Von Posen nach Warschau 1806

2. Teil der Erinnerungen Der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

1806

Wir machten nun schleunigst Anstalten, alles in Posen zu verkaufen, um uns auf den Weg machen zu können. Es war uns geraten worden, dies zu tun, weil wir uns in Warschau weit bessere Möbel werden anschaffen können. Nur meine Forte Piano, mein treuer Begleiter, und in einsamen Stunden mein liebster Zeitvertreib, wurde mitgenommen. Mein Mann kaufte einen recht bequemen Wagen und so traten wir in den ersten Tagen im April des verhängnisvollen Jahres 1806 unsere Reise an.

Die ganze Natur war noch tot, die Gegend zwischen Posen und Warschau hatte nichts Anziehendes, und ich hatte auch wahrlich auf dieser Reise nur Sinn für mein liebes Kindchen, denn ich war sehr besorgt, dass eine solche Reise in so rauer Jahreszeit bei dem zarten Alter der Kleinen nachteilig werden könnte. Ich war so glücklich, mein liebes Kindchen selbst nähren zu können, und die Reise griff mich so wenig an, dass meine liebe Luise recht gut dabei gedieh.

Beschwerlich war indessen doch die Reise, denn zu damaliger Zeit waren die Wirtshäuser in Polen noch sehr schlecht und der Reisende, welcher keine Betten bei sich hatte, musste sich ohne dieselben behelfen. Wir waren damit versehen und so ging es schon, doch eine Nacht ist mir noch in lebhafter Erinnerung. Ich weiss nicht mehr, wie der Ort hiess, da mussten wir unser Nachtlager in einem grossen Stall aufschlagen, welcher keinen Ofen, sondern nur einen Kamin hatte. Wir liessen sogleich ein helles Feuer anzünden, dennoch war eine Eiseskälte in dem grossen Raum und so geschah es denn, dass meine liebe Luise, welche mit ihrem Bettchen in einem Backtrog war gebettet worden, aller Vorsicht ungeachtet, in der Nacht den einen Zeigefinger erfror.

In Warschau angelangt, fand ich unsere Wohnung – wir hatten dort freie Wohnung – so unwirtlich und ausgekältet, dass wir beschlossen, die ersten Tage in einem Wirtshaus zuzubringen. Die allernotwendigsten Möbel, nämlich einen Tisch und Bettstellen hatte ein Bekannter meines Mannes uns schon vorher besorgt. Die übrigen Möbel wollten wir uns nun in einem Möbelmagazin, deren es recht bedeutende in Warschau gab, anschaffen, aber wir fanden sie so übermäßig teuer, dass wir den Gedanken aufgaben. So sollten wir z. B. für einen Mahagoni Sekretär 90 Dukaten bezahlen. Wir behalfen uns daher für den Anfang mit einigen gemieteten Möbeln und ließen uns in der Folge einige Sachen zu Wasser aus Berlin kommen. Nach wenigen Tagen waren wir in unserer eigenen Wohnung eingerichtet. Mein lieber Mann hatte in Warschau sehr viel zu tun und ich lebte meist still und häuslich mit meinem lieben Kindchen, welches wirklich meine Welt war. Eine sehr liebe Freundin erwarb ich mir an der Mitbewohnerin unseres Hauses, der Frau Geheimrat Kosioroftka, welche unendlich gütig zu mir war und deren Andenken mir immer teuer bleiben wird. Da wir glaubten, eine Reihe von Jahren in Warschau zu bleiben, so beeilte ich mich nicht sehr, Warschau und die Umgegend kennen zu lernen. Dennoch habe ich einige Lustschlösser gesehen und mich daran erfreut. Lagienki, das Lustschloß des letzten polnischen Königs, war ein entzückender Aufenthalt, es liegt noch in den Umgegenden von Warschau und ist in einer öden Gegend aufgebaut, welche die Kunst in einen köstlichen englischen Garten umgeschaffen hat. Außerdem waren wir noch in Mariemont, einem Jagdschloß in einer wilden hügeligen, mit wilden Bäumen bewachsenen Gegend, unweit Warschau. In der Stadt selbst waren noch einige ehemalig fürstliche Gärten, welche recht schön, aber jetzt verödet waren, da ihre Besitzer, seit Warschau preußisch geworden war, dieselben verlassen hatten. Warschau selbst war damals zum Teil sehr schön gebaut, aber neben den schönsten Gebäuden fanden sich oft schlechte Hütten.

Der Sommer verging uns sehr schnell. Im Herbste erfolgte die Kriegserklärung Preussens gegen Frankreich und der Anmarsch aller Truppen. Ein jeder wünschte und erflehte Preussen den Sieg, dennoch hatte mancher bange Ahnungen. Endlich verbreitete sich die Nachricht, es wäre eine grosse Schlacht bei ……… geliefert worden, wo der König allerdings große Verluste gehabt und Prinz Louis Ferdinand geblieben wäre, dennoch hätte Preussen den Sieg davongetragen. Diese Nachricht verbreitete großen Jubel und Freude.

(Fortsetzung folgt)

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