Nach-Denker 4

JA NUN, MAGDEBURG IST AUFGESTIEGEN.

Alle Reisen gereist. Alle Lesungen getätigt. In Eupen, Aachen und Bonn den Monat Mai beendet. Nun ist es an mir, mich an die Ruhe zu gewöhnen. Nichtstun ist eine schwierige Aufgabe.

2008-11-20_Magdeburg 1981

Ich ordne Sachen, räume im Schreibzimmer auf, wasche Wäsche, koche Tee, bereite Kaffee zu, lasse ihn kalt werden, sehe fern, höre Musik, schreibe ein wenig, lese in einem fremden Manuskript, schreibe Postkarten, surfe ein bisschen im Internet, lese das Buch weiter, das ich im Zug begonnen habe, wen es interessiert: On The Road von Jack Kerouac, noch einmal nach über dreißig, fast vierzig Jahren, ein Buch, das so lange darauf warten musste, von mir ein zweites Mal Gelsen zu werden, und dann werde heute noch durch die Stadt spazieren, links und rechts sehen, mir Menschen angucken, kurze Gedanken zu ihnen haben, einige Beobachtungen machen, die dann aufschreiben, und abends bin ich dann in einem Klub beim Jazz.

Übrigens habe ich gerade 3Sat an, höre fünfunddreißig Minuten lang Strawinski, mein Lieblingsmusikstück SACRE DU PRINTEMPS, dirigiert von Kent Nagano, in der Schweiz auf dem Verbier Festival 2013. Ich war einundzwanzig oder zweiundzwanzig Jahre jung und saß bei einem Freund im Keller. Auf dem kleinen Fernseher lief das Ballett mit Pina Bausch. Ich hatte die Musik nie vorher gehört und auch kein solches Ballet je erlebt. Ich war berauscht und behielt den Zustand unter dem Wort: be-pinabauscht. Bepinatbauscht zu sein ist ein gewaltiger emotionaler Zustand, der mich ergreift und körperlich jubeln lässt. Vor drei Tagen, als ich von Magdeburg nach Aachen über Köln fuhr, kam ich kurz auch durch Wuppertal, was ich an der Hochbahn, die überm Fluss errichtet worden ist, sofort erkannte. Ich war damals mit Erich Maas und Harry Hass auf einer Lesetour in dieser Gegend. Meine Freundin Katja spielte dort später am Theater. Und einmal ist bei Reparaturarbeiten eine Klemme nicht wieder abgenommen worden und es ist ein böses Bahnunglück passiert. Mir war plötzlich bewusst, dass nun bald die Mauer so lange weg ist wie sie Bestand hatte. Achtundzwanzig Jahre. Und ich zwang mich, nicht weiter darüber nachzudenken.

In Aachen lernte ich einen Mann kennen, der viele Jahre schon an seinem Manuskript arbeitet und kein en Verlag findet. Ich bat ihn, mir sein Manuskript zuzuschicken. Ich würde ihm so gern behilflich werden. Es wird Zeit, dass wieder mehr Kleinverlage entstehen, sagte ich zum Abschied zu ihm. Ich habe kurz an Wortreich in Wien gedacht, wo ja im Herbst mein Dylan-Text erscheint. Nun werde ich mich erst einmal in die dreihundert Seiten hineinlesen.

Ach, die beiden Querflöte spielenden Frauen tragen so schönes, lockiges Haar, die eine offen, die andere zu einem losen Dutt am Hinterkopf gebunden.

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