Bis nach Berlin

5. Teil der Erinnerungen Der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise Caroline   Kienitz, geb.  Ransleben

Januar 1807

Endlich nach 8 Tagen mühseliger Fahrt kamen wir nach Posen. Hier hatten wir noch Bekannte, unter anderen den Regierungsrat Borrmann mit seiner Frau, welche ein eigenes Haus in Posen hatten und deshalb nicht gern fort wollten. Diese nahmen uns freundlich auf und so hatte ich denn zum ersten Male nach unserer Abreise die Wonne mich umzuziehen und in einem Bett schlafen zu können. Wer es nie entbehrt hat, weiß es wirklich nicht zu schätzen, welche Annehmlichkeit es ist, sich alle Abende auszuziehen und seine müden Glieder in einem wohl gemachten Bette auszustrecken. Einen ganzen Tag konnten wir hier verweilen, dann setzten wir unsere beschwerliche Reise fort. –

Der Vaterstadt um so viel näher, glaubten wir, die größten Mühseligkeiten überstanden zu haben, aber wir hatten doch noch mit mancherlei Not zu kämpfen. So unter anderem mussten die Fuhrleute einen Mittag Halt machen, weil eine Kleinigkeit an einem Wagen auszubessern war. Ich freute mich sehr darüber, denn ich befand mich an diesem Tage sehr unwohl. Aber auch meine Freude verwandelte sich in Schrecken, denn das Haus, wo wir aussteigen mussten, war von den Franzosen gänzlich demoliert ohne Tür und Fenster. Eine alte Bank war noch da, worauf ich mich setzte, aber in kläglichem Zustand war. Da erbarmte sich ein alter Mann meiner, welcher in einem eigenen Wagen sich unserem Zuge angeschlossen hatte. Dieser machte in einem Kamin Feuer an und wärmte Putenbraten, welchen er bei sich hatte. Davon gab er mir. Das warme Essen tat mir wohl und nach einer Stunde etwa setzten wir unsere Reise fort.

Eines Abends kamen wir auch nach einem einsamen Hause, wo nur ein ganz alter Mann wohnte, welcher noch den siebenjährigen Krieg mit gemacht hatte. Dieser versicherte, er habe gar nichts zu essen. Ich schickte mich daher an, uns eine Suppe zu kochen, aber leider hatte ich vergessen, Salz mitzunehmen und der alte Mann versicherte, er habe keins. Zu allem Glück hatte mein Mann bemerkt, dass der alte Mann einen Schrank aufgeschlossen hatte, worin sich Salz befand. Mein Mann sagte es ihm auf den Kopf zu und versicherte, es ihm bezahlen zu wollen. Da rückte er denn damit heraus, sonst wäre unser kümmerliches Abendbrot ganz ungenießbar gewesen.

Endlich kamen wir nach Frankfurt, wo ich zum zweiten Mal auf dieser Reise ein gutes Bett besteigen konnte. Eine der schlimmsten Nächte war die letzte, ehe wir nach Berlin kamen. Wir übernachteten in einem Dorfe, ich glaube, es war Dahlwitz. Hier waren sehr viele Franzosen und wir musste in einem großen Saal des ganz neu erbauten Wirtshauses auf einer Streu die Nacht zubringen. Wir waren dicht zusammen gedrängt, Kopf an Kopf und eine so heiße feuchte Luft, dass ich fürchtete ersticken zu müssen. Da gelang es meinem Mann, in unserer Nähe ein Fenster zu öffnen, das war ein Glück, denn ich war einer Ohnmacht nahe.

Endlich am 31. Januar erreichten wir das heiß ersehnte Ziel und sahen unsere Vaterstadt Berlin wieder. Obgleich mein guter Vater das Haus voll Einquartierung hatte, so nahm er uns doch freundlich und gütig auf und die Ruhe war süß nach all den Beschwerden.

(Fortsetzung folgt)

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