Rein in die Leere 8

Vor ein paar Tagen war der Aufzug in dem Haus, in dem ich zur Zeit wohne, kaputt. Dachte ich jedenfalls. Denn wie ich kurz darauf in einem von einer Hausbewohnerin im wieder funktionierenden Aufzug an die Wand gehefteten Schreiben las, hatte offenbar jemand bloß alle Knöpfe gedrückt, ohne dann einzusteigen, und den Aufzug auf die Weise blockiert.

So weit, so gut. Ich verstehe die Empörung, den Ärger, schließlich ist es ein ziemlicher Kasten, in dem ich wohne, neun Stockwerke hoch, und wer die Stufen bis ganz nach oben laufen muss, so wie ich übrigens, dem kann das schon mal die Laune vermiesen. Aber muss man deswegen denjenigen, der das gemacht hat, gleich entmenschlichen und als „Knopfdrückersau“ bezeichnen, und das gleich zweimal? Muss man mit den Worten „Zusammen finden wir dich!“ zur Jagd auf den Übeltäter blasen? So geschehen nämlich im besagten, selbstverständlich anonym gehaltenen Schreiben, unter der seltsam steif anmutenden Überschrift „Missbrauch der Aufzugsanlagen zur Personenförderung“. Und was folgt als nächstes? Einkasernieren? An die Wand stellen und…?

Es ist in den letzten Jahren viel von der Verrohung der Sprache als Voraussetzung von Gewalt gesprochen wurden, und mir scheint, als liefere besagtes Schreiben ein furchterregend perfektes Beispiel dafür. Eine Mischung aus Amtsdeutsch und Primitivität, aus Bürokratie und Brutalität. (Klingelt da was?) Ein Neologismus zudem, „Knopfdrückersau“, der auch noch ausdrücklich in der Überschrift angekündigt wird, wenn auch in Klammern. So schwer es auch fällt, ich muss es noch einmal zitieren: „Achtung: Missbrauch der Aufzugsanlagen zur Personenförderung (Täter/in im folgenden als „Knopfdrückersau“ bezeichnet). 

Wer sowas schreibt, schreibt nicht im Affekt. Er kennt sich aus. Er kalkuliert. Würde er sonst seine Beschimpfungen in Anführungsstriche setzen? Wer sowas schreibt, weiß, was er tut.

Mich empört und ängstigt dergleichen mehr als die eigentliche Aktion, die hier beklagt wird. Früher hätte man gesagt: ein dummer Jungenstreich. Eine Unverschämtheit. Ich könnte mir auch vorstellen, so jemanden, wenn ich ihn auf frischer Tat ertappte, als Arschloch zu bezeichnen (ohne Anführungsstriche.) Aber „Knopfdrückersau“? Und „Zusammen finden wir dich“? 

Als ich gestern Abend mit dem Aufzug hochfuhr, habe ich „Knopfdrückersau“ auf dem Zettel durchgestrichen. Ein Stadtschreiber, der nicht schreibt, sondern durchstreicht. „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“

Comments are closed.