Hingucker, der Stolz seiner Betreiber. Kunst kann wuchern, über jeden Schrebergarten hinaus wie ein Geflecht sich verbreiten, wie Efeu die Hauswände emporklettern und alle Dächer begrünen, verschönern, zum Blumenfest machen. Und weiter wachsen und weiter Besitz ergreifen, über die Stadt kommen, jeden einzelnen Kopf in einen Blütentopf verwandeln. Menschen kommen wie Rosen daher oder blauäugige Veilchen oder verlassen ihre Stuben wie Zimmerpflanzen, die nicht länger nur in den Ecken stehen wollen, sondern sich frei bewegen und in voller Schönheit allen anderen zeigen. Kunst macht Arbeit und ist aber auch ein Laufsteg, auf dem jedermann zeigen kann, wer er ist, was er sein möchte, was er so macht, was für ungeahnte Seiten es an ihm zu entdecken gibt.

Anreißen, auspacken, freisetzen, entfalten, gestalten.

Wenn man Kultur als Käse, Wurst, Brot und Hefe nimmt, also Kultur und Kunst als Lebensmittel, also Mittel zum Leben und Überleben nimmt, so ist die am Beginn sinnvoll eingepackt. Die Kunst wächst als Kultur auf einem fruchtbaren Boden, Börde-Erde zum Beispiel, unterhalb der Verpackung. Sie gedeiht in Werkstätten, Ateliers, unter vielen Käseglocken und Frischhaltefolien. Muss dann aber irgendwann an die frische Luft gesetzt werden, sich nach draußen begeben, die öffentlichen Räume erobern. Kunst und Kultur sind stets auch eine Form von Entdecken, also Ent-packen. Befreien, auspacken, die Verpackungen fallen lassen und wegwerfen. Man lässt in dieser Phase von Kunst die Katze gleich aus dem Sack. Man befreit die Kunst von all ihrer Verpackung. Man setzt die Kunst wie Jungtiere aus, die nun flügge werden müssen, ihre Flügel ausbreiten wollen, auf sicheren Beinen gehen lernen müssen. Man befreit die Kunst in dem man sie freisetzt, befreit, sie vor die Tür scheucht, in die Landschaft plauzen lässt, auf die Plätze der Stadt bringt.

Mit Kunst und Power – Ja zur Magdeburger HaltbarkeitsDauer

Power wie Sei nicht sauer, kluge Bauer, auf der Lauer. Kunstwerke sind nun einmal Klarsichtscheiben, durch sie hindurch sieht man die Welt und das Leben etwas blumenreicher bunter und genauer. Power wie Dauer oder: Ein langer rauer Schauer für kulturelle Dauerzuschauer die im ElfenbeinTower hocken und nichts verbocken oder so ähnlich. Gut Ding braucht Zeit, jede Dauer braucht eine Weile, um in Schwung zu kommen, Hürden werden auch in kleinen steten Schritten genommen. Die Parole lautet: Werdet nicht sauer, glaubt an euch, werdet nicht müde oder gar mürbe.

Ja und jubeljubel. Magdeburg hat sich seine garantierte Haltbarkeitszeit selber vorgegeben. Für alle Interessierten die Zahl 2025 als kulturelle Hausmarke angezeigt. Hut ab für so viel Mut. 2025. Die Zahl steht nun wie auf einer riesigen Anzeigetafel leuchtend für Magdeburg. Und die Zeit dieser KultUHR läuft konsequent rückwärts und mit Macht auf die angestrebte Ziellinie zu, hinter der dann Magdeburg hoffentlich als Sieger im Wettlauf ausgerufen wird. Heute wie in zehn Jahren wird diese Kulturnacht wie alle folgenden auch kurzer Hand zum KulturTag erklärt und durch Kunst erhellt und dieser Zündfunke hält dann alle weiteren 365 Tage im Jahr an. Ein ganzjähriges Lichtfest, ein ganzjähriges Feuerwerk soll diese Stadt sein. Und um bei diesem Bild zu bleiben: Eine Leuchtrakete macht noch keine SilvesterNacht aus. Aber ein noch so kleines Tischfeuerwerk kann eine gute Stube schon schön in Schwung und Laune versetzen.

Ich weiß, Magdeburg hat das Potential zum angestrebten Höhenfeuerwerk. Es mangelt hier nicht an genügend hellen Köpfen mit zündenden Ideen und Projekten, die sich für Magdeburg als Kulturhauptstadt begeistern und leuchtend vorangehen.

In diesem Sinne nun einfach mit Goethe einhellig die Zukunft voraus gesagt: Es wird mehr Licht werden oder mehr Licht als in der heutigen Magdeburger Kulturnacht. Heut werden noch viele Nächte zum NachtTag der Kultur gemacht, ehe Magdeburg Tag und Nacht Kultur macht.

Kultur ist wenn der DOM Schmetterlingsflügel bekommt und kribbelnde Ameisen im Bauch hat. Kultur ist, wenn die Strassenbahnen in den Kurven singen und auf geraden Strecken wie Violinen klingen. Kultur ist, wenn sich die Fassaden bei den Händen halten und Häuser sich gegenseitig  zum Tanz auffordern und im Kreise zu drehen beginnen. Kultur ist, wenn die Brücken über der Elbe ihr Aussehen wechseln, sich in die Kleider der anderen Brücken schlüpfen. Kultur ist, wenn die vielen starren Skulpturen in dieser Stadt plötzlich zucken und auf der Stelle hüpfen, vom Sockel springen, nicht nur ihre Standorte wechseln, sondern auch die Standpunkte, Standhaltungen. Kultur ist, wenn das Hundertwasserhaus ein Chamäleon ist, ganz nach Belieben seinen Farbe ändert, sich der Umgebung anpasst, in ihr verschwindet und nur noch als Schattenriss seiner selbst zu sehen ist. Kultur ist, wenn Balkone Tuschkästen sind, Haustüren sich in leuchtende Farben hüllen, Fenster Leinwände sind für verrückte kurze Filme. Kultur ist, wenn die Gehwegplatten der Bürgersteige wie Fußböden in Diskotheken in bunten Neonlicht erstrahlen und Straßenlampen Pinsel werden, die in gläsernen Papierkörben ausgewaschen werden oder sich dann in die Elbe ergießen, die dann aussieht wie eine Gummimärchenschlange in allen erdenklichen Farben gehüllt, ein langes buntes Band, das aus Magdeburg stammt und den Rest der Elbe-Anwohnerschaft herzlich grüsst.

Peter Wawerzinek, Rede am 26. September vor dem DOM gehalten