Alle Vögel fliegen hoch

Flugzeuge fliegen höher als Tauben. Rote Milane auch. Von Afrika kamen sie im April an die Elbe zurück, im März war noch Friede in den Lüften. Die Milane wohnen vielleicht in der Gegend vom Herrenkrug auf den hohen alten Bäumen am Ufer, deren Wurzeln unterspült wurden vom Hochwasser. Aber die Alten wurzeln tief, mindestens so tief wie sie hoch sind, und so ein Wasser kann sie so schnell nicht umwerfen. Oben in den Ästen hängen noch in braunen Bündeln die trockenen Gräser und das Schilf vom letzten Jahr. Und darin dies und das, Schnüre von Booten, Plastikteile von Toilettengeruchsaufbesserungsbehältern, eine Gabel, die Pfote eines Kuscheltiers.

Rudi und Gudrun, Urs, die schöne Ulla und alle anderen verlassen ihre Gegend kaum und fliegen meist in Paaren. Rudi, Gudrun und Urs fast immer zu dritt, die beiden sind ewig Rivalen. Aber Rudi ist fescher. Sie fliegen und schauen, ruhen und picken und ihr Dorf ist der Hof. Wenn aber die roten Milane auf der Jagd sind und über den Straßen und Höfen und dem Kaufhaus kreisen, dann wird plötzlich alles still in der Luft. Die Tauben halten sich auf Simsen dicht an der Hauswand und wenn sie fliegen, dann hin und her in großen Schwärmen, um die Johanniskirche und fern von ihren Nestern. Erhoffte Gefahrenabwehr durch Zusammentun im Schwarm der eigenen Art – kennt man von Menschen. Drei Milane sah ich, einer übergab dem anderen ein Beutestück hoch in der Luft, von Klauen zu Klauen im Flug die Beute sichern. Bring die mal nach Hause, hieß das vielleicht, denn zwei flogen davon, aber der große Milan blieb am Innenstadthimmel. Und nur die Krähen wehren sich, immer zu dritt fliegen sie von unten an den großen Milan heran, eine zum Schwanz, zwei rechts und links an den Flügeln. Bis er genervt abdreht, zur Elbe zurück.

Dann über den großen Bäumen am Ulrichplatz wieder Singvögel, die nach derselben Methode die Krähen verjagen, die an ihre Nester und die Jungen wollen. Nur die Tauben halten sich raus. Krähen und Tauben sitzen voneinander unbehelligt nebeneinander auf der Balustrade. Die Tauben schläfrig, die Krähen wie auf Wache, ruckartig alle paar Sekunden in alle Richtungen schauend den Luftraum kontrollierend.roter milan

Fundstück: Der Ornithologische Beobachter

Monatsberichte für Vogelkunde und Vogelschutz.
Offizielles Organ der Schweizerischen Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz.
Redaktion für den deutschen Teil: Albert Hess in Bern.
XX. Jahrgang 1922 23.
Der Wachtelkönig schnarrt in strengem 3/4 -Takt; ebenso singt der Stockerpel sein räräb, singen Rabenkrähe, Saatkrähe, Perlhuhn — und der Kuckuck: denn sein guguk mit Pausen ist klar ersichtlich die Art des Wiesenschnarrers. Der Daktylus der Wachtel kommt vor auch im Lied der Turteltaube. Die Melodielinie und der Rhythmus des Hohltaubenrucksens kehrt verblüffend genau wieder im Trillerlied des Grossen Brachers.

Vom bernischen Seeland.
Am 17. Dezember 1922 (Sonntag) sang inmitten einer wunderschönen Biechtlandschaft eine Amsel leise in einer „Thuja“. Nachmittags jagte ein Wanderfalk beim Bahnhof nach Haustauben und verfolgte sie bis ins Städtchen hinein.

 

 

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