HERRENTAG OHNE HERRENKRUG

Was man so alles bei einer Stadtführung erfährt. Otto Guerickes Grab, seine letzte Ruhestätte, ist nicht bekannt. Niemand weiß genau zu sagen, wo er nun begraben liegt. Die Variante, er könnte in einem wiedergefundenen Sarg nach einer Auslagerung von den Toten seines eigentlichen Friedhofes unter den Ausgelagerten gewesen sein, ist vage Vermutung, und auch nur kurz angedeutet.

spruch

Wir treffen uns am Denkmal für ihn. Wasser plätschert aus Löwenköpfen. Er hält ein Buch, stützt sich eher auf das gigantische Werk mit dem linken Ellenbogen auf. Buch und Kugel für den Test, der ihn berühmt gemacht hat, liegen eng beisammen. Er hat ja auch die Luftpumpe erfunden, der gute Mann, erfahre ich.

Es gibt Sekt zur Begrüssung. Wir feiern heute schließlich Herrentag, nicht am Herrenkrug. „Kreislaufmittel“ nennt es der Erklärer mit dem Zylinder auf dem Kopf. Fliederbüschel am Revers. Nadja Gröschner ist mit einem hellen Hut versehen, vorne hochgeklappt. Sie trägt schwarz zu rot und einen Steifrock, der kurz über den Boden mit ihr davonschwebt. Mit der Verkleidung und dem Drumherum kommt wohl allen zugute und ihrem kindlich gebliebenem Spieltrieb. Lust und Laune, Wissen und Witz schimmern bei den Machern immer wieder durch. Gut so. Nadjas Eltern sind heute mit von der Partie. Normalerweise tritt sie mit blonder Perücke auf, sagt Nadja zu ihrem Outfit, die ist ihr abhanden genommen worden. Der Sohn, vermutet sie, hat sie für eine Verkleidung ausgeborgt. Okay so. Die Jugend wollen Fun haben.

Sie hat einen Kofferlautsprecher geschultert. Über das Mikrophonkabel ist sie mit dem Zylindermann an ihrer Seite verbunden. Beide können sie nicht weit auseinander driften, will er etwas erzählen, muss sie nahe bei ihm dran bleiben.

Die Leute greifen gut zu. So viel Orangensaft bleibt sonst nicht übrig. Und los geht es mit Bollerwagen ganz traditionell plus Fahrradhupe am Lenker. Rüber zum Rathaus. Dem Roland, erst seit zehn Jahren dort an seinem Platz. Nachbau. Eine gewisse Bettina zeichnet dafür mit ihrem Namen. Siegerin eines Wettbewerbs war sie wohl. Wo genau der alte Roland gestanden hat, zeigt uns der Redner, in dem er plötzlich auf den Marktplatz läuft, einen Sprit hin und auch zurück hinlegt. Hinterm Roland versteckt sich klugerweise der Till Eulenspiegel. Er hat Magdeburg des öfteren besucht und an der Nase herumgeführt. Hat ihnen die Schuhe entlockt, jeweils einen von einer Person, und alle Einzelstücke dann  in den großen Sack gesteckt und behauptet, er könne jeden Schuh blind seinem Besitzer zuordnen. Dann schüttete er den Sack aus und, die suchen heute noch in dem Riesenberg.

Und dann werden uns Editha und Adelheit vorgestellt, beide vergoldet dem goldenen Reiter zur Seite gestellt. Die Rathaustür weist Geschichtliches auf. Unter anderem den ersten Flugpilot damaliger Zeiten. Und jener Hirsch an der Seite vom Rathaus ist das Symbol fürs Paradies. Ob er deswegen hier am Rathaus steht, ist nur zu vermuten. Er trägt Kettchen um den Hals wie die großen Zuhälter im Rotlichmileu.

Ein Stück weiter das Denkmal der fünf Sinne. Da muss einer nicht bei Sinnen gewesen sein, als er die Säule umfuhr. Die Figuren blieben erhalten. Gut nur, dass sie aus unfallsicherem Material gegossen sind. Von Luther heisst es, dass er in Magdeburg zur Schule ging, sich als Straßensänger betätigt hat, ehe ihn die Ehe adelte. Er stiftete sie auch zur Flucht aus dem Kloster an. Sie folgte seinem Rat und ging dann ihren Begabungen nach. An dieser Stelle gibt es in dem Vortrag den ersten Versprecher. Kirche = Küche. Warum nicht.

Und schnell an dem Allee Centre vorbei gehuscht und etwas über Richard Assmann erfahren, der das Wetter zwar nicht erfunden, aber Berichte und Prognosen einführte. Er flog auch Ballon und das vierzigtausend Meter hoch, wo der dann die Stratosphäre entdeckte. Was Magdeburg von den ersten Wetterberichten hielt wird in einem Brief verlesen. Es gibt Beifall. Hin zu dem erst vor eineigen Tagen eingeweihten Denkmal Basedow. Der wollte nach Magdeburg umsiedeln, reiste an, sich eine Wohnung zu suchen und erlitt fünf Tage später einen Blutsturz. Das passierte Telemann nicht, der heiratete eine sehr junge Frau, die ihn und viele Kinder, sowie auch die ständig im Haus lebenden Musikschüler umsorgte, dann aber die Nase voll hatte und sämtliches Geld am Glücksspieltisch verzockte. Kann man irgendwie verstehen, dass sie sich für ein Glücksventil entschied.

Man hat während der Führung ständig Skulpturen im Rücken. Magdeburg besitzt einige mehr als andere Orte davon. Sie sprießen hier wohl besser. Auch wäre das Lied der Deutschen, die Nationalhymne, ohne Magdeburg und die Liebe zu einer Frau gar nicht entstanden. Ich begegne nach langen Jahren Fritz Cremer wieder. Der Aufsteigende war Schulbuchbild. Und dann ist da die Mechthild, die auf einem runden Sockel steht und mit der Zeit, allein durch die Sonneneinwirkung eine rosa Färbung angenommen hat. Muss man sich merken und vielleicht bei der Luxemburg auch so handhaben. Wird alle paar Jahre gereinigt die Gute, dann verliert sich die rosa Färbung wieder, heisst es. Passt aber gut zu den Geländern an der Brücke über die nahe Straße hin. Oder war erst die Mechthild in rosa da und danach erst das Geländer?

Abschluss bildet ein Picknick mit Kartoffelsalat, Bier, Würstchen und zwei Akkordeonspieler, die wie Hein und Dödel aus Friesland aussehen, das Lied: Wir kommen alle in den Himmel schmettern. Hinten am Baum, eine Eiche, soll bei Ausgrabungen ein Klo und in ihm eine original leere Flasche mit Napoleons persönlichem Etikett und Signum gefunden worden sein. Schön der Gedanke, dass er sich hier betrunken und dabei ausgedrückt hat. Im Rücken des Magdeburger Schlosses. Zusammenfassend sage ich: Sollte jeder Magdeburger mehrmals tun, sich verführen und rumführen lassen. Schöne zwei Stunden, die einem wie vier vorkommen.

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