ERSTER APRILAPRIL

Der Stadtname Mag-de-burg verführt einen rasch,
darüber nachzudenken, was man selber angeben würde,
gäbe es eine entsprechende Liste:

MAGich – MAGichnicht

Ich werde eine entsprechende Rubrik einrichten, sie am Ende meiner Zeit ausfüllen.

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Genug der Bilder von früher. Ich habe mir genügend alte Fotos angesehen und immer gedacht: Warum nicht, warum nicht einen Teil davon wieder aufbauen. Sollen denn die Zerstörer dieser Welt immer Sieger der Geschichte sein?

Es ist schade, dass man damals keine eigenen Ideen hatte, sich von Moskau vorschreiben ließ. Es haben zu viele Russen an Magdeburgs Stadtbild gebaut. Der damalige geistige Optimismus hieß: Wir erobern das All und alles andere wird gut. Zu oft nehmen gesellschaftliche Veränderungen Einfluss auf den Städtebau. Das Geringste daran noch, wenn nur Namensschilder ausgetauscht werden. Neue Herrscher wollen absurde Ideen umsetzen. Zuerst werden Denkmäler eingerissen, verherrlichte Statuen eingeschmolzen, neue Figuren gegossen, die solange stehen bis ein neue Gruppe an die Macht kommt und ihren Baustil propagiert. Man hat sich nicht nur mit dem Mauerbau in Berlin, sondern auch städtebaulich über die gesamte DDR großflächig vom allgemeinen westlichen Baustil abgesondert. Und der westliche Baustil kann auch nicht gerade als irre bezeichnet werden. Die Neubauten der DDR waren Scheinwelten. Attrappenstädte. Sie sollten vorgaukeln, alles wäre prima in dem Land. Die guten, alten Häuser aber verfielen weiter. Ganze Strassenzüge wurden unansehnlich. Grosse Teile der Bevölkerung lebten weiterhin unter schwierigen Wohnbedingungen. Marod war ein Wort dafür, das man nicht wahrhaben sollte. Und wo Häuser verfallen, fällt auch der Glaube an eine schöne Zukunft.

Wiederaufbau
Wieder aufbauen müsste doch wieder herrichten heissen. Also da, wo etwas war, wird es eins zu eins neu aufgebaut. Dieses Motto der Stalinisten: Wir bauen neuer und schöner, war schon ein böser Hinterhalt, von Beginn an eine feiste, staatliche Lüge. Denn sie konnten ja nichts anderes als diese komischen Neubauten aus Beton und Baukastenteilen errichten. Und die sind ja nicht schön. Und die werden auch niemals so richtig anheimelnd, wohnlich zu nennen sein. Sie waren und sind eine Notlösung, eine Billigvariante, eckig, praktisch, stapelbar. Auch wenn man die Fassaden anpinselt, gläserne Fahrstühle dranpappt. Sie sind kein Kulturerbe.

Freilich, ja. Die Bomben haben große Teile Magdeburg dem Boden gleich gemacht. Das war fatal. Um so mehr wäre es zu begrüssen gewesen, wenn man alles wieder aufgebaut hätte. Für die Überlebenden als Zeichen; Seht her, es wird alles wieder fast so wie es einmal ausgesehen hat und war. Nur eben besser und der modernen Zeit angepasster. Stattdessen hat man die Gunst der Stunde genutzt, das wenige Verbliebene auch noch weggeräumt. Und es heisst nicht zu unrecht: Was der Krieg nicht geschafft hat, haben die DDR-Jahre insgesamt den alten Bauten angetan. Und dabei gibt es Beispiele aus anderen vom Kriege zerstörten Städten. Die wurden auch haargenau wiederaufgebaut. Weil man sich an sie gewöhnt hatte. Weil man das Leben in ihnen schätzte. Weil man seine Stadt wieder erkennen wollte. Weil die Stadt eng mit ihren alten Bauten verbunden war.

Wahrzeichen sind nun einmal keine Falschbauten.

Im Osten herrschte Zerstörungswille von ganz Oben aus gesteuerter Abriss total.

ZK sollte ZerstörungKraft genannt werden.

Zum Beispiel Kirchen. Die haben den Ulbricht-Idiote und seinen Architektur-Barbaren immer zuerst gestört. Gestört = zerstört, was sich nicht erhalten gehört. Die mussten im ganzen Osten überall weg, weg. Auch unter Honecker nichts besser geworden. Und die Kirche hat nichts gegen diese Blinden getan. Nicht zu verstehen, diese Zerstörungswut der Möchtegern-Kommunisten, Knallhart-Knallkopf-Sozialisten. Wie man mit den Bauten verfuhr, heisst es, verfuhr man auch mit den Menschen. Diese neuen Menschen waren Betonköpfe. Und immer haben sie dem ganzen Abriss, der rüden, rücksichtslosen Beseitigung alter Bauten noch sichtbar einen Stempel aufgesetzt. In Berlin den Telespargel. In vielen Städten riesige Denkmäler. In Magdeburg die ellenlangen, leere, ach so übertrieben breite Aufmarschalleen. Und diese Einkaufszentren erst überallhin geklotzt. Puh.

Ich sehe mir alte Fotos von Magdeburg an und werde leicht wütend: Das alte Gute wieder aufbauen, denke ich, alles Schöne wieder herrichten. Denn der Mensch will das Gemütliche, Urige mehr als jedes Bürgeramt vom ihm meint. Ja, doch, sicher. Der Magdeburger würde liebend gern ganze Strassenzüge von früher wieder eröffnet sehen, sich darin ergehen.

Jetzt sofort. Das gute alte Magdeburg, es gehört wieder aufgebaut. Das Alte gehört zum Kulturgut. Ab heute nunmehr nur eine Losung: Wir sind, was nicht mehr seinen Architekten folgt, sondern wagen eine einzige Forderung in den Raum zu stellen: Wir wollen den wirklichen Wiederaufbau, alte Bauten gehören uns zurück gegeben.

Vielleicht sollte man in Magdeburg Ausgrabungen beginnen?

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Es muss sich doch etwas finden lassen, was von der UNESCO gefördert wird. Dabei sollte es vor allem ums Ausgraben gehen, darum, nach etwas zu buddeln. Und alle buddeln mit. Eine echte, einzigartige Gemeinschaftsausgrabung, stadtübergreifend. Und was dann dabei so ans Tageslicht kommt, sollte Touristen anziehen. Das Graben ist das Ziel.

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Als Raumfahrer hätte ich es schlechter. Die erhöhen nämlich durch ihren Aufenthalt körperlichen Risiken. Permanent einer ungebremsten Sonnenstrahlung ausgesetzt, besteht eine deutliche Krebsgefahr. Die hält sie aber nicht ab. Zusätzlich kommt es Beeinflussung der Netzhaut, Veränderungen der Sehleistung. In den Weltraum zu fliegen ist ein märchenhaftes Ziel.

Aufmerksame Leser finden
in dem Wort Weltraum
das Wort Traum.

Ich erlebe den Sturm von meinem Hochsitz aus. Es donnert, kracht, pocht und scheppert um mich herum. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich dämmere kurz ein, wache aber dann recht bald wieder durch prasselnde Tropfen, gegen das Fensterglas ballernde Regenschauer auf und fühle mich wie ein Leuchtturmwärter sich, von allerhand Geräuschen umlagert, fühlen muss.

Magdeburg im Sturm erobert, denke ich und: Nun weht aber hier ein anderer Wind, jetzt wird kräftig der Marsch geblasen. Die zu viel Wind machen, ernten den Sturm der Empörung. Vom Winde verweht, sich gegen den Wind stemmen, das launige Lüftchen, das zum groben Orkan wird.

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Theaterbesuch

Warum lädt man so eine Truppe nicht zum Theatertreffen ein?

Antwort: Weil die Off-Theaterwelt einfach nicht wahrgenommen wird, man Theater in anderen Städten als den angesagten deutschen Metropolen für Provinztheater hält. So viel Spielfreude wie sie die drei Schauspieler im Stück TSCHICK entwickeln, kann man doch nicht einfach so übersehen, beiseite schieben und als nichtrelevant links liegen lassen, als gäbe es das Stück Spielfreude nicht, nur weil es in Magdeburg stattfindet.

Das junge Publikum ist begeistert. Es klatscht, geht mit, mischt sich ein, spielt teilweise mit. Alles wie man es sich nur wünschen kann. Der Spielwitz überträgt sich auf das Publikum. Verkleidung, Maskenspiel, Lieder, wenn es sich nicht mehr lohnt, etwas bühnenreif zu sagen. Die Mischung ist bunt und stimmt. Es kommt zu spontanen Reaktionen, die reichen von Mitgefühl bis hin zum Auslachen. Die Vorstellung war zurecht ausverkauft. So einige Spielszenen, da bin ich mir ganz sicher, werden von den Zuschauern privat nachgespielt. Die mexikanische Nummer zum Beispiel. Was man alles mit einer Gitarre anstellen kann, hier wird es voll ausgereizt. Und es gibt Momente der absoluten Ruhe, die voll ausgespielt werden. Kurzum: Die neunzig Minuten wie weggeblasen, die Herzen der Zuschauer im Sturm genommen. Von solchen Abenden bleibt einiges zurück, das Frische ins Leben bringt.

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ERSTER APRIL, HE … übrigens darf ich nicht vergessen, jemanden in den April zu schicken. Eben hat es nämlich geklingelt und eine türkische Stimme meinte, etwas abgeben zu wollen für mich, ob ich englisch verstünde – das alles geht gut über eine Wechselsprech-Verscheißerungs-Anlage zu machen. Ist ECHT kinderleicht jemanden anonym in den April zu schicken. Also NIX wie losgelegt: Aprilapril.

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