Brauner Hirsch von Magdeburg lässt sich in Berlin vergolden UND HÖRT KLEZMERmusik

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Oder was man so alles zu sehen bekommt, wenn man einen Zug verpasst und dann für sich herumspaziert.

Bahn baut in Berlin. Strecken sind gesperrt. Ich schau einmal nicht ins Inter-Netz, schon bekomme ich die Bahnänderungen nicht mit, muss alles am eigenen Leib erfahren, das Fahrrad mit dabei, eine Tasche Lebensmittel von daheim auf dem Rücken gebuckelt. Treppen hoch. Keine Leute auf dem Bahnsteig, nur zwei, drei Penner. Treppe herunter und hoch, mich und die Sachen in die S-Bahn verfrachtet. Dann am Zielbahnhof kurz die Anzeigetafel gecheckt: MAGDEBURG 08:19 Uhr. Es ist eben 08:19 Uhr. Die Minute. Der Zug bestimmt weg. Manchmal aber gibt es ja Verspätungen? Trotzdem mich und alle Klamotten noch einmal mobilisiert und rasch mit meinen Lasten die letzte Treppe zum Bahnsteig hoch,  der Zug steht noch, flink auf den Knopf gedrückt, der rot aufleuchtet und damit sagt: Nix da Herrschaften, wir fahren ohne euch ab. Da sind nämlich noch ein paar andere mit mir herangestürmt. Also wieder alles zur Ebene herunter auf den Bürgersteig gebracht, und dann ganz ruhig aufgesessen, mit dem Gepäck und dem Rad kleine Rundfahrt gemacht, ab Bahnhof Zoologischer Garten bis zur großen Straße hinterm Hotel Interconti, Esplanade, wer will das wissen, hin. Mir sind sie alle egal, diese Angeber-Hotels. Nur dort drehen sie einen Film, zwei Kräne für eine Fassade nach hinten heraus, haben sie errichtet, Irrsinn. Für Kameras, die nichts weiter als Glas und Glas filmen werden, sie abfahren hoch und runter, um oben auf dem Dach vielleicht den Selbstmörder nach dem Skript zu filmen, wie er springen will und dann klingelt sein handy und teilt ihm mit, dass er ein Lotto- oder sonst der Gewinnertyp ist oder so? Dann auf der Rückradfahrt, habe ich ihn gesehen oder er mich? Dieser Hirsch, der rechts neben dem Rathaus Magdeburg steht, dort in kastanienbraun mit einer goldenen Kette. Dieser her hat es gleich richtig gemacht, ist in die Vollen gegangen, hat sich vergolden lassen, am ganzen Leibe sieht er nun aus wie die Frau bei James Bond, die mit Blattgold überzogen ihren Löffel abgegeben hat, wie man so sagt.

FOLTTE KLÄNGE IM FORUM TROTZ WEGSPERRUNG DURCH MICH SLEBST

Kein Fotobeweis, nix. Ich war da, aber ohne alles, weil – ich habe mich ausgesperrt. Fahrrad erst raus, dann: Ach, bei dieser Hitze nicht, der Weg zum Forum Gestaltung ist ja so weit nicht. Also Fahrrad wieder rein und – ach, der arme kleine Baum, irgendwer hat ihn in den Flur neben meine Tür gestellt, braucht Wasser. Also wieder rein mit mir und die Flasche voll, soll er sich satt saufen. Und mechanisch dabei die Tür zugezogen. Alles schon erledigt – also Fenster sorglich zugemacht, Tasche gepackt. Schlüssel von innen stecken lassen. Na da steckt der Schlüssel aber gut. Ich so einen Hals mit Rüssel wegen dem Schlüssel und meinem Schussel, ich Schlüsseldussel. Nun stand ich da mit wirrem Haar und nichts als einem T-Shirt plus kurzärmliges Hemd mit Brusttasche für Zigaretten, Lesebrille.

Und ab also ins ForumMontag, 31. August 2015, 19.30 Uhr Benefizkonzert für die neue Synagoge in Magdeburg: Klezmers Techter, bestehend aus Gabriela Kaufmann (Klarinette, Bassklarinette), Almut Schwab (Akkordeon, Flöten, Hackbrett) und Nina Hacker (Kontrabass), alle drei aus Mainz stammend mit ihrem neuen Programm „MAYIM“, einen Bogen von freien Improvisationen bis hin zu traditionellen Interpretationen jiddischer Musik- faszinierend und facettenreich. Alles nachträglich aus dem Netz gefischt, denn ich habe ja meine Umhängetasche hinter der verschlossenen Tür, prima, sauber abgestellt und zurückgelassen. Also habe ich auch kein kein Notizbuch, es mir aufzuschreiben dabei. Not+izen = Not-izen oder im englischen „please not izen“, was so viel heißt wie: nicht mitschreiben, füttern wie auch immer, hihi, haha.

Die drei Frauen waren spitze bis ordentlich free-jazzig, also dreimal unterschiedliche Charaktere. Die eine konzentriert und erfreut am Bass, die andere beschäftigt mit den zwei Klarinetten und dem Mikrophon, das sie zu jedem Titel abnahm und wieder wegsteckte und sich dann auch noch ins Kabel verstrickte. Sie meinte an Dinner for one“ denken zu müssen. Die auffälligste lebensfroh, lachend und Faxen treibend, glaubhaft, ich erlebte sie nach dem Konzert, die drei sind authentisch. Es macht Laune ihnen zuzuhören, dazu rocken und abhotten wäre natürlich angebracht, so aber saßen wir brav an der Technik, dem Mischpult für Ton & Licht – ich und der Pohlmann. Der wurde nach dem Konzert wichtig, was meine Tür angeht. Der stellte den Draht zum Hausmeister her. Und für den war es ein Kli-kla-Klacks, die Tür wieder aufzubekommen

Aufregend der Umstand, dass ich im Hotel übernachtet habe, bei weit geöffnetem Fenster und viel viel Krach. Das Hotel ist okay bis bestens. Vor ihm steht das halbierte Monument der Halbkugeln zu Magdeburg von Otto angezettelt, der ihnen die Luft absog und gegen sechzehn Pferde der starke Otto blieb.

 

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