Gut gefüttert, trainiert und motiviert

Um die Straßenbahnhaltestelle Alter Markt hat sich dem Taubenschwarm eine Brieftaube angeschlossen. Eine hübsche braunweiß gescheckte mit großen Augen und an jedem Fuß einem Ring. Irgendwohin wurde sie im Korb gefahren, hinausgelassen (Auflass ) und dann sollte sie nach Hause fliegen. Vorher wurde sie gut gefüttert und trainiert und motiviert.

Wie ein Fußballer.

Dann sollte sie zurückfliegen und vielleicht sogar die Schnellste sein – ihr Besitzer (Fußballclub?) wartete auf sie, die Zeit sollte gestoppt werden – Preisflug nennen sich die Wettbewerbe der Tauben. Aber er wartete umsonst, nun wohnt sie vielleicht auf dem Karstadtdach oder im Haus gegenüber in einem Schwarm, weil sie den Weg nach Hause nicht gefunden hat. Vielleicht war es ein Gewitter mit einem dieser sturzflutartigen Regenschauer, das sie durcheinander brachte. Oder sie wurde von einem Greifvogel verfolgt und hat sich in die Niederungen der Stadt gerettet. In Magdeburg lebt nun eine eingewanderte Taube mehr – überhaupt sollen die Stadttauben alle Abkömmlinge von einst verirrten Brieftauben sein.

Wie motiviert man eine Brieftaube nach Hause zu fliegen?

Zu Hause ist immer die Gegend, wo eine Taube aufgewachsen ist. Der Züchter ließ früher diejenigen Tauben fliegen, die gerade beim Brüten waren. So wollten die aufgelassenen Tauben möglichst schnell zu ihrer Brut zurückfliegen. Manchmal legten die Züchter den Tauben sogar eine tickende Uhr unter, um den Tauben vorzutäuschen, dass bald die Eier brechen. Die Tauben sollten mit noch größerem Einsatz nach Hause fliegen. Heute fliegen nur noch wenige Züchter nach dieser Nestmethode und höchstens gezielt auf ganz bestimmten Medaillen- oder Weitstreckenflügen.

Seit wann können denn Taubenzüchter fliegen?

Diese Menschen haben eine Einbildung. Wir fliegen und sie sagen, sie seien es gewesen.

Heute wird alles gemacht wie bei Fußballern.

Na, denen ihr Züchter sagt ja auch, wir haben gut gespielt, dabei ist er keinen Meter gerannt.

Wenigstens könnte er einen Meter rennen. Aber keine drei Zentimeter fliegen.

Vor Reisebeginn, eine Woche vor dem ersten Preisflug werden die Geschlechter getrennt. Die Sehnsucht der Tauben nach dem Partner soll für einen schnellen Rückflug sorgen. Eine Taube bleibt zu Hause, oft das Weibchen. „Es empfängt dann den heimkehrenden Helden voller Freude und Leidenschaft“ (so stehts im Brieftaubenbuch…).

Manchmal werden die Weibchen den Vögeln vor dem Preisflug gezeigt. Manchmal dürfen die Paare vor dem Flug 20 Minuten zusammen sein. Manche Züchter geben den Paaren bis zum Vorabend Zeit, manche eine ganze Nacht.

Jeder Trainer bestimmt es anders. Für den Sieg im Halbfinale sind jedem Fußballer 150.000 Euro sicher. Für den im Endspiel das Doppelte. Vor dem Halbfinale wurden den Spielern ihre Frauen gezeigt. Vor dem Endspiel eine gemeinsame Nacht verbringen, dann schickt der Trainer die Frauen heim.

Manche Züchter haben nichts dagegen, wenn die Tauben sich vor dem Preisflug paaren. Der Bundestrainer hat seinen Spielern jeden Damenbesuch untersagt. Vor dem Endspiel zwei Nächte ohne Frauen.

Die zurückgebliebenen Tauben werden gefüttert, denn sie sollen bei der Ankunft des reisenden Vogels nicht hungrig sein, sonst würden sie lieber fressen und den Partner vernachlässigen. Die zu Hause gebliebene Taube soll aber die Heimkehrende begrüßen und liebkosen und nicht fressen. Und die zurückgekehrte Taube möchte sich vielleicht auch unter den Flügel der Taube zu Hause schmiegen und sich kraulen lassen. Die Frauen dürfen ihren Spielern erst im Finale wieder zujubeln. Wenn die Taubenweibchen in der Abwesenheit der Männchen lange zusammenbleiben, werden sie lesbisch. Sie fangen an zu balzen und sich zu liebkosen. Und empfangen die zurückkommenden Männchen mit geringem Interesse. Deshalb trennen die Züchter die Weibchen voneinander.

An der Elbe traf ich eine Reisetaube. SAM_6218

Sie trippelte den Strand entlang, beäugte mich, flog hoch hinauf, in einem großen Kreis ans andere Ufer und zurück über mich hinweg. Sicher hat sie mich von oben betrachtet, wie ich im Schatten einer Weide auf einer Wurzel am Ufer saß. Dann flog sie weiter. Oder in den nächsten Baum. Vielleicht ist sie inzwischen schon zu Hause mit Liebkosungen empfangen worden.Elbtaube

Cassel: In geselliger Hinsicht habe ich nie angenehmer gelebt.

10. Teil der Erinnerungen der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise C a r o l i n e Kienitz, geb. Ransleben

1808 – 1811

Am 30. Oktober 1808 wurde unser lieber Adolf geboren, als erster Sohn wurde er doppelt freudig vom Vater begrüßt. Die befreundeten Familien, welche wir in Cassel hatten, nahmen sich bei dieser Gelegenheit meiner freundlich an und ich fühlte es in dieser Hinsicht durchaus nicht, dass ich so entfernt von den Meinigen war.

Erst im nächsten Frühjahr lernte ich die schönen entzückenden Gegenden um Cassel kennen, welche mich entzückten. Die Wahlverwandten, welche wir in Cassel gefunden, wurden uns immer lieber und in geselliger Hinsicht habe ich nie angenehmer gelebt. Mit den Franzosen kamen wir nicht zusammen und mein Mann hatte auch wenig mit ihnen zu schaffen. Der Chef der Justiz war zwar ein Franzose, aber ein sehr ehrenwerter Mann, welcher sich die Achtung aller Gutgesinnten erworben hatte. So lebten wir ruhig und zufrieden im fremden Lande, obgleich es uns an kleinen Sorgen nicht fehlte, da meines Mannes Einkommen nicht bedeutend war und in mancher Hinsicht war es teuer in Cassel, z. B. Miete und alle Kolonialwaren, welche durch die Kontinentalsperre, welche der große Tyrann allen Ländern aufgelegt hatte, hervorgerufen war. So mussten wir das Pfund Zucker mit einem Rth. bezahlen, darin aber kann man sich am ersten einschränken. Ich erinnere mich, dass ich meist den Monat nur 2 Pfund Zucker verbraucht habe.

Im August 1810 wurde unser lieber Karl geboren und dieser Zuwachs unserer Familie erhöhte allerdings unsere Sorgen, namentlich für die Zukunft, aber auch unsere elterlichen Freuden, denn obgleich der Knabe nur zart und fein war, gedieh er doch sichtlich.

Im Mai 1811 machte ich mit meinen Kindern eine Reise nach Berlin zu meinem Vater. Ich weiß, dass ich vielfältig darum getadelt worden bin, dass ich meinen Mann verließ, indessen andere Menschen konnten die Triebfeder dieser Handlung nicht so genau wissen und ich glaube, daher einige Worte zu meiner Rechtfertigung sagen zu müssen:

Mein Vater schrieb unaufhörlich davon, welche Sehnsucht er nach mir und meinen Kindern habe und wie unglücklich er sich allein fühle. Meine beiden Schwestern konnten nicht füglich zum Vater ziehen und deshalb wünschte mein Vater, mein Mann sollte in Cassel seine sichere Stellung verlassen und in Berlin Justizkommissarius werden, was meinem Mann ganz zuwider war und was doch auch wirklich vermessen gewesen wäre. Dazu kam, dass wir noch immer sehr unvollständig eingerichtet waren und nun die Zahl unserer Kinder sich vermehrt hatte, wir eine größere Wohnung brauchten. Unsere Finanzen aber waren durch die vielen Reisen sehr zerrüttet und es war daher für uns eine große Ersparnis, wenn ich den Sommer über mit meinen Kindern auf des Vaters Kosten lebte. Zu meinem Mann aber zog H. Provensal, dessen Frau und Tochter, während der Zeit nach Magdeburg gingen.

Ich machte mich daher mit meines Mannes Zustimmung getrost auf den Weg, hatte beim schönsten Wetter, wodurch der Sommer von 1811 sich so sehr auszeichnete, eine sehr angenehme Reise und kam wohlbehalten in Berlin an. Mein Vater war entzückt über unsere Kinder und hatte wirklich eine große Vorliebe für sie.

Manon Provençal beugte ein Knie

9. Teil der Erinnerungen der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

Am nächsten Sonntag, als Kur beim König war, wo sich außer den Hofleuten auch viele Beamte einfanden, war auch P. hingegangen. Er stand mit allen anderen den König erwartend. Er ging sogleich auf P. zu und redete ihn mit barscher Stimme an: „Qui est le desire du peuple est le roi!“ Der arme alte Mann erschrak so, dass er ohnmächtig wurde und umgefallen wäre, hätte sein Nachbar G. v. Gosler ihn nicht unterstützt und in seinem Wagen zu Haus gebracht. Die Folge dieses Briefes war, dass H. v. B. den Abschied bekam und folglich auch P. brotlos war. Er ertrug dieses harte Geschick mit männlicher Fassung, aber seine Familie war trostlos. Was sollte auch aus ihnen werden? Vermögen hatte sie nicht und wenn sie auch zurück nach Magdeburg ginge, P. hatte sich zu sehr verwöhnt, als dass er nun wieder ein beschwerliches Leben hätte anfangen können. Da sagte mir eines Tages die Tochter Manon, ein sehr liebes Mädchen, dass sie sich beständig mit dem Gedanken beschäftige, dem König eine Bittschrift zu überreichen, worin sie um eine Stelle für ihren Vater bitten wolle. Wir gingen in diesem Augenblick am Schlosse vorbei und ich zeigte ihr die Unmöglichkeit der Ausführung, in dem das ganze Schloss mit Wachen umstellt war, dass kein Fremder den Eingang erreichen konnte.

Dessen ungeachtet beschäftigte uns dieser Plan unaufhörlich, ich teilte ihn meinem Manne mit und dieser versprach sich zu bemühen, ob er einen Weg ausfindig machen könne, Manons Plan in Ausführung zu bringen. Er sprach zu dem Ende mit dem Obersten Langeschwarz, einem edlen deutschgesinnten Mann, welcher nur gezwungen bei den Franzosen Dienst genommen. Langeschwarz versprach meiner lieben Manon Gelegenheit zu verschaffen, dem König eine Bittschrift überreichen zu können, wenn wir uns verpflichteten, seinen Namen nie zu nennen. Manon schrieb eine schöne Hand und setzte also selbst eine Bittschrift auf. Wenige Tage nachher ließ uns Langeschwarz wissen, der König würde in einigen Tagen Revue über einen Teil seiner Truppen halten und zwar bei Katharinenthal einem Lustschloss der Königin, dort sollte sich Manon hinbegeben und er würde ihr alsdann einen Wink geben, wenn sie vortreten sollte.

Als der Tag anberaumt war, begab ich mich zur Provensal und bat sie, mir Manon auf einen Tag zu überlassen unter dem Vorwand, mein Mann müsse nach Minden, wo er in Geschäften eine Zusammenkunft mit seinem Bruder aus Göttingen hätte. Die P. bewilligte meine Bitte und so machten wir uns am festgesetzten Tage des Morgens früh auf den Weg, Katharinenthal etwa 1  Meile von Cassel, liegt in einer flachen Gegend. Dort angelangt, ließen wir in einiger Entfernung unsere Wagen und gingen zu Fuß bis in die Nähe des Schlosses. Dieses hatte einen großen Vorhof mit einem eisernen Gitter umgeben. In einiger Entfernung davon sahen wir Herrn von Langeschwarz zu Pferde, welcher mit dem Degen winkte. Da trat Manon an den Eingang des Gitters, wo der König zu Pferde herausritt. Manon beugte ein Knie und überreichte ihre Bittschrift. Der König nahm sie und sagte: „Prenez garde, le cheval.“ Darauf galoppierte er weiter und Manon kehrte zu uns zurück, mehr tot als lebendig, so hatte das arme Mädchen sich geängstigt.

Die Revue war beendet und wir wussten nicht so recht, was wir anfangen sollten. Wir trieben uns noch eine Weile im Felde herum, aber endlich beschlossen wir, zu unseren Wagen zurückzukehren und mit Ergebung zu warten, was daraus werden würde. Kaum waren wir aber eine kleine Strecke gefahren, als ein königlicher Bedienter zu Pferde an unseren Wagen kam und fragte, ob die junge Dame darin wäre, welche eine Bittschrift überreicht hätte. Diese solle sogleich nach dem Schlosse kommen.

Wir kehrten also um und Manon musste von hundert Blicken begleitet (denn der ganze Schlosshof stand voller Offiziere und Hofleute) nach einem Saal kommen, wo ihr der Oberceremonienmeister Herr von Buchholz das Papier zurückgab, worunter der König eigenhändig geschrieben hatte: „Ou une place, ou une cure.“ Manon war froh, alles überwunden zu haben und wir traten nun wohlgemuth unseren Rückweg nach Cassel an. Dort angekommen, erfuhren wir, dass Manons Eltern uns auf dem Wege nach Göttingen entgegen gegangen waren. Da sie auf diese Weise bei ihrer Rückkehr bei unserer Wohnung vorbei mussten, so gaben wir am Fenster acht, um ihnen unsere Nachrichten mitzuteilen.

In meinem Leben werde ich diese Scene nicht vergessen. Der alte Mann vergoss heiße Freudentränen und rief alle Segnungen des Himmels auf sein liebes Kind heraub und pries ihren Heldenmut. Nach einiger Zeit erhielt Provensal wirklich eine Anstellung, wo er allerdings an Einnahmen verlor, aber doch anständig leben konnte.

Prediger Provençal aus Magdeburg

8. Teil der Erinnerungen der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben.

In Cassel wurde ich sehr freundlich empfangen, wir wohnten mit einem Herrn B. v. Werder in einem Hause und diese gute Frau hatte nicht allein für uns ein Abendbrot bereitet, sondern auch für meine Kinder und Leute, denn ich brachte die beiden Mägde mit, welche schon in Halberstadt bei uns gedient hatten. Ich gewöhnte mich sehr bald an Cassel. Die Hessen sahen uns Ausländer freilich mit nicht viel freundlicheren Augen an als die Franzosen, aber die vernünftigeren sahen es doch ein, dass wir nicht aus Wahl dorthin gekommen waren und ließen es uns nicht entgelten, im Gegenteil, ich bin nicht allein von Fremden, welche wie wir nach Cassel gekommen waren, sondern auch von Einheimischen freundlich aufgenommen worden und namentlich war ich in der Hassenpflugschen Familie, wo mehrere erwachsene Töchter waren, wie ein Kind zu Hause.

Wenige Tage nach meiner Ankunft waren wir in einer kleinen Gesellschaft bei Werders, wo ein ältlicher Herr mir vorgestellt wurde, welcher mich auf eine so eigentümliche Weise anredete und dessen Lebensgeschichte so viel ungewöhnliches hatte, dass sich wohl hier ein Platz finden kann, zumal, da ich nachher mit seiner Frau und Tochter, welche etwas später wie ich nach Cassel kamen, in sehr freundschaftlichem Verkehr war.

Dieser Herr Provensal, als er mich mit seinen durchdringenden Augen ansah, sagte mir: „Mais mon dieu, Madame, il faut que vous aparteniez a la Famille Humbert, car vous en avez les yeux.“ Als ich ihm sagte, meine Mutter sei eine Humbert gewesen und ich sei eine Berlinerin, begrüßte er mich als seine Landsmännin und wir waren gleich bekannt miteinander, als wenn wir uns seit Jahren kannten.

Provensal war französischer Prediger in Magdeburg, da aber seine Stelle nur schlecht war, so gab er außerdem Stunden. Der damalige Präsident von Bülow wurde als Finanzminister nach Cassel berufen. Da er der französischen Sprache vielleicht nicht ganz mächtig war, so bewirkte er dem P. einen längeren Urlaub aus und nahm ihn mit nach Cassel. B. wohl einsehend, dass P. nicht gut in seine vorherige Stellung zurückkehren konnte, zumal da ihm in der letzten Zeit das Stundengeben schon sauer geworden war, machte ihn zu seinem Generalsekretär. Er hatte ein ganz ansehnliches Gehalt und gefiel sich sehr in Cassel. Weniger war das bei seiner Familie der Fall, namentlich seine Frau konnte Magdeburg nicht vergessen und hasste die Franzosen auf eine solche Weise, dass es ihr schrecklich war, ihre bessere Lage denselben verdanken zu müssen. Sie lebten indessen so ruhig fort bis zum Jahre 1811, wo H. von Bülow vom König Jerome nach Paris geschickt wurde. Die Franzosen am Hofe des Königs hatten schon längst mit Neid die wichtige Stelle des B. durch einen von ihnen besetzt gesehen, beschlossen seine Abwesenheit zu benützen, um ihn zu stürzen. Alle Briefe von dem B. wurden geöffnet, um etwas zu finden, was ihm nachteilig werden konnte. Endlich fanden sie einen Brief des P., worunter dieser geschrieben hatte: Revenez le desir du peuple! Darunter aber schrieb er noch, da es eine Bibelstelle ist: „Souvenez vous que je suis ancien ecclesiastique“. Dieser Brief wurde dem König gebracht und diese unschuldigen Worte auf das gehässigste ausgelegt, als wollte H. v. B. sich beim Volke beliebt machen.

Der kleine Finger

7. Teil der Erinnerungen der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

Frühling/Sommer 1808

Nun überlegten wir, wie die Sache am besten einzurichten wäre. In Cassel  hatten wir wieder keine Bekannten, die uns auch nur das Mindeste einrichten konnten, auch erfuhren wir, dass es schwer sei, eine Wohnung in Cassel zu bekommen, indem durch die Franzosen viele Menschen dorthin gekommen waren. Wir beschlossen daher wieder, unsere Zuflucht zu meinem lieben Vater zu nehmen, welcher mich auch, sobald er unsere Versetzung erfuhr, sehr freundlich einlud zu ihm zu kommen. Mein Mann hatte noch einige Zeit übrig, bevor er nach Cassel musste, und so unternahmen wir denn die Reise nach Berlin. Unseren Wagen hatten wir, nachdem er manche Irrfahrten gemacht und manchem gedient hatte, schon vor unserer Verpflanzung nach Halberstadt wiederbekommen und so wurde denn ein Fuhrmann gedungen, welcher uns nach Berlin brachte.

Es war Anfang April und das Wetter noch sehr rauh. Die Truppenmärsche der Franzosen gingen noch immer fort und so geschah es denn, dass wir den ersten Abend nach einem Dorf kamen, dass kein Mensch uns aufnehmen konnte. Endlich erfuhren wir, dass der Schulmeister eben seines Amtes wegen von Einquartierung verschont war und dieser ließ sich also willig finden, uns für eine Nacht aufzunehmen. Die Schulstube wurde uns eingeräumt, die Schulbänke aufeinander geräumt und so gewannen wir Platz, um uns eine Streu bereiten zu lassen.

Wir gelangten glücklich und wohlbehalten in Berlin an, nachdem ich 8 Monate in Halberstadt gelebt hatte. Von meinem Mann erhielt ich bald gute Nachrichten aus Cassel. Er hatte Chambre garnie bei einem Prediger Wille bezogen, wo er sich sehr gut gefiel und mit dessen Familie wir nachher immer in freundlicher Verbindung geblieben sind. Zu Johanni mietete mein Mann eine Wohnung und richtete dieselbe nach und nach ein. Ich beschloß daher, im August zu ihm zu reisen. Mein Schwager in Fehlefanz hatte sich freundlichst erbeten, mich, da wir unseren Wagen wiederbekommen hatten, bis Brandenburg fahren zu lassen. Ich packte daher soviel Habseligkeiten, als ich nur irgend fortbringen konnte, ein und machte mich mit meinen beiden Kinderchen auf den Weg. Vors erste fuhr ich nach Fehlefanz, wo ich noch einige Tage verbleiben sollte. Am dritten Tage meines dortigen Aufenthaltes schickte mir mein Vater einen expressen Boten und schrieb mir, ich möchte es mir recht bedenken, ob es geraten wäre, meine Reise fortzusetzen. Der Krieg zwischen Frankreich und Oestereich war ausgebrochen und französische Regimenter durchzogen das Land. Mein Vater war deshalb sehr besorgt, dass ich ohne männliche Begleitung eine sehr unangenehme Reise haben könnte. Ich war in Verzweiflung, was sollte ich nun tun? Ich fragte meinen Schwager um Rat, allein dieser wollte keinen Ausspruch tun. Da beschloss ich, meinem Mann zu schreiben und ihn um seine Entscheidung zu bitten. Nach 8 Tagen etwa erhielt ich seine Antwort, auch er wollte nicht grade zureden, doch atmete sein Brief soviel Trauer, bei dem Gedanken noch länger von Frau und Kindern getrennt zu sein, dass ich beschloss, mich getrost auf den Weg zu machen in der Hoffnung, dass eine Mutter mit ihren Kindern wohl aller Orten gute Menschen findet, welche sich ihrer annehmen. Meine Hoffnung hat mich auch nicht betrogen, einige Unannehmlichkeiten abgerechnet, legte ich meine Reise glücklich zurück. Ich schrieb nach Halberstadt und beschied mir einen bekannten Fuhrmann, welcher mich von Brandenburg abholen sollte. Meinen Mann aber bat ich, mich von Göttingen, wo damals sein ältester Bruder wohnte, abzuholen. Bis Brandenburg gab mir mein Schwager Pferde, dort fand ich meinen ehrlichen Fuhrmann Schöning, welcher sich meiner und meiner Kinder wirklich väterlich annahm.

Mein Fuhrmann, wahrscheinlich um zu sparen oder ob es überall Schwierigkeiten machte, in einer Festung zu übernachten, zog es vor  die Nacht in Pl……… zu bleiben, einem kleinen mechanten Ort, welcher nur einige Berühmtheit erlangt hat, weil Friedrich der Große dort zu übernachten pflegte, wenn er über die Magdeburger Truppen Revue hielt. Dort kam ich gegen Abend so krank an, dass ich mich kaum aufrecht erhalten konnte. In dem einzigen Wirtshause, was dort ist, wurde mir eine Stube angewiesen mit einem großen Bett, wo, wie mir die Leute sagten, eben Franzosen geschlafen hatten, dessen ungeachtet musste ich mich gleich hineinlegen und meine liebe Luise musste späterhin auch noch Platz darin finden, was sehr unbequem für mich war, da sie sehr unruhig schlief. Hanne aber musste mit der kleinen Auguste auf der Erde sich betten, weil auch nicht einmal eine zweite Bettstelle stehen konnte. – Meine gute Natur siegte und ich konnte, obgleich angegriffen, am anderen Morgen meine Reise fortsetzen. Als ich nach Magdeburg kam, hatte ich einige Schwierigkeiten zu bestehen, ich hatte zwar einen Pass nach allen Regeln, in Berlin von der französischen Behörde ausgestellt, aber dennoch legten mir die Franzosen alle möglichen Fragen vor, namentlich als ich herausfuhr und meinten, der Pass hätten müssen visiert werden und was dergleichen mehr. Ich glaubte, es machten den Franzosen Vergnügen, eine Frau, welche ohne männliche Begleitung war, in Verlegenheit zu setzen.

In Halberstadt, wo ich noch manche liebe Bekannte hatte, blieb ich zwei Tage und wurde von R. R. Vetter und dessen Frau auf das freundlichste aufgenommen. Von ihren innigsten Wünschen begleitet, setzte ich meine Reise fort. Ich fand unendlich viel gutmütige Menschen, welche sich meiner Kinder mit wahrer Menschenliebe annahmen. So übernachteten wir unter anderem in einer kleinen Stadt, wo die Wirtin nicht genug wusste, wie sie meinen kleinen Mädchen Liebes und Gutes genug antun sollte. Es war an dem Tage sehr heiß und die gute Frau holte ihre seidnen Brautdecken hervor, welche sie sehr ehrenwert zu halten schien, um meine Kinder damit zu decken. Am anderen Morgen bei unserer Abreise beschenkte sie die Kinder mit allem Obst, was sie auftreiben konnte.

Eines Tages hatte ich durch einen albernen Spaß einen rechten Schreck. Wir mussten beim Grenzposten einer kleinen Stadt eine lange Zeit halten, weil ein ganzes Regiment Franzosen herein zog. Ich hielt meine Hand auf der Seite, wo ich saß auf dem offnen Wagenschlag, sah aber absichtlich nach der anderen Seite hin, um den Soldatengesichtern nicht so nahe zu sein. Mit einem Male fühlte ich einen heftigen Schmerz im kleinen Finger und glaubte, von einem Hund gebissen zu sein. Ich zog schnell die Hand fort und konnte einen kleinen Schrei nicht unterdrücken. Augenblicklich erscholl ein rohes Gelächter und als ich nachher den Handschuh auszog, sah ich, wie der Finger ob mit den Nägeln oder mit den Zähnen weiß ich nicht, tief eingedrückt war. Der Finger wurde nachher braun und blau. Im Übrigen kann ich nicht sagen, dass mir auf der ganzen Reise etwas Unangenehmes begegnet sei. So kam ich wohlgehalten nach Göttingen. Hier kehrte ich in dem ersten besten Gasthof ein und schrieb augenblicklich einige Zeilen an meinen Schwager in der sicheren Überzeugung, mein Mann sei dort. Ich war wirklich in der Zeit, ehe ich Nachricht erhielt, in einer fieberhaften Aufregung. Nach einiger Zeit trat mein Schwager mit seiner sehr sehr liebenswürdigen jungen Frau bei mir ein, aber leider nicht mein Mann, von dem auch keine Nachricht angekommen war. Ich machte mir täglich die schwärzesten Vorstellungen und nur mit Mühe gelang es mir, meine Unruhe zu unterdrücken und der freundlichen Einladung meines Schwagers und seiner Frau Folge zu leisten, welche mich nach ihrer Wohnung nahmen. Eigentlich taten sie es wohl nur, um mir ihr erstgeborenes Kindlein von einigen Wochen zu zeigen, denn beide waren selig beim Anblick des Kindes. Übrigens waren beide sehr freundlich zu mir und brachten mich nach einem Stündchen wieder heim. Mein Schwager hatte mir einen Fuhrmann besorgt, welcher mich am anderen Morgen nach Cassel fahren sollte und alles mit ihm richtig gemacht.

So fuhr ich denn am anderen Morgen sorgenvoll von Göttingen ab, ohne auch nur irgend etwas von der Stadt gesehen zu haben. Zwischen Göttingen und Minden ist ein hoher Berg, über welchen man fahren muss. Am Fuß desselben erklärte der Fuhrmann, wenn ich nicht ein Pferd Vorspann zahlen wollte, so müsste ich mit meinen Kindern zu Fuß herauf gehen. Da dieses unmöglich war, so musste ich mich wohl oder übel dazu verstehen, das Pferd zu bezahlen, obgleich mein Schwager mit dem Fuhrmann ausgemacht, dass ich weiter keine Unkosten haben sollte.

Minden liegt überraschend schön am Zusammenfluss der Werra und Fulda. Ich würde diese Naturschönheit noch weit besser genossen haben, wenn ich ruhigeren Herzens war, aber so ängstigte mich immer der Gedanke an meinen Mann, dass ihm irgend etwas Schlimmes begegnet sein könnte. Etwa 2 oder 1 ½ Meilen vor Cassel sah ich zum Wagen heraus, ohne etwas zu sehen, als meine Augen mit einem Male einen raschen Reiter erblickten, welcher auf uns zutrabte. Mein Herz noch eher als meine Augen erkannten den lieben Mann und mit großer Freude begrüßten wir uns, denn mit Angst hatte ich daran gedacht, wie ich mich in alles finden würde, auch fürchtete ich, mein Mann könnte krank sein. Der Brief war nicht zur rechten Zeit angekommen und erst den Morgen, während mein Mann mit mehreren anderen eine Landpartie verabredet, zu allem Glück ging er aber vorher noch einmal zu Haus, hätte er das nicht getan, so hätte ich vielleicht mit meinen Kindern bis spät auf der Treppe sitzen müssen.

 

Halberstadt – eine andere Dinastie

6. Teil der Erinnerungen der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

Februar/März 1808

Wenngleich wir für den Augenblick geborgen waren, so befand mein lieber Mann sich doch in einer unangenehmen Lage. Ohne Beschäftigung, ohne Aussicht für Frau und Kinder wirken zu können, war er sehr niedergeschlagen, da trug ihn mein Vater, der damals, in Abwesenheit des Ministers, welcher mit dem König fort war, Chef des Finanz Ministerio war und konnte daher meinem Manne eine Stelle als Justitiarius bei der damaligen Kammer vorschlagen. Mein Mann nahm dieses Anerbieten mit Freuden an, obgleich diese Stelle den dritten Teil eintrug, von dem was mein Mann in Warschau gehabt hatte, so war es doch wieder eine Anstellung und man musste es der Zukunft überlassen, ob es sich wieder einmal besser für uns gestalten würde.

Im April ging mein Mann nach Halberstadt ab. Da wir nun aber da weder Wohnung noch Möbel, noch Hausrat hatten und ich binnen kurzem meiner Niederkunft entgegensah, so blieb ich bei meinem Vater und mein Mann mietete so lange Chambre garnie. Am 3. Juni wurde meine liebe Auguste geboren. Sechs Wochen darauf kam mein Mann zur Taufe und holte mich und die beiden Kinder ab. Wir waren froh, wieder vereint zu sein und machten uns vergnügt und guter Dinge auf den Weg. Damals reiste man noch nicht so schnell wie jetzt, auch wollte mein Mann um meinetwillen nur kleine Tagesreisen machen. Wir blieben daher die erste Nacht in Brandenburg, wo der Wirt des Hauses wohnte, welches mein Mann in Halberstadt gemietet hatte. Dieser, ein Doktor, kam, sobald er unsere Ankunft erfahren hatte, zu uns, um noch manches mit uns zu besprechen. Von diesem erfuhren wir nun aber auch, dass Halberstadt an Frankreich abgetreten war. Napoleon hatte für seinen jüngeren Bruder Jerome ein neues Königreich unter dem Namen Westphalen creirt, und diesem war Halberstadt einverleibt. Diese Nachricht war ein Donnerschlag für uns, denn nun waren wir ganz vom Vaterland geschieden und gehörten einer anderen Dinastie an und zwar der französischen, welche damals so schrecklich verhasst war. Indessen, was war zu machen, mein Mann hatte einen Posten zu verwalten und Frau und Kinder zu ernähren, wir mussten uns also unserem Schicksal ergeben und unsere Reise mit unseren kleinen Wesen fortsetzen.

In Halberstadt wurden wir freundlich aufgenommen. Unsere Vicewirtin, eine alte Jungfer, hatte ein ganzes Mittagbrot für uns bereitet. – Da unsere Zukunft sehr ungewiss war, so wollten wir uns nur so wenig wie möglich anschaffen. Ein Sopha, einen Schreibtisch für meinen Mann und ein paar Kommoden wurden gemietet. Die aller gewöhnlichsten Bettstellen, einige Stühle und ein paar Tische war alles, was wir besaßen. Dieser Beschränkung ungeachtet, bin ich in Halberstadt sehr vergnügt gewesen. Die Halberstädter sind ein guter Schlag Menschen und alle, die wir kennen lernten, unbeschreiblich gütig und freundlich zu uns. Wir konnten natürlich keinen Menschen bei uns sehen, aber es hätte nur von mir abgehangen, jeden Tag aus zu sein, so viel wurde ich gebeten. Das war nun aber meine Sache nicht, indessen brachten wir jede Woche einen Abend in dem Hause der Kr. R. Krieger zu, wo viel Musik getrieben wurde. Das waren angenehme Stunden für mich. Die Leutchen waren mit meiner Stimme zufrieden und so wurden viele Sachen, Chöre, Scenen, auch ganze Opernakte einstudiert. Auch mit meiner Wirtin lebte ich im besten Einverständnis, wenn ich einmal bei Tage ausgehen musste (gewöhnlich ging ich nur des Abends fort) sah sie nach meinen Kindern. Und hatte sie einmal etwas Gutes gekocht, so bekam ich gewiss mein Teil davon. Ich hatte damals kein Instrument und konnte daher meine Stimme nur sehr mangelhaft einstudieren. Da kam eines Tages eine Gräfin Alvensleben zu mir, welche mir, da sie auf einige Monate auf ihre Güter zog,  ihren schönen Flügel anbot. Ich konnte mich nicht entschließen, diese Güte anzunehmen aus Furcht, dass er Schaden leiden könnte. Da schickte sie mir wenigstens ein Klavier ins Haus, damit ich nur meine Stimme spielen konnte. Ich führe das nur an, um zu beweisen, wie sehr freundlich und gütig alle Menschen zu uns waren. Auch mit meiner Wirtin lebte ich im besten Einverständnis, wenn ich einmal bei Tage ausgehen musste (gewöhnlich ging ich nur des Abends fort) sah sie nach meinen Kindern. Und hatte sie einmal etwas Gutes gekocht, so bekam ich gewiss mein Teil davon.

So lebten wir zufrieden, wenn auch gleich gedrückt durch die unglückliche Lage des Vaterlandes fort bis zum März 1808. Da bekam mein Mann ein Schreiben vom Staatsrat Biedersee aus Cassel, worin er meinem Mann eine Stelle als Appellations-Richter in Cassel antrug. Biedersee war früher Präsident in Halberstadt gewesen, hatte den Vater als guten Arbeiter kennen gelernt und wünschte daher, ihn dort in Cassel zu haben. Was war nun zu machen. Es war uns ein schrecklicher Gedanke immer entschiedener unter französischer Herrschaft zu stehen und doch hatten wir nichts zu leben. Da schrieb mein Mann meinem Vater und fragte an, ob er eine Aussicht hatte, ihm im Preussischen eine Anstellung zu verschaffen. Doch bevor eine Antwort aus Berlin kam, schrieb B. noch einmal, mein Mann müsste sich augenblicklich entschließen, ob er die Stelle annehmen wollte oder nicht, sonst müsste er sie anderweitig vergeben.

Das war eine große Verlegenheit für meinen lieben Mann, er fragte mich um meine Meinung, aber ich hätte es unrecht gefunden, in einer so wichtigen Sache eine Meinung zu haben, ich erwiderte also, dass er ganz nach seiner Einsicht handeln müsse, versicherte ihm aber, dass ich ihm gern und willig folgen würde, wohin es auch wäre.

(Fortsetzung folgt)

Up – da gehts hinauf

Taubenzüchter betreiben Brieftaubensport. Sport machen nur die Tauben. Die Züchter sind lauter Löws.

Ja, betagte Löwen.

Halt mal, ich denke, die heißen alle Otto, hast du das nicht mal gesagt?

Ich glaube, es gibt auch welche, die Motto heißen.

Wieso?

Das Motto denkt den Streich Till Eulenspiegels mit, in dem er vorgab, vom Rathausbalkon fliegen zu können und so die Magdeburger Bürgerschaft narrte.

An welchem Fenster hast du denn gelauscht?

Urs mag es nicht, wenn Rudi was weiß.  Als Rudi verletzt war, hatte er Gudrun für sich. Rudi hatte sich irgendwo verheddert und dabei  eine Zehe schwer verletzt. Und am anderen Fuß eine verloren. Es hing noch ein Stückchen Strippe an der Wunde. Urs stellte Gudrun nach, verjagte Rudi und Rudi blieb nichts übrig, als den beiden hinterher zu fliegen und sich immer in ihrer Nähe aufzuhalten. Zu sehnen und zu hoffen. Sobald Urs mal weg war, kam Gudrun gleich zu Rudi.

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Inzwischen sind die Wunden verheilt, er hat nur noch je drei Zehen. Je besser es Rudi ging, desto besser konnte er Urs wegjagen. Gudrun ist erfreut. Jetzt fliegt Urs mit Rudis schöner Schwester Ruccula.

Die Ottos Mottos sagen ja, miteinander gehen. Ja, deshalb brauchen sie den Fliegenlernen. Gucke.

„Fliegen lernen!lautet der extrabreite Motto, der zur Magdeburger Kulturnacht am 13. September 2014 das kulturelle Potential dieser Stadt erstmalig bündelt. Mit der »Kulturstraßenbahn« können die Besucher von Einrichtung zu Einrichtung fliegen.“

Waaaas? Die wollen mit einer Straßenbahn fliegen?

Was der Motto alles kann.

Ja, und manche glauben es ihm nicht. Die sagen: Wer fliegen lernen will, muss auch abheben können.

Wohl wahr, wohl wahr.

Die brauchen ein Upgrade. Up… da gehts hinauf. Der Grade wusste es. Hinauf Grade. Up Grade.

Na ja, wissen wir ja, er hat’s acht Meter up geschafft.

Aber ohne Kante zum Abstoßen. Und ohne Musik. Die Ottos denken bei UpGrade ja gleich an Musik.

Die Mottos auch?

Nee, die denken an Frühaufstehen.

Die da drin pennt aber immer ewig. Na, die war beim UpGrade.

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Machdeburch

the capital of early birds.

Was? Wollen die Ottos jetzt alle Vögel sein?

Die versuchen sogar so zu singen wie Vögel.

Versteh gar nichts mehr.

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Kinder vom See

Bis nach Berlin

5. Teil der Erinnerungen Der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

Januar 1807

Endlich nach 8 Tagen mühseliger Fahrt kamen wir nach Posen. Hier hatten wir noch Bekannte, unter anderen den Regierungsrat Borrmann mit seiner Frau, welche ein eigenes Haus in Posen hatten und deshalb nicht gern fort wollten. Diese nahmen uns freundlich auf und so hatte ich denn zum ersten Male nach unserer Abreise die Wonne mich umzuziehen und in einem Bett schlafen zu können. Wer es nie entbehrt hat, weiß es wirklich nicht zu schätzen, welche Annehmlichkeit es ist, sich alle Abende auszuziehen und seine müden Glieder in einem wohl gemachten Bette auszustrecken. Einen ganzen Tag konnten wir hier verweilen, dann setzten wir unsere beschwerliche Reise fort. –

Der Vaterstadt um so viel näher, glaubten wir, die größten Mühseligkeiten überstanden zu haben, aber wir hatten doch noch mit mancherlei Not zu kämpfen. So unter anderem mussten die Fuhrleute einen Mittag Halt machen, weil eine Kleinigkeit an einem Wagen auszubessern war. Ich freute mich sehr darüber, denn ich befand mich an diesem Tage sehr unwohl. Aber auch meine Freude verwandelte sich in Schrecken, denn das Haus, wo wir aussteigen mussten, war von den Franzosen gänzlich demoliert ohne Tür und Fenster. Eine alte Bank war noch da, worauf ich mich setzte, aber in kläglichem Zustand war. Da erbarmte sich ein alter Mann meiner, welcher in einem eigenen Wagen sich unserem Zuge angeschlossen hatte. Dieser machte in einem Kamin Feuer an und wärmte Putenbraten, welchen er bei sich hatte. Davon gab er mir. Das warme Essen tat mir wohl und nach einer Stunde etwa setzten wir unsere Reise fort.

Eines Abends kamen wir auch nach einem einsamen Hause, wo nur ein ganz alter Mann wohnte, welcher noch den siebenjährigen Krieg mit gemacht hatte. Dieser versicherte, er habe gar nichts zu essen. Ich schickte mich daher an, uns eine Suppe zu kochen, aber leider hatte ich vergessen, Salz mitzunehmen und der alte Mann versicherte, er habe keins. Zu allem Glück hatte mein Mann bemerkt, dass der alte Mann einen Schrank aufgeschlossen hatte, worin sich Salz befand. Mein Mann sagte es ihm auf den Kopf zu und versicherte, es ihm bezahlen zu wollen. Da rückte er denn damit heraus, sonst wäre unser kümmerliches Abendbrot ganz ungenießbar gewesen.

Endlich kamen wir nach Frankfurt, wo ich zum zweiten Mal auf dieser Reise ein gutes Bett besteigen konnte. Eine der schlimmsten Nächte war die letzte, ehe wir nach Berlin kamen. Wir übernachteten in einem Dorfe, ich glaube, es war Dahlwitz. Hier waren sehr viele Franzosen und wir musste in einem großen Saal des ganz neu erbauten Wirtshauses auf einer Streu die Nacht zubringen. Wir waren dicht zusammen gedrängt, Kopf an Kopf und eine so heiße feuchte Luft, dass ich fürchtete ersticken zu müssen. Da gelang es meinem Mann, in unserer Nähe ein Fenster zu öffnen, das war ein Glück, denn ich war einer Ohnmacht nahe.

Endlich am 31. Januar erreichten wir das heiß ersehnte Ziel und sahen unsere Vaterstadt Berlin wieder. Obgleich mein guter Vater das Haus voll Einquartierung hatte, so nahm er uns doch freundlich und gütig auf und die Ruhe war süß nach all den Beschwerden.

(Fortsetzung folgt)

Die Taube als Unheilsbote und Schutzgeist

Wenn in der literarischen Erzählung oder in der Lyrik ein Unheil droht, dann tauchen manchmal urplötzlich Tauben auf, obwohl sie mit der Handlung sonst nichts zu tun haben.  Sie sind die Zeichen drohender Gefahr – eine Art Unheilsverkünder.

Aus Siegfried Kracauers Roman „Ginster“ über den Ersten Weltkrieg: „Auf dem Residenzplatz wurden auch Tauben gefüttert, gezähmte Tauben für das Publikum, das sich durch die Verteilung von Brosamen zerstreunen und zugleich wohltätig erweisen konnte – Ginster kümmerte sich nicht um die Täubchen, sondern entzückte sich an den kriegerischen Märschen und dem Paradeschritt der Kompanie.“

Aus einem Gedicht von Irma Geisslová:

Das Girrn der Turteltauben – für mich Schakalsgeheul

und Ruhe wie Gewitterswut;

und in den weißen Morgennebeln seh ich

den Dampf von frischem Blut.

Bei den Germanen galten Tauben, Elstern und der Kuckuck als Boten des Todes. Nach der Ankündigung des Unheils sind sie dann wieder wohltuend. Aus dem Mund eines jeden Sterbenden soll eine Taube herausfliegen. Sie ist der Schutzgeist, der die Seele des Gestorbenen ins Jenseits begleitet.

Sind Tauben deshalb zum Symbol des Friedens geworden?

SAM_6025Rudi ohne Arg

Im Aschenputtel-Märchen sind die Tauben die Gesandten der gestorbenen Mutter, die das Töchterlein behüten:

Einem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank, und als sie fühlte, dass ihr Ende herankam, rief sie ihr einziges Töchterlein zu sich ans Bett und sprach: „Liebes Kind, bleibe fromm und gut, so wird dir der liebe Gott immer beistehen, und ich will vom Himmel auf dich herabblicken, und will um dich sein.“ Darauf tat sie die Augen zu und verschied. Das Mädchen ging jeden Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinte, und blieb fromm und gut. Als der Winter kam, deckte der Schnee ein weisses Tüchlein auf das Grab, und als die Sonne im Frühjahr es wieder herabgezogen hatte, nahm sich der Mann eine andere Frau. Die Frau hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, die schön und weiss von Angesicht waren, aber garstig und schwarz von Herzen. Da ging eine schlimme Zeit für das arme Stiefkind an. „Soll die dumme Gans bei uns in der Stube sitzen!“ sprachen sie, „wer Brot essen will, muss verdienen: hinaus mit der Küchenmagd!“ Sie nahmen ihm seine schönen Kleider weg, zogen ihm einen grauen, alten Kittel an und gaben ihm hölzerne Schuhe. „Seht einmal die stolze Prinzessin, wie sie geputzt ist!“ riefen sie, lachten und führten es in die Küche. Da musste es von Morgen bis Abend schwere Arbeit tun, früh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Obendrein taten ihm die Schwestern alles ersinnliche Herzeleid an, verspotteten es und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche, so dass es sitzen und sie wieder auslesen musste. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern musste sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah, nannten sie es Aschenputtel.

Es trug sich zu, dass der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen sollte. „Schöne Kleider,“ sagte die eine, „Perlen und Edelsteine,“ die zweite. „Aber du, Aschenputtel,“ sprach er, „was willst du haben?“ – „Vater, das erste Reis, das Euch auf Eurem Heimweg an den Hut stösst, das brecht für mich ab!“ Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Haselreis und stiess ihm den Hut ab. Da brach er das Reis ab und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, ging zu seiner Mutter Grab und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, dass die Tränen darauf niederfielen und es begossen. Es wuchs aber und ward ein schöner Baum. Aschenputtel ging alle Tage dreimal darunter, weinte und betete, und allemal kam ein weisses Vöglein auf den Baum, und wenn es einen Wunsch aussprach, so warf ihm das Vöglein herab, was es sich gewünscht hatte.

Es begab sich aber, dass der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn eine Braut aussuchen möchte. Die zwei Stiefschwestern, als sie hörten, dass sie auch dabei erscheinen sollten, waren guter Dinge, riefen Aschenputtel und sprachen: „Kämm uns die Haare, bürste uns die Schuhe und mache uns die Schnallen fest, wir gehen zur Hochzeit auf des Königs Schloss.“ Aschenputtel gehorchte, weinte aber, weil es auch gern zum Tanz mitgegangen wäre, und bat die Stiefmutter, sie möchte es ihm erlauben. „Aschenputtel,“ sprach sie, „bist voll Staub und Schmutz, und willst zur Hochzeit? Du hast keine Kleider und Schuhe, und willst tanzen!“ Als es aber mit Bitten anhielt, sprach sie endlich: „Da habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet, wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast, so sollst du mitgehen.“ Das Mädchen ging durch die Hintertür nach dem Garten und rief:

Ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir lesen,die guten ins Töpfchen,die schlechten ins Kröpfchen.

Da kamen zum Küchenfenster zwei weisse Täubchen herein, und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und liessen sich um die Asche nieder. Und die Täubchen nickten mit den Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körnlein in die Schüssel. Kaum war eine Stunde herum, so waren sie schon fertig und flogen alle wieder hinaus. Da brachte das Mädchen die Schüssel der Stiefmutter, freute sich und glaubte, es dürfte nun mit auf die Hochzeit gehen. Aber sie sprach: „Nein, Aschenputtel, du hast keine Kleider, und kannst nicht tanzen: du wirst nur ausgelacht.“ Als es nun weinte, sprach sie: „Wenn du mir zwei Schüsseln voll Linsen in einer Stunde aus der Asche rein lesen kannst, so sollst du mitgehen,“ und dachte: „Das kann es ja nimmermehr.“ Als sie die zwei Schüsseln Linsen in die Asche geschüttet hatte, ging das Mädchen durch die Hintertür nach dem Garten und rief:

Ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, kommt und helft mir lesen, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.

Da kamen zum Küchenfenster zwei weisse Täubchen herein und danach die Turteltäubchen, und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein und liessen sich um die Asche nieder. Und die Täubchen nickten mit ihren Köpfchen und fingen an pick, pick, pick, pick, und da fingen die übrigen auch an pick, pick, pick, pick, und lasen alle guten Körner in die Schüsseln. Und ehe eine halbe Stunde herum war, waren sie schon fertig, und flogen alle wieder hinaus. Da trug das Mädchen die Schüsseln zu der Stiefmutter, freute sich und glaubte, nun dürfte es mit auf die Hochzeit gehen. Aber sie sprach: „Es hilft dir alles nichts: du kommst nicht mit, denn du hast keine Kleider und kannst nicht tanzen; wir müssten uns deiner schämen.“ Darauf kehrte sie ihm den Rücken zu und eilte mit ihren zwei stolzen Töchtern fort.

Als nun niemand mehr daheim war, ging Aschenputtel zu seiner Mutter Grab unter den Haselbaum und rief:

Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,

Wirf Gold und Silber über mich.

Da warf ihm der Vogel ein golden und silbern Kleid herunter und mit Seide und Silber ausgestickte Pantoffeln. In aller Eile zog es das Kleid an und ging zur Hochzeit. Seine Schwestern aber und die Stiefmutter kannten es nicht und meinten, es müsse eine fremde Königstochter sein, so schön sah es in dem goldenen Kleide aus. An Aschenputtel dachten sie gar nicht und dachten, es sässe daheim im Schmutz und suchte die Linsen aus der Asche. Der Königssohn kam ihm entgegen, nahm es bei der Hand und tanzte mit ihm. Er wollte auch sonst mit niemand tanzen, also dass er ihm die Hand nicht losliess, und wenn ein anderer kam, es aufzufordern, sprach er: „Das ist meine Tänzerin.“ Es tanzte bis es Abend war, da wollte es nach Hause gehen. Der Königssohn aber sprach: „Ich gehe mit und begleite dich,“ denn er wollte sehen, wem das schöne Mädchen angehörte. Sie entwischte ihm aber und sprang in das Taubenhaus. Nun wartete der Königssohn, bis der Vater kam, und sagte ihm, das fremde Mädchen wär in das Taubenhaus gesprungen. Der Alte dachte: „Sollte es Aschenputtel sein?“ und sie mussten ihm Axt und Hacken bringen, damit er das Taubenhaus entzweischlagen konnte; aber es war niemand darin. Und als sie ins Haus kamen, lag Aschenputtel in seinen schmutzigen Kleidern in der Asche, und ein trübes Öllämpchen brannte im Schornstein; denn Aschenputtel war geschwind aus dem Taubenhaus hinten herabgesprungen, und war zu dem Haselbäumchen gelaufen: da hatte es die schönen Kleider abgezogen und aufs Grab gelegt, und der Vogel hatte sie wieder weggenommen, und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Küche zur Asche gesetzt.

Am andern Tag, als das Fest von neuem anhub, und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren, ging Aschenputtel zu dem Haselbaum und sprach:

Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,

Wirf Gold und Silber über mich!

Da warf der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab als am vorigen Tag. Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien, erstaunte jedermann über seine Schönheit. Der Königssohn aber hatte gewartet, bis es kam, nahm es gleich bei der Hand und tanzte nur allein mit ihm. Wenn die andern kamen und es aufforderten, sprach er: „Das ist meine Tänzerin.“ Als es nun Abend war, wollte es fort, und der Königssohn ging ihm nach und wollte sehen, in welches Haus es ging: aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus. Darin stand ein schöner grosser Baum, an dem die herrlichsten Birnen hingen, es kletterte so behend wie ein Eichhörnchen zwischen die Äste, und der Königssohn wusste nicht, wo es hingekommen war. Er wartete aber, bis der Vater kam, und sprach zu ihm: „Das fremde Mädchen ist mir entwischt, und ich glaube, es ist auf den Birnbaum gesprungen.“ Der Vater dachte: „Sollte es Aschenputtel sein?“ liess sich die Axt holen und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und als sie in die Küche kamen, lag Aschenputtel da in der Asche, wie sonst auch, denn es war auf der andern Seite vom Baum herabgesprungen, hatte dem Vogel auf dem Haselbäumchen die schönen Kleider wiedergebracht und sein graues Kittelchen angezogen.

Am dritten Tag, als die Eltern und Schwestern fort waren, ging Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab und sprach zu dem Bäumchen:

Bäumchen, rüttel dich und schüttel dich,

Wirf Gold und Silber über mich!

Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig und glänzend, wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden. Als es in dem Kleid zu der Hochzeit kam, wussten sie alle nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer aufforderte, sprach er: „Das ist meine Tänzerin.“

Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm so geschwind, dass er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen: da war, als es hinabsprang, der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn hob ihn auf, und er war klein und zierlich und ganz golden. Am nächsten Morgen ging er damit zu dem Mann und sagte zu ihm: „Keine andere soll meine Gemahlin werden als die, an deren Fuss dieser goldene Schuh passt.“ Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füsse. Die älteste ging mit dem Schuh in die Kammer und wollte ihn anprobieren, und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der grossen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach: „Hau die Zehe ab: wenn du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuss zu gehen.“ Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuss in den Schuh, verbiss den Schmerz und ging hinaus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Sie mussten aber an dem Grabe vorbei, da sassen die zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen und riefen:

Rucke di guck, rucke di guh,

Blut ist im Schuh.

Der Schuh ist zu klein,

Die rechte Braut sitzt noch daheim.

Da blickte er auf ihren Fuss und sah, wie das Blut herausquoll. Er wendete sein Pferd um, brachte die falsche Braut wieder nach Hause und sagte, das wäre nicht die rechte, die andere Schwester solle den Schuh anziehen. Da ging diese in die Kammer und kam mit den Zehen glücklich in den Schuh, aber die Ferse war zu gross. Da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach: „Hau ein Stück von der Ferse ab: wann du Königin bist, brauchst du nicht mehr zu Fuss gehen.“ Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab, zwängte den Fuss in den Schuh, verbiss den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, sassen die zwei Täubchen darauf und riefen:

 Rucke di guck, rucke di guh,

Blut ist im Schuh.

Der Schuh ist zu klein,

Die rechte Braut sitzt noch daheim.

Er blickte nieder auf ihren Fuss und sah, wie das Blut aus dem Schuh quoll und an den weissen Strümpfen ganz rot heraufgestiegen war. Da wendete er sein Pferd und brachte die falsche Braut wieder nach Hause. „Das ist auch nicht die rechte,“ sprach er, „habt ihr keine andere Tochter?“ – „Nein,“ sagte der Mann, „nur von meiner verstorbenen Frau ist noch ein kleines verbuttetes Aschenputtel da: das kann unmöglich die Braut sein.“ Der Königssohn sprach, er sollte es heraufschicken, die Mutter aber antwortete: „Ach nein, das ist viel zu schmutzig, das darf sich nicht sehen lassen.“ Er wollte es aber durchaus haben, und Aschenputtel musste gerufen werden. Da wusch es sich erst Hände und Angesicht rein, ging dann hin und neigte sich vor dem Königssohn, der ihm den goldenen Schuh reichte. Dann setzte es sich auf einen Schemel, zog den Fuss aus dem schweren Holzschuh und steckte ihn in den Pantoffel, der war wie angegossen. Und als es sich in die Höhe richtete und der König ihm ins Gesicht sah, so erkannte er das schöne Mädchen, das mit ihm getanzt hatte, und rief: „Das ist die rechte Braut.“ Die Stiefmutter und die beiden Schwestern erschraken und wurden bleich vor Ärger: er aber nahm Aschenputtel aufs Pferd und ritt mit ihm fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, riefen die zwei weissen Täubchen:

Rucke die guh, rucke di guh,
Kein Blut im Schuh.
Der Schuh ist nicht zu klein,
Die rechte Braut, die führt er heim.

Und als sie das gerufen hatten, kamen sie beide herabgeflogen und setzten sich dem Aschenputtel auf die Schultern, eine rechts, die andere links, und blieben da sitzen.

Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden, kamen die falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und teil an seinem Glück nehmen. Als die Brautleute nun zur Kirche gingen, war die älteste zur rechten, die jüngste zur linken Seite: da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus. Hernach, als sie herausgingen, war die älteste zur linken und die jüngste zur rechten: da pickten die Tauben einer jeden das andere Auge aus. Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit Blindheit auf ihr Lebtag bestraft.

Nee nee

4. Teil der Erinnerungen Der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

So rückte denn endlich der Tag unserer Abreise heran. Ich hatte meine ganze Wirtschaft auseinandergesetzt, alle Wäsche, Kleidungsstücke, unser weniges Silberzeug und Betten eingepackt. Alles Übrige mussten wir zurück lassen. Einige Möbel, welche wir vor kurzem aus Berlin hatten kommen lassen, wurden wir noch glücklich für den Preis los, welchen wir gegeben hatten, so dass wir nur die Transportkosten verloren. Aber alles andere mussten wir, wie gesagt, fremden Händen übergeben. Vorzüglich leid getan hat uns ein Servis von englischem Fajanze zu 18 Personen, was wir uns auch erst angeschafft hatten und noch ganz komplett war. – Den Frachtwagen, den wir einnehmen wollten, hatten wir inwendig mit Matten versehen lassen und an den Seiten auch noch Matratzen anbinden lassen. Hinten lagen unsere Betten und in der Mitte standen nebeneinander zwei …<das war nicht zu entziffern> , welche uns zum Sitze dienten. Darüber wurde eine Wolfsdecke gebreitet, welche uns mein Schwager Böse bei unserer Abreise nach Posen geschenkt hatte. Zu unseren Füssen stand die Wiege unserer lieben Luise, welche jeden Abend heruntergenommen wurde, damit unser liebes Kindchen wenigstens immer sein gewohntes Lager hatte. Außerdem nahm ich einen Flaschenkorb mit Wein, Rum, Bouillon und Milch mit, welche letztere ich täglich zu erneuern gedachte, damit meine Luise immer etwas zu trinken hatte. Aber auch meine Vorsicht war vergebens, es fror alles ein, im Wagen konnten wir keinen Gebrauch davon machen.

Endlich am 16. Januar 1807 gegen Mittag traten wir unsere Reise an, von den freundlichen Wünschen der G.R. Kosiorowska begleitet. Gegen Abend kamen wir nach einem kleinen Ort Blogue, 2 oder 3 Meilen von Warschau entfernt. Hier gedachten wir uns durch ein gutes Abendbrot zu stärken, aber wir wurden sehr getäuscht. Man führte uns in einen großen Saal, der von Polen und Deutschen ganz angefüllt war. Als wir Essen verlangten, hieß es, wir müssten warten, bis die Franzosen, welche in einem Nebenzimmer aßen, fertig waren. Endlich bekamen wir eine sehr schlechte dünne Suppe, mehr Wasser als Bouillon mit etwas Fleisch und Semmel darin, wahrscheinlich was die Franzosen übrig gelassen hatten und dann verlängert worden war. Aber wir waren hungrig geworden, also aßen wir es geduldig herunter. Mein guter Mann musste sich nun bequemen, unsere Betten vom Wagen zu holen, davon wurde ein Lager bereitet. In der Mitte erhielt ich einen Platz, auf der einen Seite das Mädchen, auf der anderen mein Mann und zu unseren Füssen die Wiege mit unserem lieben Kinde. Der ganze Saal war übrigens mit Schläfern aller Art angefüllt, welche sich so gut es gehen wollte, ein Lager bereitet hatten. Das war das erste Mal in meinem Leben, so ich in so großer Gesellschaft schlief. Von Ausziehen konnte natürlich keine Rede sein. So brachten wir die Nacht unter mancher Störung hin und endlich gegen 6 Uhr morgens trat der Frachtfuhrmann mit einer trüben Stalllaterne ein und ermahnte die Schläfer aufzustehen. Da die Toilette keine Zeit wegnahm, waren wir bald bereit. Thee bekamen wir, welcher in Polen fast allgemein gut bereitet wird und so machten wir uns beim werdenden Tage wieder auf den Weg. –

Januar 1807

Außer dem Frachtwagen, welchen wir einnahmen, fuhren noch zwei andere mit, auf denen sich noch andere Personen befanden, unter anderem ein ehemaliger Unteroffizier und 3 Handwerksburschen. Ersterer gesellte sich ganz zu uns und war bei jeder Gelegenheit sehr dienstfertig, war aber recht eigentlich ein Filou, denn er war nur auf seinen Vorteil bedacht. Die letzteren hatten großes Mitleid mit mir und suchten mir immer etwas abzunehmen, wenn ich etwas trug. Ich befand mich damals in einer Lage, wo mir das lange Sitzen oft recht beschwerlich war, so dass wenn wir des Abends aussteigen wollten, ich oft ganz verlahmt war, so dass mich mitunter der Vater vom Wagen heruntertragen musste. Oft war ich meiner lieben Luise wegen recht besorgt, denn die Fuhrleute hielten oftmals des Mittags nicht an, weil sie die wenigen Tagesstunden zum Fahren benutzen wollten. Das war nun recht übel für mein armes Kindchen. Anfangs machte ich des Morgens Bratäpfel, welche ich so gut wie nur irgend möglich war zu erhalten suchte, aber das musste ich bald aufgeben, den die arme Kleine bekam danach Dirrehö. Da wusste ich mir oft nicht anders zu helfen, als dass ich Semmel kaute und sie damit notdürftig fütterte, wie weh taten mir die Tränen des armen Kindes, denn sie mag wohl mitunter vor Hunger geweint haben. Dennoch war sie dabei meist munter und wohl und hübsch wie ein Engel, so dass sie alle Herzen gewann. Die Frachtfuhrleute nannten sie nicht anders als „unser Kind“ und sie fürchtete nicht die bärtigen Männer, sondern ging bei ihnen auf den Arm und biss von ihrer Schmalzsemmel ab, welche sie ihr beim Aussteigen reichten. Wenn sie wieder in den fatalen dunklen Wagen sollte, rief sie oft „nee nee“ und suchte alle ihre kleinen Künste hervor, in der Hoffnung dies würde helfen.

So setzen wir unter mehr oder minder Beschwerden unsere Reise fort; die Fuhrleute vermieden die großen Strassen, aus Furcht vielen Franzosen zu begegnen, also hatten wir immer die allerschlechtesten Nachtquartiere, schliefen mit vielen Menschen zusammen auf der Erde und gewöhnlich hieß es immer, wenn wir etwas zu essen haben wollten: „Wir haben nur Viehkartoffeln.“ Denn sie fürchteten, wir würden wie die Franzosen nichts bezahlen. Eines Abends, als wir uns schon mit vielen Leuten niedergelegt hatten, die Stube war wirklich so voll, dass man nicht treten konnte, hörte ich, dass meine Luise ganz kläglich rief: „nee, nee“. Da richtete ich mich auf und sah zu meinem Schrecken, dass eine große Katze auf ihrer Wiege saß. Ich bat nun, dass man mir erlauben möchte, die Katze herauszutransportieren, aber ich fand kein Gehör, keiner wollte sich entschliessen, seinen mühsam eingerichteten Platz zu verlassen. Mit Mühe erlangte ich, dass die Nacht über eine Lampe brennen durfte und Vater und ich bewachten abwechselnd unser Kind. An einem anderen Tage des Morgens, hatte ich auf einen Augenblick das Zimmer verlassen, um nach einer Nacht, welche wir in einer dumpfen, heißen Stube zugebracht hatten, etwas frische Luft zu schöpfen und mich wo möglich etwas zu waschen. Dem Mädchen aber hatte ich geheissen, nicht vom Kinde zu gehen, dieses aber hatte mein Gebot übertreten und so fand ich denn, als ich hereintrat einen großen Hund, welcher seinen Kopf vertraulich in die Wiege steckte und das Kindchen spielte freundlich mit seinen Barthaaren. Ich erschrak im ersten Augenblick, aber beim Nähertreten sah ich, wie der Hund mit treuherzigen Augen das Kind betrachtete, es wäre ein wunderhübsches Genrebild geworden, wenn ein Maler bei der Hand gewesen wäre. So wechselten erträgliche und böse Stunden mit einander ab. Am Ende eines kalten Tages, wo ich recht durchgefroren war, bot mir eine Frau beim Aussteigen aus dem Wagen, einen rohen Kälberbraten zum Verkauf an, ich antwortete, dass ich auf der Reise begriffen, nichts damit anzufangen wisse, doch die Frau beschwor mich mit Tränen, ihr doch nur das Fleisch abzukaufen, so dass ich ihrem Bitten nicht widerstehen konnte. Wir quartierten uns an diesem Tage bei einem Stellmacher ein, gute, freundliche Leute, unsere gefällige Wirtin erbot sich, mir ein halbes Pfund Butter abzulassen und den Braten sogleich zum Bäcker zu bringen, damit er am anderen Morgen fertig wäre. Das nahm ich dankbar an. Die Nacht verbrachten wir zwar wieder auf der Erde, aber doch nur in Gesellschaft von unserem dienstwilligen Unteroffizier und von zutraulichen Mäuschen zu, welche ganz gemächlich über uns weg spazierten, aber zu allem Glück den festen Schlaf meines lieben Mannes nicht störten, denn dieser würde sehr ungehalten über die ungerufenen Gesellschafter geworden sein.

Am anderen Morgen um 6 Uhr, als wir eben unseren Kaffee tranken, trat unsere freundliche Wirtin mit der dampfenden Bratpfanne herein. Wer war froher als wir. Seit mehreren Tagen den Genuss des frischen Fleisches entbehrt, duftete uns der schöne Braten so angenehm entgegen, dass wir uns nicht lange besannen, sondern uns um die Bratpfanne versammelnd eine gute Mahlzeit machten. In meinem Leben hat mir wohl an einer gut besetzten Tafel das schönste Gericht nicht so schön geschmeckt als dieses ungewöhnliche Frühstück. Der Überrest wurde eingepackt und mit dankbarem Herzen nahmen wir von unseren guten Wirtsleuten Abschied. –

Einmal auf dieser Reise hatte ich Gelegenheit einen sonderbaren Streit zu schlichten. Wir brachten die Nacht mit mehreren Franzosen in einem Wirtshaus zu. Als ich eintrat, fand ich dieselben in einem lebhaften Streit mit der Wirtin begriffen. Die Franzosen versicherten, dass, wenn die Frau ihnen Biersuppe gebe, sie dieselbe mit samt der Terrine an den Balken werfen würden, dagegen sagte die Wirtin wiederholentlich, die Herren möchten sich doch beruhigen, sie wolle ihnen gar zu gern Biersuppe kochen. Ich verdeutschte der Frau so gut wie möglich die Rede der Franzosen und so war die Ruhe wieder hergestellt.

(Fortsetzung folgt)