Rein die Leere 5

Da ist sie wieder, die Leere, diesmal nicht in Magdeburg, sondern in der Süddeutschen Zeitung, in einem Kommentar von Heribert Prantl unter der Überschrift „Lehre und Leere“.
Worum geht es? Vordergründig um den Tag des Internationalen Denkmals am 18. April. Da kann man sich ja schon mal Gedanken machen, wie man eines Tages der Corona- Krise gedenken werde. Wie ja derzeit überhaupt Geschichte beinahe in Echt-Zeit geschrieben wird, das große Narrativ zu Covid 19 mit minimalster Zeitverzögerung gleich mitgeliefert wird.
Prantl holt weit aus. Sehr weit. Er rückt die Corona-Krise in die Nähe von Menschheitserfahrungen des Exils, von Flucht und Vertreibung. So beginnt sein Kommentar im Jüdischen Museum in Berlin, und er endet mit einer Diskreditierung von Leere: „Das ist kein guter Zustand.“ Er zitiert Hölderlin mit dem Vers „In diesem Lande leben wir, wie Fremdlinge im eigenen Haus.“ Die Menschen werden als haltlos beschrieben, ängstlich, es fällt der Begriff der „Entheimatung“. Nur welche Menschen?
Es können nicht die sein, die tatsächlich im Exil sind, nicht im eigenen Land, die „Entheimatung“ nicht nur fühlen, sondern de facto keine mehr haben. Denn derer kann erst wieder gedacht werden, wenn die Menschen, die jetzt „Fremdlinge im eigenen Haus sind“, also in einem der reichsten Länder der Welt zum Beispiel, ihre Angst um das eigene Wohlergehen und das ihrer Familie verloren haben. Dann werde auch wieder „Sensibilität und Verständnis für Geflüchtete wachsen, für die Menschen also, die ihre Heimat verlassen haben und sich in Deutschland fühlen wie im Garten des Exils, im Irrgarten der Paragrafen – auf der Suche nach Tritt und Halt und Heimat.“
Was soll man dazu sagen? Wo es mir die Sprache verschlägt, lasse ich Prantl ein Denkmal bauen. Oder noch besser ein „Fühlmal“, wie er selber es vorschlägt. Denn wenn wir schon nicht heimatlos sind, dann sollen wir uns wenigsten so fühlen.
Das Problem ist nur – für Prantl, nicht für mich -, dass derzeit alles dicht ist, Mussen,“Denkmäler und Monumente…vorübergehend geschlossen.“ Und das ist, ich zitierte es schon, „kein guter Zustand. Das ist keine Lehre, sondern eine Leere.“
Dass die Leere aber selber eine Lehre sein könne, darauf kommt Prantl nicht. Dass man sie einfach mal stehen und wirken und selber zur Sprache kommen lassen könnte. Vielleicht würde sie uns ja etwas anderes zuflüstern als Hölderlin. Oder vielleicht würde sie auch gar nichts sagen, in würdevollem Schweigen ihren Raum verteidigen gegen all das Geraune und Herumdeuten, das in jedem Stillstand, Innehalten und Verschwinden sofort das Unerträgliche heraufbeschwört. Das wäre ein guter Zustand.

Comments are closed.