Es ist vorbei bei bei bei

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Das ist ein Bild in Krakow (Polen) geschossen. Es zeigt eine Magdeburger Halbkugel, die man per Handkurbelei entlüftet und schon halten die zwei Hälften von allein. Man drückt den Knopf oder Hebel und schon fällt die Halbschale ab und nicht zu Boden, weil das die kurze InnenKette verhindert.

ENDE AUS NACH HAUS – Nun läute ich also meinen Abgang in Magdeburg ein. Am 26. September durfte ich vorm Dom die Eröffnungsrede zur KulturNacht halten, eine schöne Ehre. Und dann verabschiedete ich mich mit Freunden: Thilo Bock, Janni Stuzyk, Maria Vella und der Band Neuer Glas/ElectRio, sowie der Band meiner Tochter und einem super GitarrenDuo aus der Stadt von Magdeburg. Nun noch rasch eine Lesung zum Ausklang im Literaturhaus am 30. September, und ab geht es wieder nach Hause. Nun bin ich gespannt, wer meine Arbeit weiter leisten wird, wen man sich für den Posten in Magdeburg ausgewählt hat?

EP-150928856.jpg&MaxW=620&ImageVersion=default&filenameHerkunft: Pressefoto, im Internet gefunden = Magdeburgs Stadtschreiber Peter Wawerzinek stand mit „Neues Glas/ElektRIO“ (ehem. Ton-Steine-Scherben-Band) auf der Bühne.

UND DIESES ALLES AN MEINEM GEBURTSTAG : DAZU noch einen TatOrt aus Magdeburg und Rostock zusammen. Also meine StadtschreiberStadt ade und mein Geburtsort. Aber das Tollste von allem:

Vollblutmondfinsternis oder

Mondfinstervollblutnis oder Finstermondblutvöllerei:

Wann muss man aufstehen?

Um 3:07 geht’s los, dann fällt der erste Schatten der Erde auf den Mondrand. Von 4:11 Uhr bis 5:23 herrscht totale Mondfinsternis. Um 6:27 Uhr wird wieder der gesamte Mond sichtbar.

 

 

Lesung im Gewächshaus

OLYMPUS DIGITAL CAMERAOLYMPUS DIGITAL CAMERAHeute habe ich noch vor dem Mittagessen um elf Uhr vormittag fein gesetzte Gedichte und poetische Reise-Texte gehört – und eine Musik dazu, einen ganz wundervollen Bass. ich habe darüber eine Zeichnung geschaffen, die mir sehr gut gelungen scheint. Es ist ein guter Ort. Es sind so viele Pflanzen um einen herum. Die Luft ist tropisch und der Kopf wird groß, kann deutlich mehr aufnehmen. Danach bin ich im Gewächshaus herumgegangen, habe mit dem mann geredet, der alle Pflanzen kennt und weiß, wie viel Wasser sie trinken.

Im GewächsHaus

OLYMPUS DIGITAL CAMERAIch sah die PanamahutPalme, ein Gewächs, dessen Fasern irgendwie zum Hut geflochten werden. Ich sah fleischfressende Pflanzen, wie wir sie kennen, mit ihren Klappfächern, die Wimpern tragen. Ich sah den brasilianischen Federbusch, und ein paar Schädlinge wurden per Steckbrief gesucht: Die Wollaus, die Blattlaus, die Florfliege, vor allem deren Papplarven. Ich nahm flink die Stufen und ging den schönen Bogen entlang über allen Palmenwedeln. Ich fand die KapernPflanze, den schönen Busch im KakteenHaus, den mir der Pflanzenwart beschrieben hat. Die Blütezeit ist längst vorbei, sagte er. Mir reicht die Pflanze zu sehen und an Sizilien zu denken, wie ich Tomaten roh und geviertelt aß und eine Handvoll Kapern dazu. Unvergleichlicher Geschmack. Mir wird die Zunge feuchter als feucht sowieso. Ich sah auf einem künstlichen Teich diese riesigen Blätter, groß, hellgrün mit Kante und Dornen daran, auf die man ein Kleinkind stellen kann, wenn man eine entsprechende Unterlage von knapp einem Meter nutzt. Große Tabletts, die aus den Siebziger Jahren stammen könnten. Ich sah die Königin der Nacht, eine stachlige kleine Beere in der Ecke. Und plötzlich roch alles nach Meerschwein. Hier gibt es ein Gatter für sie. Und zwei kleine MiniHühner entdeckte ich im Dickicht. Mit so Federfächer auf dem Köpfchen. Das Chamäleon war grün geschmückt und langsam in seinen Bewegungen, gemütlich, in sich ruhend, fast so etwas wie ein Magdeburger Bürger.

Und dann kamen sie eigens, mich zu sehen, unterhalb ihrer sicheren Brücke doch hervor: Die hiesigen zwei Kaimane. Einszwanzig groß; ich bin etwas größer, schwimme aber nicht so viel im Wasser umher. Sie sind keine Jagdtiere, deswegen sind alle Fische im Becken vor ihrem Biss sicher. Bissig und jagend sind die Wasserschildkröten. Die schnappen schon mal zu und fressen gelegentlich einen Fisch. Und erstmals in meinen Leben besah ich mir hinter Glas PfeilgiftFrösche und den blauen FärberFrosch. Auf matschigen Herbstblättern saßen sie herum und könnten herrlich schlittern, wenn sie nur wollten, lustig auf ihren Buckeln rutschen.

Eine ältere Dame hält ein rötliches, weiches Stachelband in ihrer Hand und sagt laut: Wie sich das anfühlt. Der Name ist KatzenSchwanz. Ist schon zum kichern. Sie nur nicht darauf hinweisen, dass sie einen Schwanz in ihrer kleinen Faust hält. Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Pflanzen, hat Katja Lange-Müller gesagt, wenn ich mich richtig erinnere. Und kurz vor der Lesung stand ich auf Höhe mit Goethe, hier als GoethePflanze, versteckt und seitlich, fast zu übersehen, unauffällig wie der Altmeister selbst nie gewesen ist. Und hielt mich kurz im Telemann-Garten auf, bevor ich mich dann auf einen der Stühle setzte und den Texten, der Musik lauschte.

Um die Bühne, auf der die Lesung mit Musik stattfand, schwammen mittelgroße Goldfische, so rot wie Vogelbeeren.

Die Frage ist: WAS hat der Stadtschreiber denn so geschaffen in seiner Magdeburger Zeit?

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Dieses Buch erhielt ein großes VorWort von mir. (Seltsam, man sagt, obwohl es so ja nicht mehr stimmt Immer noch: Aus meiner Feder.) Dann verfasste ich in Magdeburg (und hielt sie in Klagenfurt) im Juli die Eröffnungsrede zur BachmannLese. Hoch über der Stadt im zehnten Stockwerk (oder sagt man besser Etage?) vollendete ich meinen Text zu Dylan Thomas, der im November 2015 in Wien unter dem Titel Ich Dylan Ich feierlich erscheinen wird. Ich fuhr regelmäßig ins Studio, dort mein musikalisches HörStück Rabenschwarze Liebeslieder zu vollenden; zwölf Lieder, die im Einzelnen Januar, Februar, März, April, Juni, Juli, August, September, Oktober, November, Dezember heißen. Zusammen mit der Autorin M. Vella entstand der Text zu: Zehn Tage in Magdeburg – ein Urlaub zu zweit in der Landeshauptstadt (während es heiß war und die meisten Landeshauptstädten ihre Stadt verließen und in ihre Urlaubsparadiese fuhren.) Er wird direkt in meinen Roman DER LIEBESTÖLPEL münden. Ach ja – und dieser kleine Blog wurde von mir wie ein verfressenes Rabenjunges mit weit aufgerissenen Schnabel ständig gefüttert. Ich überarbeitete ein fremdes Manuskript, half dem Kollegen Schreiberling aus Belgien eine LiteraturAgentin zu finden. Er ist überglücklich. So sieht Solidarität heute aus. (Er schreibt über die Liebe, dass sie kalt sein kann wie der Tod.) Ich las in Schulen, las Im Literaturhaus, in der JVA, im Forum Gestaltung; zuletzt hier oben direkt vor meinen Zimmerfenstern. Ich setze meine Rede zur KulturNacht Magdeburg auf und werde sie am 26. September vor dem DOM halten. Der absolute Höhepunkt. Ich zeichnete kleine Dinge in mein ZeichenHeftchen. Ich schrieb unwichtige, kleine Gedichte. Ich schoss, wo ich war, viele, viele Fotos. Sie sind meine Gedankenstützen, meine NotizenSAM_0137

Ich besuchte TheaterStücke, Ausstellungen, FreiluftVeranstaltungen, Konzerte, den ZOO zu seinem 65sten, die Biermeile. Ich war beim Fussball im Stadium und sie gewannen seit dem alles. Ich war dabei als ein Unwetter den SchlagerOlymp abbrach – war hier und dort und oft genug am Ort und mehr. Ich fuhr Fahrrad. Ich besah mir sämtliche Skulpturen und Denkmäler dieser Stadt. Sie kommen alle dann in meinem Roman vor. Ich las sieben Monate die hiesige Zeitung (und habe mich bloss darüber gewundert, von der Seite her nie wegen einer Kolumne oder so angeschrieben worden zu sein?) Die Fritzen köcheln hier lieber vor sich hin. Auch die Magdeburger Medien ignorierten mich. Egal. KulturKulinarische Erweiterung eben voll verpatzt.  Aber: Ich traf Menschen und hörte ihnen gerne zu. Ich liebte die Führungen von Nadja Gröschner.

Wir haben Worte ausgesetzt wie Taubenschwärme

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Ach, gestern ging es wundervoll oben bei mir zu. Fast dreißig Leute, angestiftet und hierher gebracht, durften als erste Menschen und Magdeburger sich vorlesen lassen, wie Magdeburg in meinen neuen Roman eingebettet wird. Unterstützung fand ich durch Maria Vella, Herbert Braun, die jeweils auch texte zu Magdeburg geschrieben haben. Ein aufregende Lesung, sehr heiter, sehr informativ und sehr gut angekommen. das macht mir Hoffnung für mein Manuskript zum Buch DER LIEBESTÖLPEL.

Nadja Gröschner und ihre pfiffige Crew haben für den Rahmen gesorgt, feine Häppchen bereitet und ein wunderschönes Büfett über den Dächern Magdeburgs arrangiert, das nichts, aber nichts an Wünschen offen ließ.

So bedanken wir uns gegenseitig, die Lesenden und die Zuhörer, die Organisatoren und ich natürlich über alles erfreut bei allen.

PA: Heute bin ich leider so krank, dass ich das Bett hüte und mich kurieren werde. Gut, für jemand, der wieder mal arbeiten und etwas lesen will. Im Liegen bekommen mir die Bücher am besten.

 KRANK IM BETT LIEGEND KOMMEN EINEM IDEEN – MIR AUCH:

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Gestern fuhr ich mit dem Fahrrad an einem Schaufenster vorbei, das so gleichzusetzen ist mit meiner momentanen Situation. Ich nehme Abschied von Magdeburg. Ich bin neugierig, wie ich da wieder herauskomme. Ich habe tapfer ausgehalten, denke ich. Ich habe Verbündete in N. Pohlmann und N. Görschner gefunden, einiges kennengelernt, über vieles nachdenken können, was Städtebau und die Vergangenheit anbelangt. Es ging schnell. Ich habe nicht damit gerechnet, dass nun Schluss ist. Ich habe nichts verändert, nichts bewirken können. Auch zu den tonangebenden kulturflussreichen Leuten habe ich keinerlei Nähe gewinnen können. Bälle, Empfänge, Häppchen, Sekt und Tanzmusik, Feuerwerk und schöne Abende mit lustigen Gästen und Gastgebern, sind mir erspart geblieben. Ich bin mit nur wenigen Menschen hier zusammen gekommen. Das kann sein, dass es an den Menschen hier selbst liegt, sie nicht zutraulich sind oder es liegt an mir, der ich mich nicht sonderlich bemüht habe?
Es mangelt auch an den Treffpunkten, den Kneipen, wo man sich trifft und alle Schichten zusammenkommen. Der Hausmeister, die Postfrau, die Studenten, der Taxifahrer, die Karrierefrau, der Arbeitslose. Ich denke, solch eine Kneipe gibt es nicht mehr, das ist lange vorbei. Ist ja auch in Berlin immer schwieriger. Jedenfalls sind alle Gaststätten irgendwie geeicht auf ganz bestimmte Personen, Ansichten, Mode. Die Vermischung ist nicht mehr beliebt. Ich nehme Abschied. Es gab dieses Mal kein Hochwasser und auch keinen Steppenbrand, obwohl es ja heiss genug war. Die Hitze hat keinen Schaden angerichtet. Hier in Magdeburg gewesen zu sein, war aber nötig, ich würde sonst etwas vermissen.
Mir ist wohl gewesen hier. Mir tut nichts leid. Ich sage ich nicht: Machsburg oder machs gut Magdeburg. Ich konnte nicht überall sein. Ich wäre gern überall gewesen. Ich habe mich hinriechend informiert. Ich habe die Stimmung als eine allgemein zuversichtliche eingeschätzt.
Magdeburg ist auf einem guten Weg. Man steigert sich langsam in eine Art Spannung, fiebert der Zukunft entgegen, die gut wird, ganz sicher. Ich werde ein Buch über diese Monate schreiben. Das wird vielleicht einige Leute beeindrucken. Der fremde Blick von aussen her ist ja stets notwendig. Ein bissel bin ich ein Auskundschafter gewesen.
Ja, doch ja. Es sind recht schöne Orte sind entlang der Elbe zu finden. Wenn man nur die Dinge aus der Nähe sieht, werden sie wichtiger, als man von ihnen nur denkt. Aus der Ferne mit nur dem Kopf als Sichtgerät kommt man mit den speziellen Dingen hier nicht in Beziehung. Ich gehöre ein wenig zur Garde, zur Magdegarde, zu den Leuten, die ihren Kopf hineingesteckt haben. Nichts weiß ich, aber deutlich mehr als vorher schon. Immer wieder werde ich aufhorchen, wenn Magdeburg von sich Reden macht, mir sagen: Was ist denn da los? Und binnen von nicht einmal zwei Stunden flink hinfahren, um dabei zu sein.
Ein Erkenntnis hebe ich hervor: Was für eine furchtbare Sache ist der Krieg, seine Zerstörungskraft hat Magdeburg traumarisiert. Man soll langsam die Winterquartiere verlassen, sich würdig erweisen, mit Stolz sagen, ja wir setzen uns in Bewegung. Man ist keine Hauptstadt, und muss sich dessen endlich bewusst werden. man muss dann Zeichen setzen, Ton angeben, Trends setzen. Man darf sich nicht wiederholen, nicht im Kreis bewegen. Man muss die grünen Kellen hochreissen, den Stau in allen Belangen auflösen. Es besteht kein Grund mehr, weiter auf den Startschuss zu warten. Grenzenlos werden wie der Himmel so erhaben hoch über allem steht.
Gestern sah ich eine Gaststätte mit Namen „Nebenan“. Irgendwie sind die Magdeburger noch nicht richtig drin in ihrer Stadt. Alle Belange wirken wie für nebenan gedacht. Die Nachbarn, die Magdeburg umlagern, wenn sie genauso denken, alle Belange nach nebenan verweisen, werden dann Magdeburg voraus sein. Eins ist sicher: Ich werde versucht sein, die Gastschaft „Nebenan“ noch zu besuchen. Es aber nicht schaffen, Und doch: Bin ich gespannt, was sie für einen Eindruck auf mich machen wird.
Magdeburg trödelt wie ein Schulkind auf dem Weg zur Schule. Magdeburg wirkt unentschlossen, geht nicht zügig los, nicht direkt aufs große Ganze wild zu. Es gehören vielleicht langsam junge Leute an die Spitze, die genügen Dynamik aufbringen und Tendenzen auslösen können? Die Stadt ist günstig, die Zeit reif oder die Stadt ist nun doch wohl endlich reif genug, die Zeit mehr als günstig, ohne Diskussionen loszulegen. Denn Lebendigkeit gehört dazu und nicht das Gefühl, Zukunft bereits hinter sich zu haben oder gar nicht erst anzurühren, zu lassen, was zu tun ist, lieber liegen bleiben als loslaufen.
Das Haus am Park, das man Schandfleck nennt, es muss weggerissen werden und an seien Stelle etwas Neues wachsen, damit dadurch eine Initialwirkung vonstatten geht. Es braucht Tatendrang und Begeisterung. Der Dornröschenschlaf muss aufhören. Leben und Sinn müssen im Vordergrund stehen. Magdeburg soll zeigen können, was es zu leisten vermag. Ich denke, diese Stadt sollte deutschlandweit ein Zentrum für Hausboote werden. Ach ja, und riesige Konzerte organisieren sollte man hier a la Wacken. Die Landschaft gibt es her, ist schön und genügen Platz scheint vorhanden. Etwas zustandebringen, was niemand Magdeburg zugemutet hätte. Sagen wir bunte HalligalliCity für Gagamenschen oder so. Sich einen topsicheren Namen machen, um mit Name für etwas einmaliges in Gespräch zu sein und lange zu bleiben. Die nötige Ruhe, es geschehen zu lassen, bringen die gelassenen Bewohner schon auf.

heute ist bei mir probe für morgen in der JVA = Dylan BOB Thomas Projekt

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Brandheisse erste Fotos der Künstler:

Bettina Essaka/Stefan Poetzsch/Peter Wawerzinek

beider PROBE zu:

In der Gedankenmühle – DAS BOB THOMAS-DYLAN-PROJEKT
++HEUTE ABEND+++++11. September ++++++ 20:00 – 21:30+++
Eine sinnlich–wilde Performance aus gesprochenem Text, Tanz und MusikAngeregt durch ausgiebige Wales-Reisen und dem Besuch das Geburtshauses von Dylan Thomas begann Peter Wawerzinek über sich, seine Herkunft, sein Leben und Schreiben zu reflektieren und setzt eine Gedankenmühle in Bewegung. Er performt in seiner unnachahmlichen Weise Texte aus seinem neuesten Buch „Ich Dylan Ich“, stellt sich dabei zuerst selbst in Frage und formt seine Person zu der einer anderer, nämlich der des walisischen Dichters.

Essaka/Poetzsch illustrieren nicht den Text, vielmehr gibt es eine kongeniale Eigenwelt der Bewegungen, des Textes und der Musik – die etwas Neues entstehen lässt. Wawerzinek liest seine Texte nicht, er führt sie auf, interagiert mit den Klängen und Bewegungen – er erfindet Rhythmen und Melodien zu seinen Texten. Die Worte werden Musik und die Geige lernt sprechen. Der Tanz ist Musik, Emotion und Rhythmus, manchmal im Kanon zum Gesprochenen. Eine Begegnung mit musikalischen Mitteln und tänzerischem Einfühlungsgefühl.

Der Kulturanker freut sich, die international anerkannten und renommierten Künstler als literarischen und zugleich musikalischen Höhepunkt des Festivals „Die neue Sinnlichkeit in der zeitgenössischen Kunst“ gewonnen zu haben.

Bettina Essaka und Stefan Poetzsch arbeiten seit langem zusammen und spezialisierten sich auf ausgeklügelte Choreographie/Kompositions-Projekte. Die Stücke von Essaka/Poetzsch werden mit dem Anspruch kreiert, als Choreographien sowie auch als Konzertaufführungen rezipiert werden zu können. In Magdeburg waren sie mehrmals mit ihrem Stück „unnötig“ zu sehen, eine Auftragskomposition für das Festival „Magdeburgisches Concert“ in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Moritzplatz. Diese Produktion wurde auf dem Poetenfest Erlangen auch zusammen mit dem chinesischen Dichter, Musiker und Dissidenten Liao Yiwu aufgeführt. Essaka/Poetzsch treten mit ihren Produktionen weltweit auf (u.a. auf Festivals und Veranstaltungen in ganz Europa, West, Süd– und Zentralafrika, sowie zahlreich in den USA).

S. Poetzsch arbeitet als Komponist vornehmlich für sein eigenes Ensemble und für B. Essaka, schuf Auftragskompositionen für den Bayerischen Rundfunk u.a. Als Musiker wirkt er zusammen mit zahlreichen Musikern und Komponisten (Markus Stockhausen, Frank Gratkowski, Eyal Maoz u.v.a.).

Weitere Informationen unter: www.stefanpoetzsch.com

Peter Wawerzinek, In Rostock geboren, in Ostseebad Rerik aufgewachsen, in Plauen (Vogtland) Lehre absolviert; 1976 Studium an der Kunsthochschule Weißensee, Textilgestaltung; nach 2 Jahren unfreiwilliger Abbruch; von 1978 – 1987 Anstellungen als Tischler, Kraftfahrer, Fließbandarbeiter, Hausmeister, Telegrammbote, Briefträger, Zugkellner, Rampenwart; ab 1. Januar 1988 Versuche einer freiberuflichen Existenz als Zeitungsjournalist, Sänger, Filmemacher, Dramaturg und Schreibender in Berlin, 2010 Bachmannpreisträger für das Buch „Rabenliebe“ und Publikumspreis, letzter Roman (2014) „Schluckspecht“, zur Zeit Stadtschreiber von Magdeburg.

… UND AUßERDEM IN DIESEM ZUSAMMENHANG UND EIGENER WERBUNG:

Peter Wawerzinek
Ich Dylan Ich
Roman
ISBN 978-3-903091-01-6,
160 Seiten, Hardcover
EURO 19,90 (A + D), CHF 28,50
VÖ: 2.11.2015
Cover: Alice Haring


„Ich schaltete einmal den Sender um und hörte dich an diesem Tag, vernahm nur deine Stimme im Radio. Und das will ich dir sagen: Du kannst verdammt gut lesen. Du bist ein Genie, Dylan. Du bist eine Ikone der Vortragskunst. Das habe ich in meiner Jugend am Radiogerät gleich herausgehört.“

Wawerzinek ist mehrmals nach Wales gereist, hat die Landschaften und Orte von Dylan Thomas aufgesucht und beschrieben. Wer über einen anderen redet, redet ja immer auch über sich selbst. Und so wird die Reise zu Dylan Thomas vor allem auch eine Reise zu sich selbst. Dylan Thomas, sein Leben, seine Landschaft, sind für den Autor vor allem Spiegel, die Rede nicht Zwiegespräch, sondern Monolog. Das aber auch nicht ohne Selbstironie, wenn er schreibt: „Ich gehe in der Frühe zum Hafen, dein Denkmal zu besuchen, mich zu dir zu setzen. Der Sockel ist schmal, und hat nur Platz für einen. Es ist nicht einfach, Dylan, sich zu dir auf deinen Sockel zu setzen. Da ist kein Platz für einen Zweiten an deiner Seite.“
Wawerzinek fürchtet wie Dylan Thomas vor allem den Tod im Leben, das Leben ohne Leidenschaft. Dass dazu der Alkohol als Treibstoff und Stimulans, als Ablenkung und Betäubungsmittel gehörte, das war bei beiden so, mit all den Kollateralschäden der Sucht. Dass der Trinker, der dem Suff wie dem Schreiben verfallene, sich nicht nur Freunde macht, Leute verprellt, vor den Kopf stößt, haben beide erfahren.
Gerd Adloff

 LESEPROBE

Erstes Kapitel

Wie als wären nicht Jahrzehnte Zeit zwischen deiner und meiner Geburt. Wie als müsste ich mich be­ eilen, rechtzeitig zu deinem hundertersten Ge­burtstag diesen Text fertig zu bekommen, schreibe ich alle meine Gedanken auf. Wie ich das erste Mal auf dich auf­merksam geworden bin, was du mir bedeutest, warum ich meine, dass unser beider Leben miteinander verwoben sind, wir so mannigfaltig miteinander zu tun haben.

Da war ich vierzehn Jahre alt. Da wohnte ich an der Ostseeküste in Rerik, ein Ostseebad, das Meer vor der Tür. Da konnte ich wie du zum Meer hin laufen, aus der Haus­ tür heraus auf dem kürzesten Weg. Da wurde ich von der Lehrerfamilie adoptiert. Und wurde Herr über die Bücher, eine schmale Treppe empor, unterm Dach auf einem uri­ gen Boden. Bücher in Schränke und Truhen gepfercht, in hinterste Ecken verbannt. In der guten Stube meiner neuen Eltern waren nur ein paar unwichtige Bücher zwischen zwei Muskelmänner aus Gips gestellt; metallen, kupfern angestrichen. Die Bücher hießen Der Opernführer, Deine Gesundheit, Enzyklopädien zur Physik, Mathematik leicht gemacht, Ratgeber für die Kosmetik. Und ich wurde Herr über den Alkohol im Keller, den sie mich von dort holen schickten. Einmal ums Haus herum, die Treppe hinunter, durch die Waschküche, den Kohlenkeller, zu den Regalen an der hinteren Wand, wo er in Flaschen abgefüllt und in Töpfen, Gläsern, Fässchen verwahrt gelagert wurde.

Ich las auf dem Boden unterm Dach, dem Himmel ein Stück näher. Ich naschte im dunklen Kellerwinkel von Eier­ likör und Rumtopf. Sie hatten keine Übersicht über die Bücher, die sie besaßen und auch keinen Überblick darüber, wie viele Flaschen im Keller lagerten.

In der Küche lief ständig das Radio. Ich schaltete einmal den Sender um und hörte dich an diesem Tag, vernahm nichts als deine Stimme im Radio. Und das will ich dir sa­ gen: Du kannst verdammt gut lesen. Du bist ein Genie, Dylan. Du bist eine Ikone der Vortragskunst. Das habe ich in meiner Jugend am Radiogerät gleich herausgehört. Wie du deine Texte inszenierst, mit deiner Stimme Melodien er­ zeugst. Ich habe von dir den Singsang gelernt. Ich weiß von dir, wie man seine eigenen Texte spricht. Oh ja, das war mein erstes Hörerlebnis. Das war für mich gesprochener Rock ́n ́ Roll. Ich habe dich drei, vier deiner Gedichte in deiner unvergleichlichen Art und Weise sprechen gehört, deiner Sprache gelauscht und dich augenblicklich verstanden, obwohl es alles auf englisch vorgetragen wurde. Mit dem Herzen, Dylan, mit dem musischen Teil meines Hirns, denke ich. Deine Stimme sprach zu mir.

Ich war also von einem Lehrerpaar adoptiert. Ich trug den Namen meiner Ersatzeltern. Ich fühlte mich nicht an­ gekommen und auch nicht ausgesetzt. Ich gehörte da hin, wie ich aber auch immer etwas fehl am Platz blieb. Ich habe darüber ein ganzes Buch geschrieben, der Titel Das Kind das ich war, ohne Komma geschrieben. Ich nährte in mir die Sehnsucht nach meinen richtigen Eltern. Dylan, deine Stimme wurde zu dem, was mir Mutter und Vater sein hätte können. Deine Stimme tröstete mich über mein elternloses Dasein hinweg. Ich drehte, so oft es ging, zur richtigen Zeit das Radio an. Zum Glück wurdest du sehr früh und ganz regelmäßig mit einem einzigen Text gesendet, so dass ich dich oft genug hören konnte, während im Haus alle Leute noch schliefen. Zum Glück lag die Küche weit genug vom Schlafzimmer entfernt, so dass ich, das Ohr ans Radio gelegt, dich und deine Stimme zwar etwas leiser, aber gut hören konnte. Oh, ich hörte dir so gerne zu. Ich drehte danach den Sender wieder weg. Es fiel niemandem auf.

Dann kamen einmal beide neuen Elternteile zugleich in die Küche und wunderten sich, was ich da trieb. Der Sender, den ich hörte, die Sprache, du, alles war ihnen sehr, sehr unbekannt. Also drehten sie dich aus und den alten Sender wieder ein. Das tat weh, machte aber insgesamt gar nichts. Ich war ja sowieso schon infiziert. Du sprachst in mir fortan fort. Deine Stimme ging mit mir durch die Welt. Auf allen meinen Wegen redete sie mit mir. Und ich schlief mit deiner Stimme ein, erwachte durch sie sanft geweckt. Du wurdest zum Singsang in mir. Und dann eroberte ich das Radio zurück. Aber du gingst nicht mehr über den Sender. Deine Stimme blieb aus. Es wurden ganz andere Dinge gesendet. Musikstücke, Kinderstimmen, Sportreportagen. Ich war traurig. Ich begriff es einfach nicht. Wo warst du nur hin? Und dann geschah dieses Wunder. Ich hörte mich plötz­lich mit deiner Stimme sprechen. Ich war gar nicht der Junge für so eine feine Stimme. Ich war nur die menschliche Hülle, eine Art Muschelhorn, aus der hervor du mit deiner Stimme zu mir sprachst, bis auch das nicht mehr nötig war. Bald schon redete ich selbst mit deiner Stimme. Nicht laut, da hätten sie mich alle nur entgeistert angestarrt, nein leise, innerlich.

Ich wusste nicht, dass du ein Dichter bist. Ich weiß nicht zu sagen, wie es kam, warum ich es so sehr wünschte, aber ich wollte später dann auch nur noch ein Dichter werden. Ich wollte wie du mit deiner Stimme meine eigenen Texte sprechen, mit deiner Stimme reden. Ich ahmte deine Stim­me nicht nach, sie kam aus mir hervor, war meine Stimme. Ich wurde immer perfekter. Und dann sprach deine Stimme mich an, redete aus der fernen Zukunft zu mir. Die Zukunft war sehr viel mehr als nur nah. Seit ich mit deiner Stimme redete, rauschte das Meer, blies der Wind in meinen Worten. Ich war meine Jugend lang deine Stimme. Und diese Stimme wellte, heulte, wisperte, gluckste und pfiff: Doch ob sie auch toll sind und tot wie Stein, / Ihr Kopf wird der blühende Stein­ brech sein, / Der bricht auf in der Sonne bis die Sonne zerbricht, / Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.

Wenn ich es so formulieren darf, Dylan, so hast du ja vor allem von deiner Stimme und der Stimmung, die du mit ihr erzeugt hast, also von deinem Vortrag profitiert: Du bist als Stimme vielen Leuten bekannter gewesen, als durch deine Schreibkunst, die Bücher. Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich halte dich für einen großen Schriftsteller, Dichter, Wortakrobaten. Wenn man dich deine Gedichte aufsagen hört, dann ist das ein viel größeres Erlebnis, als sie nur so für sich zu lesen. Dieser Teil ist bei mir ebenso wichtig.

Ich schreibe den Text, dann wird ein Buch aus dem Text, und dann werde ich mit dem Buch zu Lesungen eingeladen. Und erst dort kann ich den Leuten zeigen, was sonst noch so alles in den Text eingebaut worden ist, welche Emotionen mitschwingen, die sonst überlesen werden. Ich setze meine Stimme ein, mit ihr Stimmungen zu erzeugen. Ich atme. Ich rede leise. Ich verfalle fast in einen Gesang. Ich werde laut. Dann wieder scheine ich den Faden verloren zu haben. Ich wirke verwirrt. Meine Stimme lässt nach. Meine Stimme versagt. Ich beginne zu stottern. Aber ich finde zu meiner Stimme zurück. Meine Stimme erholt sich rasch. Ich kann mit meiner Stimme wieder klare Sätze formulieren. Sätze, die auf der Seite, die sie bewohnen, sonst niemand bemer­ ken würde. Es ist, als würde meine Stimme die verängstigten Sätze nach vorne bitten und ihnen ein Mikrophon anbieten.

Grosses Super-KONZERT zur KULTURNACHT in Magdeburg/26. September 2015

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Da sitzen wir nun also im Berliner Tonstudio – der Dirk Schlömer, ich und seine wahre Band

NEUES GLAS / „elektRio“,

zur Probe – um dann am 26. September zur Kulturnacht den Abschluss mit einen riesigen Konzert im FORUMgestaltung ausklingen zu lassen, in die Nacht hinein unter dem Motto FEIERN BIS EVA KOMMT.

WEITERE GÄSTE SIND:

Janni Struzyk – TUBA

Bob Bemann – Singer/Songwriter

Maria Vella – Flügel

Thilo Bock – Storyteller/Keybord

Herbert Besten – stadtbekannt als DADA

OH KOMMET ZAHLREICH und feiert mit!

UPPPS … und kaum hat man das Programm zusammen, so schlägt es einem wie störrisches Schilf ins Gesicht. Ich wollte Magdeburg zu meinem Geburtstag einen Stiefsohn schenkend nun das. Lest selber:

Ohh lieber Peter, wie gerne wäre ich bei Deiner Fete dabei, und ich hab sie mir auch sehr rot eingeschrieben, nun ist es aber so, dass ich am 15. September auf ein Schiff steigen werde, um es nach Lissabon zu überführen, und ja, für Geld, von Leuten die sich nicht trauen, aber das Geld haben, um mich von so einem tollen Konzert abzuhalten. In DER Stadt, aus der meine väterliche Sippe komplett kommt. Es geht um das Wintergeld, um die Familie, sie zu ernähren und die Scheissmiete zu bezahlen. Sei nicht bös, A. hab ich es schon gebeichtet während der schönen At.tension. Wir werden uns wiedersehen und eine Theaterbühne errichten, um gemeinsam dem Volk die Leviten zu Lesen … Lissabon, he he, kannst Du mich verstehen?

Für Ersatz wird also gesorgt. Jeder Musiker ist austauschbar, aber mancher eben so gut wie kaum, egal.

Ich bin für die Verkürzung von Wartezeiten

Gestern habe ich zweimal eine halbe Stunde auf zwei Frauen gewartet. Die eine liebe Dame kam erst nach dem ich mit dem Rad weggefahren bin und teilte es mir dann per Mail mit: Sorry, schrieb sie mir, ich habe mich echt bemüht, da zeitig wegzukommen, aber leider zog es sich alles sehr hin. Die zweite Frau kam gerade noch so nach 28 Minuten, zwei Minuten bevor ich wieder losfahren wollte. Sie redete sich mit dem regen heraus, der für mich genauso fiel wie sie. Also, achtundfünfzig Minuten Zeit umsonst binnen von drei Stunden völlig sinnlos herumgestanden, mir die Gegenden angeschaut, mehrere Beruhigungszigaretten gepafft, einmal sogar unterstellen müssen, um nicht nass zu werden – ich meine, da wird mir nix anderes übrig bleiben, als eine Partei zu gründen, die sich radikal gegen derartige Wartezeiten ausspricht. Und dann darf ich auch entsprechende Gesetze erlassen, damit das ein & für alle Mal vorbei ist mit diesen Verabredungen, die den Frauen nichts bedeuten. Eine halbe Stunde finde ich normal, hat eine sehr junge Frau erst vor kurzem zu mir gesagt, und ihr Freund hat genickt, wie, als ginge es nicht um entsetzliche Verschwendung von Zeit, Lebenszeit, meiner.

HAMLET lässt den Herbst los

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Der Herbst kam pünktlich

Ja, so habe ich das Wetter gern. Morgens aufwachen und Tropfen am Außenglas der Fenster. Grauer Himmel mit Wolken von tiefschwarz bis durchsichtig fast nur so hingehaucht, auch in Grau. Irische Zustände. Wehende Wolken. Viel Bewegung oben. Und unten werden die Strassen nass und die Bäume durchgeschüttelt: Aufgepasst, der Sommer ist vorbei, vielleicht kommt er gar nicht mehr. Jetzt regiere ich, dein Herbst.

HAMLET gibt Gastrolle im FORUM GESTALTUNG

Die Aufführung, vielleicht waren am ersten Abend dreißig Leute da?, im Innenhof des Forum Gestaltung, blieb von Regengüssen verschont, dafür hagelte es zum Schluss heftigen Applaus für das schöne Spiel. Es wurde gesungen, gesprochen, sogar Faxen waren erlaubt, richtig komische, feine Slapstick-Nummern gemixt mit italienischen Witz – und ! – eine großartige Musik, nicht zu vergessen – manchmal wie Apocalyptica, manchmal wie frecher Jazz und schnoddrige Schlagerparodie.

Hingehen sage ich, einfach dabei sein, ehe es am Sonntag dann aus ist mit dem lustigen Spiel.

Brauner Hirsch von Magdeburg lässt sich in Berlin vergolden UND HÖRT KLEZMERmusik

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Oder was man so alles zu sehen bekommt, wenn man einen Zug verpasst und dann für sich herumspaziert.

Bahn baut in Berlin. Strecken sind gesperrt. Ich schau einmal nicht ins Inter-Netz, schon bekomme ich die Bahnänderungen nicht mit, muss alles am eigenen Leib erfahren, das Fahrrad mit dabei, eine Tasche Lebensmittel von daheim auf dem Rücken gebuckelt. Treppen hoch. Keine Leute auf dem Bahnsteig, nur zwei, drei Penner. Treppe herunter und hoch, mich und die Sachen in die S-Bahn verfrachtet. Dann am Zielbahnhof kurz die Anzeigetafel gecheckt: MAGDEBURG 08:19 Uhr. Es ist eben 08:19 Uhr. Die Minute. Der Zug bestimmt weg. Manchmal aber gibt es ja Verspätungen? Trotzdem mich und alle Klamotten noch einmal mobilisiert und rasch mit meinen Lasten die letzte Treppe zum Bahnsteig hoch,  der Zug steht noch, flink auf den Knopf gedrückt, der rot aufleuchtet und damit sagt: Nix da Herrschaften, wir fahren ohne euch ab. Da sind nämlich noch ein paar andere mit mir herangestürmt. Also wieder alles zur Ebene herunter auf den Bürgersteig gebracht, und dann ganz ruhig aufgesessen, mit dem Gepäck und dem Rad kleine Rundfahrt gemacht, ab Bahnhof Zoologischer Garten bis zur großen Straße hinterm Hotel Interconti, Esplanade, wer will das wissen, hin. Mir sind sie alle egal, diese Angeber-Hotels. Nur dort drehen sie einen Film, zwei Kräne für eine Fassade nach hinten heraus, haben sie errichtet, Irrsinn. Für Kameras, die nichts weiter als Glas und Glas filmen werden, sie abfahren hoch und runter, um oben auf dem Dach vielleicht den Selbstmörder nach dem Skript zu filmen, wie er springen will und dann klingelt sein handy und teilt ihm mit, dass er ein Lotto- oder sonst der Gewinnertyp ist oder so? Dann auf der Rückradfahrt, habe ich ihn gesehen oder er mich? Dieser Hirsch, der rechts neben dem Rathaus Magdeburg steht, dort in kastanienbraun mit einer goldenen Kette. Dieser her hat es gleich richtig gemacht, ist in die Vollen gegangen, hat sich vergolden lassen, am ganzen Leibe sieht er nun aus wie die Frau bei James Bond, die mit Blattgold überzogen ihren Löffel abgegeben hat, wie man so sagt.

FOLTTE KLÄNGE IM FORUM TROTZ WEGSPERRUNG DURCH MICH SLEBST

Kein Fotobeweis, nix. Ich war da, aber ohne alles, weil – ich habe mich ausgesperrt. Fahrrad erst raus, dann: Ach, bei dieser Hitze nicht, der Weg zum Forum Gestaltung ist ja so weit nicht. Also Fahrrad wieder rein und – ach, der arme kleine Baum, irgendwer hat ihn in den Flur neben meine Tür gestellt, braucht Wasser. Also wieder rein mit mir und die Flasche voll, soll er sich satt saufen. Und mechanisch dabei die Tür zugezogen. Alles schon erledigt – also Fenster sorglich zugemacht, Tasche gepackt. Schlüssel von innen stecken lassen. Na da steckt der Schlüssel aber gut. Ich so einen Hals mit Rüssel wegen dem Schlüssel und meinem Schussel, ich Schlüsseldussel. Nun stand ich da mit wirrem Haar und nichts als einem T-Shirt plus kurzärmliges Hemd mit Brusttasche für Zigaretten, Lesebrille.

Und ab also ins ForumMontag, 31. August 2015, 19.30 Uhr Benefizkonzert für die neue Synagoge in Magdeburg: Klezmers Techter, bestehend aus Gabriela Kaufmann (Klarinette, Bassklarinette), Almut Schwab (Akkordeon, Flöten, Hackbrett) und Nina Hacker (Kontrabass), alle drei aus Mainz stammend mit ihrem neuen Programm „MAYIM“, einen Bogen von freien Improvisationen bis hin zu traditionellen Interpretationen jiddischer Musik- faszinierend und facettenreich. Alles nachträglich aus dem Netz gefischt, denn ich habe ja meine Umhängetasche hinter der verschlossenen Tür, prima, sauber abgestellt und zurückgelassen. Also habe ich auch kein kein Notizbuch, es mir aufzuschreiben dabei. Not+izen = Not-izen oder im englischen „please not izen“, was so viel heißt wie: nicht mitschreiben, füttern wie auch immer, hihi, haha.

Die drei Frauen waren spitze bis ordentlich free-jazzig, also dreimal unterschiedliche Charaktere. Die eine konzentriert und erfreut am Bass, die andere beschäftigt mit den zwei Klarinetten und dem Mikrophon, das sie zu jedem Titel abnahm und wieder wegsteckte und sich dann auch noch ins Kabel verstrickte. Sie meinte an Dinner for one“ denken zu müssen. Die auffälligste lebensfroh, lachend und Faxen treibend, glaubhaft, ich erlebte sie nach dem Konzert, die drei sind authentisch. Es macht Laune ihnen zuzuhören, dazu rocken und abhotten wäre natürlich angebracht, so aber saßen wir brav an der Technik, dem Mischpult für Ton & Licht – ich und der Pohlmann. Der wurde nach dem Konzert wichtig, was meine Tür angeht. Der stellte den Draht zum Hausmeister her. Und für den war es ein Kli-kla-Klacks, die Tür wieder aufzubekommen

Aufregend der Umstand, dass ich im Hotel übernachtet habe, bei weit geöffnetem Fenster und viel viel Krach. Das Hotel ist okay bis bestens. Vor ihm steht das halbierte Monument der Halbkugeln zu Magdeburg von Otto angezettelt, der ihnen die Luft absog und gegen sechzehn Pferde der starke Otto blieb.

 

Feiner Landregen über der Stadt – und was heute in der Wiener Zeitung brandneu zum Magdeburg-Stadtschreiber geschrieben steht.

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Was mich schon als Kind gewundert hat war

der Landregen über der Großstadt. Müsste er

nicht hier Großstadtregen heißen, fragte ich

mich mehr als laut und mehrfach? Und wurde

dafür eher unverständlich angesehen.

Worüber sich das Kind seinen armen Kopf

zerbricht, hieß es nur, wenn ich den

verschiedenen Regenorten neue Namen

verpasste: Wüstenregen, Gebirgsregen,

Inselregen, Meerregen, Urlaubsregen,

Feiertagsregen, Nachtregen, Kinderregen,

Geldregen.

 

In der Wiener Zeitung von heute: Von Christina Böck

Wie verrückt muss man sein, um in Zeiten wie diesen einen Buchverlag zu gründen?

Es ist wahrscheinlich schon so manchem glücklosen Autor der Gedanke gekommen: Warum nicht selbst einen Verlag gründen? Auch Karoline Cvancara musste feststellen, dass die gängigen Verlage „schon lange auf meinen Beststeller verzichten“. Das war zwar nicht der ausschlaggebende Grund dafür, dass Cvancara heuer den Verlag Wortreich gegründet hat. Aber ohne diese Erfahrung wäre es wohl nicht dazu gekommen, denn: „dadurch hatte ich einen guten Einblick in die Verlagsszene. Ich habe beobachtet, dass die österreichische Verlagswelt einen Fehler macht: Sie lässt anspruchsvolle Belletristik liegen. Das überlässt man den deutschen Kollegen.“ Dafür, dass sie am liebsten einen österreichischen Nick Hornby im Programm hätte, sei sie viel belächelt worden. Aber nicht von den Autoren: Die haben schnell einen brauchbaren Partner in „Wortreich“ gesehen und über das altmodischste Netzwerk der Welt – Mundpropaganda – empfahl die eine dem anderen den neuen Verlag. So gelang es, in kürzester Zeit ein Ganzjahresprogramm zusammenzustellen.

Und unter den Autoren findet sich mit Peter Wawerzinek auch gleich ein Bachmann-Preisträger. „Da hab ich mir schon gedacht: Ein Bachmann-Preisträger will bei mir unterschreiben? Was ist mit der Verlagssituation los?“

Gutes Stichwort: Wie gewagt ist es, in Zeiten, in denen Buchverlage eher eine gefährdete Spezies sind, einen neuen zu gründen? Kvancara ist überzeugt davon, dass sich für engagierte kleine Verlage gerade eine Nische aufmacht. Die 30.000 Euro Startkapital hat sie privat aufgestellt, bei Bund und Stadt Wien kann man – für jedes Buch individuell – um 600 Euro Druckkostenzuschuss ansuchen. Bis Wortreich um eine Verlagsförderung ansuchen kann, muss Cvancara aber drei Jahre ohne Hilfe durchkommen.

„Liebe zahlt keine Rechnungen.“ Das hat Cvancara im Musikbusiness gelernt. Denn die Neo-Verlegerin bringt einen Hintergrund mit, der ihre Leidensfähigkeit bezeugt. Lange arbeitete sie in einem Plattengeschäft in Wien, das schließlich trotz allen Engagements und aller Selbstausbeutung nicht mehr gerettet werden konnte. Die Musikwelt erweist sich aber auch im Verlagsbereich als gute Folie. Dass es etwa ohne digitale Beiwagerl nicht geht, ist Cvancara klar. Jedes „Wortreich“-Buch (die übrigens in 1000er-Auflagen erscheinen) gibt es auch als E-Book. Auch die Wichtigkeit von Amazon ist ihr bewusst: „Wenn das Buch nicht auf Amazon ist, dann gibt es das Buch für den Konsumenten nicht“, sagt sie.

Besonders viel Wert legt Cvancara auf ein qualitätsvolles Lektorat – auch wenn sie ihre Germanisten aus Kostengründen bisher nur auf Honorarbasis beschäftigen kann. Das sei einer der Gründe, warum sie Autoren vom Self-Publishing dringend abrate. „Diese Texte sind dann als E-Book veröffentlicht, mit allen Fehlern.“ Auch viele etablierte Verlage würden den Fehler machen, beim Lektorat zu sparen: „Wenn eine Geschichte gut ist, kann das Lektorat noch viel tun, dass auch das Buch gut wird.“ Noch etwas hat Cvancara aus der Musikwelt mitgenommen: „Wenn ein Plattencover schön ist, greift man hin.“ Nicht jeder österreichische Verlag hätte das verinnerlicht: „Das Drama bei den österreichischen Büchern ist: Man sieht’s gleich.“ Deswegen hat sie für ihre Buchcover eine eigene ästhetische Linie: Die Künstlerin Alice Haring gestaltet sie alle, nachdem sie sich von den Manuskripten inspirieren hat lassen. „Schöne Bücher sterben auch bei Großverlagen ein bisschen aus. Da gehen wir einen zickigen anderen Weg.“