Gestern war ich zum ersten Mal Gast im Gebäude des Mdr Magdeburg. Etwas verspätet, denn
ich schoss, da ich es ja am Ufer wähnte, mit meinem Fahrrad gleich über alle fließenden
Gewässer hinaus. Ich gab ein kurzes Interview zu unserem heutigen Abend in der Stadtbibliothek,
für den ich aus eigenen Texten und Gedichten zum Thema Heimat einen zu diskutierenden Beitrag
zusammengetragen habe und mir von meinem Mann, dem Schauspieler Matthias Brenner, helfen
lasse, diese vorzulesen.
Im Anschluss daran fuhr ich das Gelände des Stadtparks — auch für mich erstmalig ab und wenn
mich jemand hätte hören können, wäre ihm vielleicht irgendwann mein sich wiederholendes
„unglaublich“ gehörig auf die Nerven gegangen. Mein Mann erzählte mir allerdings am Abend er
hätte meinen Anruf aufbewahrt, in dem ich ihm vorgeschwärmt hatte, was ich da gerade wieder
für mich neues an Magdeburg entdeckte. Bisher hatte mich mein Fahrrad immer wieder in
Richtung alte Hafenanlagen zu den noch nicht sanierten Silos, der Denkfabrik und der sich daran
anschließenden Elblandschaft geführt, weil ich da schon rein verliebt war. Aufpassen: Verliebtsein
macht blind für das drumrum, für weiteres, wenn man ein treuer Mensch ist…
Also eröffnete sich durch den Termin im Mdr ein neuer Teil Magdeburgs für mich. Bald begann
ich zu fotografieren, um ihn Freunden zu senden mit dem Hinweis, dass ich mich noch innerhalb
einer Großstadt befand. Ich war gerade an dem hohen Stein, der dem Gartendirektor Paul
Niemeyer zu seinen Ehren errichtet wurde, und genoss den Blick in die Wasserlandschaft , die
man von dort aus hat, als mich ein älterer Radfahrer ansprach. Ich ließ ihn natürlich gleich
teilhaben an meiner Magdeburgbegeisterung. „Was, sagte der, Magdeburg ist schön? Dresden
ist schön…!“
Ich war wieder vor den Kopf geschlagen, wieso wissen die Magdeburger nicht, was sie für ein
Juwel besitzen? Ich ließ mich natürlich nicht beirren, sondern holte aus, auch wenn er mich
belächelte, beschrieb ihm meine Eindrücke, erzählte was ich hier sehe, was auch er hier sehen
muss und berichtete zum Beispiel auch vom Theater. „Ach ja Theater,“ sagte er, „früher hatten
wir ein Anrecht aber das ist ja alles nicht mehr.“ „Wieso?“ fragte ich ,“ Sie können doch einfach
hingehen , es ist Ihr immerwährendes Recht, aus freien Stücken ins Theater zu gehen.“
Wie sich herausstellte war er da seit der Wende nicht mehr. Er führe aber fast täglich hier überall
rum. Klar sei das schön und nun begann er mir zu erzählen, dass man früher hier nicht in die Elbe
gekonnt hatte wegen der Verschmutzung, zeigte mir Plätze oder sprach von ihnen, an denen
früher mal was völlig verwahrlost gestanden habe und jetzt sei es neu gemacht worden. Gut, ja,
auch die vielen Bänke überall, der asphaltierte Weg…
Plötzlich fing er selbst zu schwärmen an. Wenn ich nicht gefroren hätte wäre unsere Begegnung
nicht so bald beendet worden. Trotzdem, ich glaube, er setzte sich nach unserem Abschied an
der Brücke erhobenen Hauptes auf sein Fahrrad und radelte nach Hause in der Gewissheit, da
gibt es jemanden : auch noch aus BERLIN , der findet Magdeburg so toll, würde hier sogar auch
gern wohnen, Magdeburg , da wo er aufgewachsen ist, in seiner Stadt, wo er nie rauskam, lebt
von Kindheit an, Magdeburg … ja, wenn diese Stadt , also jemand von außen so gut findet… da
muss doch was dran sein.
Übrigens sah er bedeutend jünger aus als er laut seiner biografischen Daten, die er mir offenbarte,
gewesen sein muss. Das ist die Magdeburger Luft, das Radfahren in der Natur und Wassersport,
ja, den habe er auch betrieben …alles möglich hier in der Stadt und schöne Anlagen gäbe es da,
neu errichtet und die Salzquelle zeigte er mir auch, zu DDRzeiten sei sie ein vernachlässigtes
Loch gewesen, ….ja, die alten und die neuen Zeiten , ja, Dresden und Magdeburg … was sind das für Vergleiche??!