DER nackte BÜRGER

nackteburger

Ich fahre nach Duisburg und von da aus weiter aufs Land, Empel Rees. Gibt es das überhaupt, fragt die Frau vom Bahnservice? Und findet es dann doch. Und druckt mir die Verbindungen aus. Ich habe noch etwas Zeit, den Nackteburger zu beäugen, beim Gang zum Bus-Depot entdeckt, als der Doktor hier in Magdeburg zu Besuch anlangte. So verschämt wie man ihn zwischen den Bahnhof und Bushaltestelle aufgestellt hat, kann es nur an seinem Pullermann liegen. Der ragt aus ihm heraus wie ein Wasserhahn und spiegelt sich an der unteren Bauchhälfte. Ein doppeltes Sehvergnügen also.

Die Figur ist irgendwie auch als Eisklotz zu sehen, wenn man ein Auge zukneift. Ein abgekalbter Eisblock. Jedenfalls wirkt er arg im Stück ausgebrochen zu sein. Im Februar 2008 aufgestellt, könnte Frost geherrscht haben.

Man hat die nackte Figur hinter ein echtes Geländer weggesperrt und auf einen Sockel gestellt. Sie hält ihren rechten Arm angewinkelt erhoben und scheint zu winken. Wie man halt so winkt, wenn an einem ständig Menschen vorbeilaufen, die kurz auf das Ding da unter seinem Bauch gucken und weiter hasten. Der Magdeburger steht auf dem Schild, „der“ kleingeschrieben. Klein ist auch sein männliches Teil. Man könnte meinen, es handelt sich um einen Knirps. Der feiste Knickbauch über dem Geschlecht deutet darauf hin. Der Junge scheint es eilig gehabt zu haben und eine ganze Packung Knäckebrot eingeschoben zu haben, die da unverdaut in ihm klemmt. Er könnte also auch nach einem Krankenwagen winken, sich in die Ambulanz fahren zu lassen? Die eckige Einkaufstasche in seiner Linken könnte die Nachtwäsche beinhalten. Plötzliches Magenweh würde auch erklären, warum der Junge hier nackt aufgelaufen ist. Es geht um Leben oder Tod, da ist es kurz gesagt egal, wie er auftritt. Coffee to go steht auf dem Papierkorb neben ihm. Er könnte auch mit dem Zug nach Togo wollen, wo sie alle nackig wie Magdeburger herumrennen und eine schöne glänzende dunkle Haut haben. Oder die Figur soll an früher erinnern, als hier noch Westbesucher ankamen, so mit richtigen Westklamotten und Kaffee und Seife und son Kram. Und dieser nackte Kerl ist mehr symbolisch nackt. Er hat den Ossi zu verdeutlichen, der nackt zum Empfang bereit steht, mit offenen, leerer Tüte statt offenen Händen, die er nicht wie eine Schultüte nur oben, sondern bis zu ihrem Boden gefüllt sehen will. Der Ossi, der so gar nichts anzuziehen hätte, würden Westonkel und die Tante aus Oberammergau nicht regelmäßig anreisen.

Der Kopf ist allgemeingültig und nahezu gesichtslos ausgeformt. Es muss sich um ein Gleichnis handeln.

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