Die Sonne und ich

Allerspätestens ab Juni geht die Sonne vor mir auf. Heute sogar eine knappe halbe Stunde. Will sagen, die Sonne ist um 4:53 aufgegangen, ich erst um 5:21. Dafür ist die Sonne aber gestern Abend auch schon eine Stunde früher untergegangen als ich, nämlich um 21: 33. Wir brauchen also beide ungefähr gleich viel Schlaf, die Sonne und ich.
Dafür scheine ich schneller als die Sonne. Viel schneller. Während die Sonne erst so langsam aufzieht, sitze ich schon gleich um 5:38 am Schreibtisch und schreibe an meinem Blog. Dafür bin ich dann auch mittags, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat, so um 13:21 schon längst verglüht. Beziehungsweise leiste ich mir dann meistens eine kleine Sonnenfinsternis, auch Mittagsschlaf genannt.
Jetzt, um 5:41, schauen wir uns gegenseitig beim Aufgehen zu. Die Sonne scheint zwar noch nicht, aber sie lässt immerhin ihr Licht auf meine Computertasten fallen. Während ich meinen Blick auf sie fallen lassen, wie sie so langsam hinterm Hotel Ratswaage aufzieht. Mir fällt ein Lied von Udo Jürgens ein, „Die Sonne und du.“ Klar, dass ich sowas als Sonnenanbeter in meiner I-Tunes-Mediathek habe. Für Udo Jürgens ist der Sommer schon vorbei („Das war ein Super-Sommer, in jedem Augenblick.“), während meiner noch gar nicht begonnen hat. Doch in einem Punkt muss ich ihm recht geben: „Und wenn mich heute einer fragt, wie definierst du Glück, dann brauch ich gar nicht lang zu überlegen: Die Sonne, die Sonne und du, uhuhuhu, gehören dazu, huhuhu.“ Du ist gerade ziemlich weit weg. Aber für mich tun es auch die Sonne und ich. Sie aufgehen zu sehen am Morgen, ist wirklich, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Geschenk des Himmels. Und einer der vielen, vielen Gründe, warum es sich zu leben lohnt.
Es ist jetzt 05:48. Zeit für einen Kaffee. Ich würde der Sonne ja auch gerne einen einschenken, damit sie etwas in die Gänge kommt, aber aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß ich, dass sie keinen Kaffee zu sich nimmt. Keinen Kaffee und auch sonst nichts. Aber das ist ihre Sache. Ich brauche jetzt mein Quantum Koffein. Damit ich weiter scheine. Und über dem, was ich nach dem Frühstück schreibe, erst so richtig aufgehe.

P.S. 6:03. Die Sonne hat sich verzogen. Ob ihr nicht gefallen hat, was ich geschrieben habe?

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