das Meer ist ein seeungeheuer

Ich see wie sich
die Greuel meeren

Magdeburg_Elbe

LAMPEDUSA

Besuch beim Seeungeheuer in der entlegenen Bucht, in der es nicht wohnt, sondern nur arbeitet. Führt mich immer zum Marktplatz und von dort aus leicht den bergab in grössere Tiefen. Gruseliger Ort mit rostigen Gestellen, Schiffswracks, einigem Inventar, wild durcheinander geschüttelt, alles irgendwie zusammen gebracht und zum tritterlichen Burgambiente vereint. Eine Ausstellung der unterseeischen Kühle. Eine Wendeltreppe sozusagen historischer Schiffsunglücke. Boote, die abgegluckert sind, wie es sagt.

Abgeschossen, torpediert, explodiert, absichtlich versenkt, auseinander gebrochen, vom Kapitän im geheimen Auftrag der Reederei absichtlich aufgegeben. Im grossen Kuppelbereich, einer Art Trockenzelle unterhalb, finden sich letzte Zeugnisse, altes Holz, immer wieder Galionsfiguren, Bilder mit Bemalungen und Schnitzereien auf Elfenbein, von einiger Fertigkeit zeugend, peinlich mit dem Herstellungstag versehen; vieles hier von einem ganz gewissen Wert und Alter.

Hier hat das Seeungeheuer ihren Stammplatz und einen Mann, von dem keiner weiß, welche Rolle er so spielt. Allerlei Gerüchte gibt es, wissen aber tut niemand so recht. Nur sagen kann man sich, wenn sie schon ein barbarisches Ungeheuer ist und so Einiges auf dem Plankenkerbholz hat, dann wird ihm, vor dem sie alle zucken und lieber sich verleugnen, aber einiges Gröberes anzudichten sein. Siebzehnhundert denkt man augenblicklich, das könnte die schicke Kajüte, in der sie wohnt schon vom Baustil her sein.
Drei Arbeitstische, genauso alt und reich verziert, stehen ihr zur Verfügung, alles hypermoderne Technik, was ich so im Raum ausmachen kann. Zentral hinten mit Blick zur Tür sitzt sie. Wir können Seekuhmilchkuchen essen, sagt sie. Ìch mag es nicht so sehr, aber ich verkneife mir wieder, ihn abzulehnen, beiß mich durch, muss aber stets ein Gefühl von Erbrechen niederhalten. Der ist noch vom James Joyce-Festival übrig, sagt mein Seeungeheuer. Schokoladenstücke, wie ich sie mag. Dazu Seetang, Mittelmeeresbodenkräuter aus der Nähe von Lampedusa. Dort ist zurzeit viel los und dort betätigen sie sich beide. Mein Seeungeheuer spricht nicht gern darüber, aber es fällt fiel an und ab. Und schließlich muss sie an ihre Zukunft denken, es gibt immer wieder einmal regelrechte Flautezeiten, von den Krisen und dem Beschaffungswahn der Chinesen soll gar nicht erst geredet werden. Es ist unser verwildetster Garten, sagt mein Ungeheuer kurz und winkt dann ab, wird nichts mehr weiter zu Lampedusa sagen. Die Presse ist für uns Erklinge da, hier, unterm Wasser, geht es emotionslos zu, ohne Kampagnen und auch ohne Leute, die oberhalb der Meeresgrenze die Medien erfreuen Euer Held, dieser neue, der sich einen lächerlichen Äppelkahn gekauft hat und nun lostuckern will, Menschenleben retten, in Lampedusa! Ich stoppe den nicht, soll er doch Retter spielen. Ich sagte dem nur ins Gesicht, die Kähne, die in Lampedusa untergehen, sehen mitunter deutlich seetüchtiger als sein Plan aus. Ich schaue kein ErdenlebenTVprogramm mehr. Ab und zu aber doch noch, giftet mein Ungeheuer, verfärbt sich, Tendenz: erregt bis wutrötlich, dunkelpink. Der da bei euch so gehypt wird, hat überhaupt nicht den blassesten Schimmer, wie es zugeht auf unserer Aussenstelle dort.
Und mein Ungeheuer muss noch etwas erledigen, dann aber können wir mit der Unterwasserbahn schnell heraus sein aus der versunkenen Stadt, weg nur weg, das Todesreich verlassen und ab ins Gallegrüne, wo es unterseeisch ländlich zugeht, ehe wir es uns versehen haben. Und lange muss ich nicht warten. Ungeheuer sind ungeheuer flink. Und schon geht es mit ihm hinaus aus der Gruft ins Ländliche hinein, von dem das Ungeheuer sehr schwärmt.

Wir steigen aus. Ich sehe Schwärme widerlich aussehender Fische, alles Räuber, alles schreckliche Charaktere, die mich anstarren und mit ihren Augen fressen. Wäre mein befreundetes Ungeheuer hier nicht Chef, ratzbatz wäre ich wie eine Sprotte weggeputzt ohne langes Feuerquallenfackeln.

Bevor wir ihr kleines Paradies betreten, muss ich mit ihm noch eine Runde drehen, den alten Dorfkern ansehen, den Park, in dem gerade eine mörderische Haifisch-Combo übt. Das kleine Schlösschen, die niedrigen Häuser, schwärmt mein Ungeheuer, ein Lieblings-Fachwerk, sagt es.

Aber bitte, stellt euch nur das Schlimmste dabei vor, ein unterseeischer Termitentempel mit lauter Löchern und in jedem Loch lauert der Tod. Ungeheuer sind nicht normal. Ich kann und will da nicht in Details gehen. Die sich vor Reagenzgläsern mit toten Material wie Embryos erwärmen, hier fänden sie weit grössere Verkrüppelungen zu Tausenden tausend Mal schrecklicher vor als in ihren kühnsten Phantasien je ausgemalt.

Ich sage es ganz so wie es ist, diese mordenden, verfressenen, kriegerischen Ungeheuer müssten allesamt vom Meeresboden verschwinden. Wenn ich mit meinem Ungeheuer nicht so eng verbunden wäre (Lebertran ist dicker als Blut), nicht seine guten Seiten kennte, die aber noch verbrecherisch genug sind, ich würde mein Seeungeheuer eigenhändig erwürgen, ein für allemal erledigen, um Menschenleben zu retten.

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Und dann sind wir bei ihm Zuhause, wo es wohnt und nicht arbeitet, nicht Sterben und Tod fürs spätere Alter verdienen muss. Etwa reden. Danach essen gehen. Reichhaltiges Menü, für jedes Luxusrestaurant unerschwinglich. Der Meeresboden wirft Herrlichkeiten ab. Hier kennt man keine Not. Hier gibt es nur Zuwachs, Ausstoss, Delikatessen, wenn man es. wie ich, mit den Augen des Seeungeheuers zu betrachten gewohnt ist. Ich habe mich daran gewöhnt eine Serviette aus feinstem Fischschuppenstoff für oberseeische sechzig Euro einfach so zu knüllen und nach dem Mahl abzulegen. Manches ist mit menschlichem Mass gemessen schon schmackhaft. Mir schmeckt nicht, dass mein Ungeheuer so ein Ungeheuer ist und sich bereichert, wo es nur kann, es keine Instanz zu geben scheint, die ihm Grenzen setzt und Einhalt auferlegt, dem Treiben ein Ende setzt. Das Meer ist was Paragrafen, Gesetze, Verfassung, Bürgermanier, Menschenrecht und Anstand anbelangt, hinterweltlerisch, barbarisch zu nennen. Und das ist alles noch süßes Salz auf die zuckenden Wunden gestreut, will ich einmal poetisieren. Wir können uns keine Vorstellung davon erarbeiten, was für eine Todesmaschine das Meer von Anfang an war und geblieben ist, wie sehr diese Maschinerie sich anpassen kann und auf dem neusten Stand der Technik ist. Kreuzfahrtenschiffgefährlich ist auch nur ein erbärmliches Wort dafür. Und mein Ungeheuer ist nur eins von abertausenden, ja Millionen solcher. Aber egal. Abends sind wir erschöpft zurück. Ich habe mich ausreiten lassen. das ist ein Gaudi, zugegeben. Ausschlafen von den Tortouren, die Beine entlasten, den Muskeln Ruhe gönnen.

Kinder, sie haben hier eine Methode, die Behandlung vollzieht sich im Tiefschlaf, Aale denke ich, sind es, die alle meine Glieder massieren. Saugnäpfe nehmen sich meiner Hautoberfläche an, in Meersalz gebadet werde ich wohl, von gutartigen Quallenarmen auf Vordermann gebracht. Wie gesagt, ich bin niemals dabei, kenne nur die Wirkung und wenn ich erwache ist alles vorbei, verschwunden sind sie alle, ich fühle mich nur wohl, ein Mensch aus dem Meer geboren, jedes Mal. Ich wäre blöd zu titeln, darauf zu verzichten. Wenn ich schon Zugang habe und akzeptiert hier bin, nehme ich Annehmlichkeiten dieser Sorte liebend wahr, basta und nicht rumgemäkelt und gemein gesagt von mir, ich würde ein Verbrechersystem stützen, wäre potenziell Terrorist.

Ich kann hier heilend auf dem Teppich schlafen, auf diesen aromatischen zwei dünnen Unterlagen. Ich weiss, dass mein Seeungeheuer in unserer Welt ein Kriegstreiber ist, ein Nutznießer, ein Mörder und und und. Deswegen schlafe ich bei ihm auch nicht gut, immer nur mit vielen Unterbrechungen. Drehpausen nenne ich die Störungen, weil ich mich im Bett drehe und drehe, hin und her wende und wende. Es ist eben so wie mit Stalin befreundet, Pol Pot oder einem von den geheimen Drahtziehern auf Erden, die nie genannt werden aber vorhanden sind und Massen meucheln, ohne je in Erscheinung zu treten.

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Was uns auf Erden vorgespielt wird geht auf keine Seekuhhaut. Und ich sage es frei heraus, wie barbarisch es hier unter Wasser zugeht, es ist alles menschlicher zu nennen, was kriegerisch genannt wird.

Wir Menschen können uns nicht mit den Ungeheuern gleichsetzen lassen, wir sind die obere Gottheit aller Verbrechen. Zu uns schauen die scheußlichsten Ungeheuer auf. Ich werde angebetet und verehrt, weil ich zur Spezies Mensch gehöre, die sich alles erlaubt bis zur Atombombe und noch bei weitem nicht am Ende ihres Lateins ist, noch bösere Sachen erfinden und ausprobieren wird. Dagegen geht es hier manierlich zu. Wenn ein Mensch ertrinkt, stürzen sich die Raubfische auf ihn, fressen ihn an und auf, im Glauben daran, dann ein wenig böser zu werden. Es ist eine Art Schmanentanz. Hier nennt man böse menschlich und Kanibalismus menschliche Umgangsformen, sich gegenseitig umbringen gutes Benehmen; Putin ist bei uns das Wort für Lachsrogen. Ja, so sieht es aus.

Mordlust kann auch zu Kinderreichtum führen, sagt mein Ungeheuer. Es hat sich angewöhnt, mit mir über spezielle Dinge zu philosophieren. Seine Mutter hat sich wohl übernommen mit uns sechs Kindern, sagt es. Da hätten drei auch gereicht. Zum Ende hin war sie ausgeglichen und nicht mehr Ungeheuer genug, über sich selbst zu herrschen. Beinahe harmonisch und ruhig ging es mit ihr zu. Sie war gar nicht meerzickig mehr. Ist so gar mit Wandern gekommen. Dorthin, wo wir heute waren, ist es ja eine Tortur. Wo sie doch sonst sagen täte: Ist schon gut, mag sein, dass es euch erheitert, mein Freidhof ist das nicht. Den erhalte dir mal schön allein. All die untergegangen Schiffe, sie erträgt den Gedanken nicht, wie dabei Menschen eingesogen werden und ertrinken. Ich sage ihr, Ameisen sind es, darüber muss man nicht nachdenken.

Zur Unnachgiebigkeit und Härte wollte sie mein Ungeheuer erziehen. Es sollte das Ungeheuer aller Ungeheuer werden, ein tolles, würdiges Ungeheuer. Und was ist aus mir geworden? Mutter hat das Versprechen gebrochen, ist weich wie Austerninneres geworden, sagt die Schwester, die, wenn wir miteinander Philosophieren, kurz vorbeischaut, von ihren ungeheueren Verbrechen weltmeerweit ablässt, aufs Ertrinken Unschuldiger verzichtet. Euch kann ich zuhören, sagt sie. Hier darf ich Schweigen.

Was die Schwester meines Ungeheuers am meisten ärgert, erst so richtig bös werden ließ? Nun, antwortet sie brav auf meine heikle Frage, wie sie, die ungeheuer schlaff gewordene Mama, alles hier noch mamagern wollte. Den Überblick ihres eigenen Absterbens behalten, so nenne ich das einmal. Abartig. Welche Leichen noch vorhanden sind, wie Versunkenes, Ermordetes anders zu verwenden und einzusetzen ist, was aus ihr werden soll nach ihrem Tod? Die Fragen standen an. Aber zu uns Kindern sagte sie, sie wüsste, wie das Meermordhandwerk geht, versprach, uns alles zu zeigen, uns treulich zu unterweisen, dass wir die grössten Meeresmörder werden. Wir hätten mehr betteln, drängen und nachfragen sollen, haben sie nicht genug unter Druck gesetzt und angehalten, uns böser zu machen, sondern alles geschehen lassen, obwohl es uns nicht weiter schaden konnte. Kurzum, sie hat mit uns eben und er wichtigsten Ungeheuerzeit nicht Böses mehr angestellt. Alt und kräftig waren wir genug, die Mutter anzufallen, aufzufressen, wenn sie uns nicht mehr passen sollte.

 

SAM_6695SAM_6696Feige waren wir und nun sind wir beide verweichlichte Ungeheuer, nicht der Rede wert, untauglich, Randerscheinunge beim grossen Meersterben. Und ärgert sich auch heute wieder dunkelrot darüber. Weil, das hätte sie aus Neugierde schon interessiert, was da herausgekommen wäre bei ihr und ihrer Schwester. Übers Internet bekommt man ja haarkleine Details geliefert, sagt sie bevor sie die den Wasserfloh macht, aber wir sind nicht an erster Stelle dabei.

Liebe. Liebe. Immer wieder Liebe. Wir bereden sie in allen Facetten, weil Ungeheuer nicht lieben können, wie wir Menschen eben nicht Kiemen besitzen und unter Wasser zu leben wissen. Unsere Themen jagen sich. Kaum Zeit etwas ausführlicher zu bereden, was Liebe ist, was Liebe tut, was Liebe will und auch an Leid folgen lässt.

Mein Ungeheuer steht gar nicht auf Leid durch die Liebe, Leid sagt es, füge es anderen doch schon genug zu. Es interessiert sich mehr für die Freud durch das Leid oder so. Alles nur kurz angetippt. Ich komme mit dem Stift kaum hinterher, es aufzuschreiben. Denn das ist ja der obere Zweck meiner Meererkundungen. Sie hätte etwas tun sollen, wegen der Sauferei, das war nicht mehr schön. Man säuft im Meer einfach viel viel mehr als auf Erden. Aber man kann sie sich auch beide nicht in Gruppe und Therapie vorstellen, die beiden versoffenen Schwestern. Dafür sind sie schon viel zu weit von uns Menschen entfernt. So viel Einsicht und Vernunft es anzugehen, bringen Ungeheuer nicht auf. Seeungeheuer sind da noch einmal komplizierter ausgerichtet, weil ihre Materie ja die flüssige ist. Da können sie einfach nicht unterscheiden. Und mit Menschen bekommt man ja auch nicht so oft zu tun. Ich bin über Monate der einzige Lebende, ansonsten haben sie ja nur mit Ersoffenen zu tun. Das ist ist nicht gut, wenn man sich selbst von einem Laster heilen lassen will.

Es sind ja auch vor allem die Veränderung im Wesen, die sie mögen, dass sie dann ausrasten und rücksichtslos brutal werden im geilen Tiefseerausch, wie man das hier nennt. So richtig spitz und gehässig und irgendwie auch sexy und begehrenswert fühlen sie sich dann. Und schon ist aller guter Wille hinflüssig, so sagt man hier.

Mein Ungeheuer, nun ja. Da gibt es bestimmt Fragen genug an mich. Was an ihm reizend ist? Sicher sind es die Zähne, die so scharf aussehen, aber sehr schlecht im Zustand sind. Öffnet es ihren Mund zum breiten Lächeln, zeigt sich der schlechte Zustand der Zähne besonders heftig. Schlechte Zähne aber gelten hier als scharf. Ungeheuerinnen werden wilder und meinen, wenn es sie herzeigt, nun sein Intimstes zu kennen. Man zeigt wie unter Seepferden seine schlechten Zähne gern her, und kann dann die Ebene mit dem Geschlechtsgenossen halten, im Wissen um seine Gebrechen, sich einen Koitus vorstellen. Es ist die Nähe ans Gebiss, was bei uns der Griff in den Schritt bedeutet.

Sie suchen hier Zahnbelagsnähe zu erreichen. Es gehört zum Liebesspiel, sich gegenseitig schlechte Zähne zu entfernen und dem anderen einzusetzen. Das schmerzt und wird hier als Glück empfunden. Das kommt der ewigen Entjungferung gleich, sagt man hier. Man lässt sie sehen, kann die Zähen nur schwer verbergen. Poztenzzähne sind sie.

Man fällt auf. Man richtet das Augenmerk auf sich. Man fordert die Interessierten auf, sich zu interessieren, zu nähern und bemüht zu zeigen, hinter das Rätsel zu kommen, hinter die Lippen zu sehen, hinter die Zähne zu geraten, hinter ihnen die lüsterne Zunge, wartend und bereit.
Es bedeutet Überwindung. Man bekennt sich zu den inneren Seehunden, überwindet sich, wird verwegen, wenn man sich den Zähnen eines anderen nähert. Man prüft sich. Man meint mehr verliebt zu sein, mehr zu wagen als andere Liebende,die sich zahnlos überwinden.

Und ihr dürft nicht vergessen, mit den gleichen Zähnen schlagen Ungeheuer erbarmungslos zu und lassen keinem einzigen Menschen eine Chance.

Ich nenne mein Ungeheuer eine Furie. Das Wort ist noch viel zu gemütlich, sie richtig zu beschreiben: Oh ja, sie konnte in ihrem Leben auch schon sehr aufbrausend und ungehalten sein, wenn es ihr reichte, dich bei den Haaren packen und zu Boden schleudern. Und die es anhimmelten, bekamen es mit ihrem Mordsspott zu tun. Sie badete ihren ersten Mann, den sie angefallen hat, bevor er ihr nicht mehr gefiel und sie ihn tötete, in Kugelfischsoße – und er kam sich vor wie der Göttliche, als sie ihn zu Tode biss, stöhnte er.

Ein schreckliches Szenarium. Reden wir von den Zeiten, als sich die Ungeheuer noch ungeheuer mochten. Also spulen wir Schreckensjahre zurück. Es mag all die Ungeheuer nicht, die ihm den Wasserfloh des Ruhms hinter die Kiemen setzen. Es mag ihre Studio-Zeiten nicht. Es sagt, es liebe nur sich. Mit ihm zur Seite war es nie lustig. Er wäre mitunter schwer nur auszuhalten, sie möchte sich mit ihm täglich wie unter Jungen raufen, ihm wehtun, verbeissen. Er aber denkt nur an grosse Verbrechen und Massensterben. Schon sehr früh reitet ihn dieser Wahn. Und vor die Küsten Amerikas holten sie ihn auch nur, um sich zu belustigen. Denn er war nicht so gut wie sein Ruf. Im Gegenteil. Er war schlapp.

Die jungen, dämlichen Weiber, die ihn toll finden, schaden ihm und lassen ihn noch mehr verblöden, da in Amerika. Gehe mir weg mit Amerika. Alles keine echten Verbrecher. Alles nur Staffage und Täuschung. Zu viel Lob treibt den guten armen Menschen an die Klippe, lässt ihn abheben, ins Meer stürzen, sagt mein Ungeheuer und zischt mich an.

Zeit zu gehen, bevor es sich vergisst und mich frisst, mich kleinen menschlichen Happen, halbe Erdnuss für es. Denn mein Ungeheuer fängt auch schon an, mich ins Auge zu fassen: Ich weiß nicht, was euch trieb, eure Unterschiede und Meinungen öffentlich auszutragen. Es muss eine Phase der Liebe gewesen sein, die ihr beide nicht steuern konntet, sagt sie und giftet damit gegen meine Liebe zu einer Menschenfrau aus Magdeburg. Ich kann mir gut denken, dass alles als kleine Showeinlage begann. Einfach, weil ihr lustig erscheinen wolltet. Und dann sind euch die Gags nicht mehr so gelungen und ihr habt eure Fäden nicht weiter gesponnen, sie zerrissen. Dem Partner wird es als seelisches Wirrwarr vor den Latz geworfen, schon gerät die Schose aus den Fugen, es geht zur Sache mit Hallo und ohne Rücksicht auf Verlust. Das ist der Sinn der Liebe. Alles was man von ihr lernt st Abschied, Trennung.

Und ist mit seinen Zähnen mir sehr nah. Ungefähr so gross wie Kirchenkerzen auf dem Altar vom Kölner Dom, müsst ihr euch diese Zähen denken. Und dröhnt auf mich ein mit Wut: Man kennt das zur Genüge. Das Paar a la Pack schlägt sich, verträgt sich, zersägt sich, klebt aneinander in Pech und Schwefelzeiten. Eure Liebe, ich hasse sie.

Und dann ist das ausgestanden und mein Ungeheuer entfernt sich wieder, wirkt gut gelaunt. Es gibt keinen Grund mehr für mich, länger zu bleiben. Ich nenne irdische Termine und es bringt mich zurück an die Meeresoberfläche, den Meeresspiegel. Unterwegs kann ich mir noch einigen Stuss anhören. Wir seien alle nichts wert, wir Menschen.

Die schönen Blumen, sie würden am Wegesrand verblühen. Für Blumen sei auf dem Meeresboden reichlich Platz. Ungeheuer werden sich aber nie an ihnen erfreuen. Ungeheuer sähen lieber Chaos und Katastrophen. Schau her, was ich mit deinen Liebenliebenblumen beginne, schnauft mein Ungeheuer wie es mich vor einem Rapsfeld mit Mohnblumen verziert abgesetzt hat. Verbrennt mit einen Niesen den gesamten Hang, und auch den schönen französischen Wald dahinter, dass sie es heute in den Nachrichten bringen werden und eine brennende Kippe vermuten können. Zerfetzt wie ein Blumenstrauß eine ganze Region unter Flammen. Und mein Ungeheuer freut es diebisch, ehe es abtaucht und verschwindet.

Aus basta, nichts mehr mit wunderschönen Blumen aus der Region, für Jahre ein unermesslicher Flurschaden. Alles von einem Husten meines Ungeheuers stammend.

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Ihr denkt, ihr lebt in einem Irrenhaus, benehmt euch wie von Sinnen, wenn ihr euch bei den Haaren zerrt, euch die Büschel nur so herausreisst. Ihr depperten Menschen. Zeigt mir ein Ungeheuer, ruft mein Ungeheuer noch einmal beim nach Luftschnappen, das euch Menschen fürchten muss. Haha. Eure verfeindeten Gruppen sind nichts gegen unsere unterseeischen Orgien. Eure Kriege fliegen bei uns als harmlose Schimpfworte herum. Eure Bomben sind Sahnetorten bei uns, mit Freude dem anderen ins Gesicht gepfeffert. Denn ihr seid zum Glück nur mit euren Händen, Beinen, Armen, Knien und Füssen bewaffnet und lächerlich ausgerüstet. Unser Glück, sollten wir sagen. Sonst wäre der Kampf mit uns blitzartig entschieden, mit einem Knall würden alle Ungeheuer von euch Menschen zur Strecke gebracht und Schluss wäre es mit uns für allemal. Was Schade wäre, denn all die Entsetzen, die wir Ungeheuer betreiben, bringen etwas Stimmung in die Monotonie, höre ich mein Ungeheuer noch blubbern, bevor es wieder in sein gewohntes Meerbad überwechseln.

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