KNAST-KUNST-KROPINSKI

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Das Außengelände ist ganz schön. Aber der Eintrittspreis nimmt jeden Normalbesucher schnell die Lust. Acht Euro, Kinder, ermäßigt nicht viel weniger. Wer soll das zahlen, nur um drinnen zu sein. Und drinnen gibt es weiter auch nichts umsonst. Das hat so gar mir im Geldbeutel wehgetan. Und wenn ich noch einmal hin müsste, würde ich eher versuchen, mich da rein zu schummeln. Also weg mit diesem unnötigen Einritt. Es ist ein wenig exotisch zu beschreiben, was da so aufgebaut und an die Fassaden gebracht worden ist. Man läuft auf Platten über ausgestreute Sandflächen, kann sich ein bisschen Beach & so fühlen. Man kann eine Salat-Drink nehmen. Man kann sich von lauter Techno-Musik nerven oder begeistern lassen. Man kann den geilen Gitarristen Uwe Kropinski und den Magdeburger Superpoeten Ludwig Schumann lauschen wie ich an jenem Abend. Man kann, kann und kann.

Aber dann sind da noch die Zellen. Und um die soll es gehen. Also. Einmal sah ich, was ich mir erwarten durfte. Eine Zelle, die als Zelle so belassen worden ist, wie sie nun mal alle hier waren. Nur eben jetzt als ein Zellen-Kunstwerk und Gefängnisraum. Nicht zufällig war es die Zelle 19. Kenner wissen, der Wawerzinek mag die Zahl Neunzehn über alles. Ansonsten viel Kunst zum Stöhnen. Also in die Zelle gebrachte Kunst, Bilder, Plastiken, seltsame Gebilde. Als wären die Zellen plötzlich nix schreckliches mehr, und keine Zellen mehr, nur noch der doofe Raum für noch doofere Kunstwerke, die man auch bittesehr überall anders ausstellen kann, nur warum denn auch hier. Meine Meinung.

Enten in Reihe auf dem Boden gestellt, die wie Pflastersteine aussehen. Kunstwerke aus Halle, die in Halle kaum jemanden interessieren. Olle russische Kunst, die in Russland keinen hinterm Samowar hervor locken, hier aber sonst etwas darstellen soll. Russische Kunst ist längst immer nur das, was man sich so vorstellen soll. Das ist wie die Thaiküche in Deutschland auch nur für die Deutschen erdacht worden ist. Die stellen sich hier als Russen dar, wie man sie in Europa sehen soll. Alles fade und abgestanden wie lang stehende Brause. Weiber in Strapsen. Einen Fernseher und in flinker Reihenfolge sind da die Gesichter von Inhaftierten Russen zu sehen. So in etwa halt.

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So richtig umgehauen und nachhaltig begeistert hat mich da nichts wirklich. In einem Raum sind nur drei Bildschirme. Man hört Türen klacken. Man sieht einen Typen, der von Bildschirm zu Bildschirm geht. Er kommt aus der Tür heraus. Er verschwindet hinter der nächsten. Man schaut nichtsahnend in die Zelle und dann stehen da vier Elefantenfüße wie Papierkörbe. In eine Zelle fiel Sonnenlicht und die Gitter waren schön an der Wand zu sehen. Aber das hat niemand so beabsichtigt. Also vergiss es. Und in einer Zelle hingen lauter bunte kleine Bilder von Menschen aus unserer Zeit. Das alles sah insgesamt wie eine große Deckenleuchte ohne Glühbirnen aus, wie man sie von Festsälen her und in Theatern kennt. Und in einer Zelle waren liebevoll bestickte Kopfkissen an die Wand gepappt. Das hätte ich vielleicht auch getan. Mir dabei endlich alle DVDs angesehen, die ich immer noch sehen wollte und Kissen bestickt. Ist sauberes Tun, denke ich.

Ich traf auf herrlich frech gezeichnet Grafiken von, wie ich als Rabenvater des Buches „Rabenliebe“ glaube, Krähen, Dohlen, Raben. Und eine Zelle war dunkel angestrichen worden und mit Büchern bestückt, aus denen irgendwie Dinge aus Buntpapier geformt wie Blumengebilde wuchsen. Eine Zelle fand ich gut. Da sind mehrere Fotos von illegalen Sprayern zu sehen. Und die werden ja heute noch wirklich für ihre Kunst eingeknastet. Aktueller kann man gar nicht sein.
Und doch gab es einen Raum, den fand ich als Zelle anregend. Alle Wände, selbst der Fußboden sind mit schwarzweißen Bildern tapeziert. Meist erotische Darstellung, leicht verfremdet. Passend für einen ganz und gar unerotischen Knast und dem Thema der Ausstellung: Sinnlichkeit. Und auf dem Boden Badezimmerspiegel ausgelegt.

Ja. Ich habe hier sofort und mit großer Freude mich in ihnen fotografiert, mein Zellen-Selfi geschossen. Nur für mich und diesen Artikel (siehe Foto ganz oben).

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