Nach-Danker

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Ich hatte meine Rede noch flink im Fahrstuhl geordnet und parat. Die ist gut, sagte der Mann aus dem fünften Stock, über und über mit Fanschals behangen. Sein Enkel im blauweißen Kinderwagen lachte laut. Ich redete Teile meiner Rede, beide nickten sie. So machten wir uns auf zum Rathausplatz. Aber dann dauerte es eine Weile, ehe der Bus vorfuhr mit den Jungs. Und noch eine Weile weiter, bis sie sich ins Ehrenbuch eingeschrieben hatten. Wenn Fussballer mit den Händen arbeiten sollen, oh je. Dann war es schon fast eine halbe Stunde zu spät. Erst wollte ich vom Ehrenbus aus die Rede schmettern, aber sie kamen mir alle bereits entgegen. Dann ging ich ihnen nach ins Rathaus. Okay. Als ich auf dem Balkon stand, wurde ich mächtig eingenebelt. Blaue, weiße Schwaden legten sich über meine Papiere. Ich hätte jetzt eine Nebelschutzbrille gebraucht.

Was für Rede? wurde ich von einem Ordner gefragt. Nix da, brauchen wir nicht. He, Mensch, siehe doch nur. Selbst der Bürgermeister macht es denkbar kurz, hebt bloß einen Fanschal über seinen Kopf, ruft: Endlich, endlich, nach fünfundzwanzig Jahren Mauerfall. Fertig, Junge. Und schon kamen die Stars auf den Balkon, drückten mich hopsend, jubelnd, singend glattweg ins Abseits. Okay. Dann eben nicht, sagte ich mir. Dann eben keine Festrede. So sieht es aus. Ich habe mir die Daumen plattgedrückt. Meine Daumen haben die Mannschaft in die dritte Liga geschoben, gefiebert. Und nun komme ich als ihr Stadtschreiber nicht einmal dazu meinen Dank an mich und alle Fans, die wie ich mitgeholfen haben, zu reden.

In einem Jahr, sage ich Euch, wenn es um den Eintritt in die zweite Liga geht, bin ich nicht mehr im Amt. Dann werden sie dem neuen Stadtschreiber eine Rede nahelegen. Dass der etwas von Fussball versteht, muss nicht sein. Chance verpasst, Jungs, sage ich bei meinem Abgang aus dem Rathaus unter Böllerschüssen. Mission Rede aufgehoben, Jungs.

Und bin dann in der Bötelstube am Platz. Was nen Bötel ist, wolln sie wissen? antwortet der Wirt. Eisbein, sagt er.

Blau-Eis-Bein scherze ich. Esse ich morgen.

Vorerst ist mir irgendetwas mit meiner Nicht-Rede auf den Magen geschlagen. Und gehe langsamen Schritts über den Platz in meine Schreibbude zurück.

(Rede wird morgen offiziell HIER veröffentlicht)

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