Ankunft meiner Romanfiguren in Magdeburg

DAS KLOSTER unser lieben Frauen ist voller Plastiken, wie eine schwangere setzt sie ihre Kinder in die Stadt. Magdeburg ist reich an Plastiken. Muss schon schön gewesen sein hier, als die Häuser bunt angepinselt waren und Zeitungshütten wie Kakteen aussahen.

eiserne-jungfrau-b1b8a470-207b-4017-a39a-0e365cb1778c

JETZT ALSO LAUFEN DIE VORBEREITUNGEN AUF HOCHTOUREN. MEINE LITERARISCHE HAUPTFIGUR KOMMT DAS WOCHENENDE NACH MAGDEBURG. Ich werde ihren Aufenthalt dokumentieren und ausführlich beschreiben. Der überraschende Besuch in dieser Stadt wird dann den Roman ausklingen lassen. Am Ende bringt mein männlicher Hauptheld (Ich werde diesen Part höchstpersönlich übernehmen!) der Hauptperson das freihändige Motorradfahren bei, und sie sind davon dann beide mehr als himmel-high. Wichtiger Bestand für die Romanarbeit sollen Magdeburgs Denkmäler, Plastiken und Skulpturen sein, die unter den Blicken zweier Verliebter recht eindeutig anders, sinnlicher bis sexueller angesehen werden müssen. Und es wird der Platz gefunden werden, auf dem sich die Geschichte abspielt. Alles absolute Sondererlebnisse und ab heute taufrisch und hautnah zu erleben. Man wird uns, wenn man mag und uns erkennt, in ganz Magdeburg mit unseren Fahrrädern unterwegs sehen.

VORGENOMMENE HANDLUNG: Sie kommen an und zum Bahnhofsgebäude hinaus und gehen vom Bahnhof aus auf die Erdachse zu, unterirdisch von einem Motor in Bewegung gehalten. So viel kann er ihr erklären, und dass die Stange genau die Schieflage unserer Erdachse darstellt. Sie sieht die Achse sexueller.

Natürlich ist der Faunbrunnen sofort ihr Lieblingsort, auch wegen der recht eindeutigen sexuellen Bezüge und Darstellung von Lust und Liebe. Oben schnäbelt ein Turteltaubenpaar und unten blinzelt eine nackte Schöne zu einem jungen nackten Mann herüber. Sie schauen sich beide tief in die Augen. Zum Kuss kommt es nicht.

Den Dichter Arendt sagt er habe er kennen gelernt, der quasselte dauernd von der Antike, wie sie damals den Phallus verehrt und zum Kult getrieben haben. Die Libido hört nimmer auf, hat er immer gesagt. Hier steht er auf keinen Sockel, sondern irgendwie auf einem Teufelsbein oder Walfischpenis, je nach dem wie man seine Phantasie lenkt.

Und beide umrunden sie das Figurenpaar Werra und Saale. Sie links herum, ihm entgegen kommend, an ihm vorbei, der rechts herum die Figuren umrundet. Sie nennt die beiden traurige, alberne Zicken, die sich spinnefeind sind, nicht zusammen sein wollen und doch müssen, weil es in der Natur der Dinge liegt, zwei Flüsse sich zu einem Flus vereinen und sie hier auf dem Sockel festsitzen. Er mag die beiden Damen, weil sie derb geformt und sehr handlich sind und, weil sie ihn zum Hingucken verführen, ihn aufzufordern scheinen, sie anzufassen, anzupacken. Vor allem die Figur, die ihr Bein auf den Sockel gestellt hat und weit gebreitet dasitzt, dass man alles von ihrer Weiblichkeit sehen kann, gefällt ihm in ihrer Schamlosigkeit und Offenheit.

Das Tor zum Kloster zeigt eine schöne Frau und junge Liebende, einander zugewandt, heranreifende Liebeslust wird spürbar.

Die Kollwitz am Kollwitzplatz sitzt hier in der Regierungsstrasse.

Die Europa hockt auf einem eher jungen, schlanken Stier und sieht im Schattenriss Don Quichot ähnlich. Marionettenhaft, spielerisch angedeutet sitzt sie auf dem Tier, schwebend leicht, von unsichtbaren Fäden gehalten.

Eine männliche Figur, die sich die Arme vors Gesicht hält und 13. Februar 1945 heißt, ist ein Zwischenwesen, halb Mann, halb ein Ding, ein Alien aus dem gleichen Material geformt. Und dann muss sie kichern. Der große schreitende Mann hat seine Figur, sagt sie, und auch die Größe seines Geschlechtsteil gleicht dem seinen bis aufs Schamhaar.

Bald aber kann er kichernd auf die Große Neeberger Figur weisen, die Ähnlichkeit zu ihrem Körperbau aufweist und sich genauso umständlich auf der Bluse pellt, wie sie es oftmals tun muss, hat sie in ihrer Eile wieder einmal die Knöpfe nicht aufgeknöpft. Nackt untenherum steckt sie vor ihm mit den erhobenen Armen und ihrem Kopf in der Bluse fest.

Two Benches lässt eine Bank beschriftet mit einer kurzen Geschichte entstehen. Sie heisst: Ein Jüngling …

Eine Schiffsschraube in einer Kiste zu ebener Erde ist ein lyrisches Zitat von Tragweite. Es ergreift ihn, lässt ihn an Seemannsgeschichten denken und ferne Länder erträume Und blickt er von oben auf die Schraube in ihrer Laube, meint er in ihr die blaue Blume zu entdecken, eine Gewürzblüte zu sehen..

Eine Bronzefigur steht nur da, die Arme wie ein Pinguin leicht abgespreizt, das Kinn erhoben, sicher auf den auseinander gestellten Beinen. Der pure Stolz und vielleicht auch die Gewissheit, dass die Kraft einmal nachlassen wird, sagt sie. Für ihn steht sie nicht da, sondern liegt als tote Frau auf dem Wasser, das sie trägt. Völlig entspannt und wie bereit zum Ertrinken, meint er sie von oben herab aus der Vogelperspektive zusehen. Schließlich handelt es sich um eine Schwimmerin.

Die Lebensgröße Magdeburg ist dadurch entstanden, dass der Künstler dem Material nackt nahe gekommen ist, es umarmt, bedrängt und sich entlang an ihm gewunden, eine Art Liebesspiel betrieben hat, deren Spuren man hier und dort entdecken kann. Er hat sich solange mit dem Gips beschäftigt bis es nicht mehr ging, das Material ausgehärtet war, es ihn abwies. Weiß man nicht von diesem Akt, sagt er zu ihr, sagt einem dieser seltsame geformte Klotz nichts. Es ist die pure Erotik, der Traum des Künstlers, mit seinem Werk eins zu werden, in ihm aufzugehen, mit ihm zu verschmelzen.

In seiner Jugend habe er dem Friesen auf dem Friesen-Denkmal ähnlich gesehen. Auch so kleine Löckchen und so eine große Nase zum eher schmalen Mund. Sie hält es für möglich und geht nicht weiter darauf ein. Ihr genügt wie er heute auszieht, dass man sich mit ihm sehen lassen kann.

MEINE LIEBLINGSGESCHICHTE

till

Wie Eulenspiegel zu Magdeburg von der Ratslaube fliegen wollte.

Eulenspiegel kam gen Magdeburg und trieb viele Possen, und sein Name ward davon erst recht bekannt, so daß man von Eulenspiegel zu sagen wußte. Da ward er gebeten von den besten Bürgern der Stadt, daß er etwas Abenteuerliches treiben sollte. Da sagte er, das wollte er tun und wollte auf das Rathaus gehen und von der Dachlaube fliegen.

Da ward ein Geschrei in der ganzen Stadt, daß sich jung und alt auf dem Markte sammelte und sehen wollte, wie er flöge. Also stand Eulenspiegel auf der Laube vor dem Rathaus und bewegte die Arme und gebarte sich geradezu, als ob er fliegen wollte. Die Leute standen und sperrten Augen und Mäuler auf und meinten nichts anders, als daß er fliegen würde. Da fing Eulenspiegel an zu lachen und sprach: „Ich meinte es wäre kein Tor oder Narr weiter in der Welt als ich, doch seh‘ ich wohl, daß hier schier die ganze Stadt voll Toren ist. Und wenn ihr mir allzusammen gesagt hättet, daß ihr fliegen wolltet, ich hätt‘ es nicht geglaubt und ihr glaubtet mir als einem Toren. Wie sollt‘ ich fliegen können? Ich bin doch weder Gans noch Vogel, habe auch keinen Fittich, und ohne Fittich und Federn kann niemand fliegen. Nun sehet ihr offenbar, daß es erlogen war.“

Und er lief von der Laube und ließ das Volk stehen, einen Teil fluchend, einen Teil lachend. Und sie sagten: Das ist ein Schalksnarr, und doch hat er die Wahrheit gesagt.“

***

Die 17. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich für einen Arzt ausgab und des Bischofs von Magdeburg Doktor behandelte, der von ihm betrogen wurde.
In Magdeburg war ein Bischof namens Bruno, ein Graf von Querfurt. Der hörte von Eulenspiegels Streichen und ließ ihn nach Schloß Giebichenstein kommen. Dem Bischof gefielen Eulenspiegels Schwänke sehr, und er gab ihm Kleider und Geld. Auch die Diener mochten ihn gar wohl leiden und trieben viel Kurzweil mit ihm.
Nun hatte der Bischof einen Doktor bei sich, der sich sehr gelehrt und weise dünkte. Aber des Bischofs Hofgesinde war ihm nicht wohlgesinnt. Dieser Doktor hatte nicht gerne Narren um sich. Deshalb sprach der Doktor zum Bischof und zu seinen Räten: »Man soll weisen Leuten an der Herren Höfe Aufenthalt geben und aus mancherlei Gründen nicht solchen Narren.« Die Ritter und das Hofgesinde erklärten dazu, die Ansicht des Doktors sei nicht richtig. Wer Eulenspiegels Torheiten nicht hören möchte, der könne ja weggehen; niemand sei zu ihm gezwungen. Der Doktor entgegnete: »Narren zu Narren und Weise zu Weisen! Hätten die Fürsten weise Leute bei sich, so stünde ihnen die Weisheit immer vor Augen. Wenn sie Narren bei sich halten, so lernen sie Narretei.« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen, die weise zu sein glauben? Man findet ihrer viele, die von Narren betrogen worden sind. Es ziemt sich für Fürsten und Herren wohl, allerlei Volk an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren vertreiben sie mancherlei Phantasterei, und wo Herren sind, wollen die Narren auch gern sein.« Also kamen die Ritter und die Hofleute zu Eulenspiegel und legten es darauf an, daß er einen Plan machte. Sie baten ihn, er möge sich einen Streich ausdenken, und wollten ihm, ebenso wie der Bischof, dabei helfen. Dem Doktor solle sein Weisheitsdünkel vergolten werden, wie er gehört habe. Eulenspiegel sprach: »Ja, ihr Edlen und Ritter, wenn ihr mir dabei helfen wollt, soll es dem Doktor heimgezahlt werden.« So wurden sie sich einig.
Da zog Eulenspiegel vier Wochen lang über Land und überlegte, wie er mit dem Doktor umgehen wollte. Bald hatte er etwas gefunden und kam wieder zum Giebichenstein. Er verkleidete sich und gab sich als Arzt aus, denn der Doktor bei dem Bischof war oft krank und nahm viele Arzneien. Die Ritter sagten dem Doktor des Bischofs, ein Doktor der Medizin sei gekommen; der sei vieler Arzneikünste kundig. Der Doktor erkannte Eulenspiegel nicht und ging zu ihm in seine Herberge. Schon nach kurzer Unterhaltung nahm er ihn mit sich auf die Burg. Sie kamen miteinander ins Gespräch, und der Doktor sagte zum Arzt: »Könnt Ihr mir helfen von meiner Krankheit, so will ich es Euch wohl lohnen.« Eulenspiegel antwortete ihm mit Worten, wie sie die Ärzte in solchen Fällen zu sagen pflegen. Er gab vor, er müsse eine Nacht bei ihm liegen, damit er desto besser feststellen könne, wie er von Natur geartet sei. »Denn ich möchte Euch gern etwas geben, bevor Ihr schlafen geht, damit Ihr davon schwitzt. Am Schweiß werde ich merken, was Eure Krankheit ist.« Der Doktor ging mit Eulenspiegel zu Bett und meinte, alles, was ihm Eulenspiegel gesagt hatte, sei wahr.
Eulenspiegel gab dem Doktor ein scharfes Abführmittel ein. Der glaubte, er solle davon schwitzen, und wußte nicht, daß es zum Abführen war. Eulenspiegel nahm ein Steingefäß und tat einen Haufen seines Kotes hinein. Und er stellte den Topf mit dem Dreck zwischen die Wand und den Doktor auf die Bettkante. Der Doktor lag an der Wand, und Eulenspiegel lag vorn im Bett. Der Doktor hatte sich gegen die Wand gekehrt. Da stank ihm der Dreck im Topf in die Nase, so daß er sich umwenden mußte zu Eulenspiegel. Sobald sich der Doktor aber zu Eulenspiegel gekehrt hatte, ließ dieser einen lautlosen Furz, der sehr übel stank. Da drehte sich der Doktor wieder um, und der Dreck aus dem Topf stank ihn wieder an. So trieb es Eulenspiegel mit dem Doktor fast die halbe Nacht.
Dann wirkte das Abführmittel und trieb so scharf, schnell und stark, daß sich der Doktor ganz verunreinigte und ekelhaft stank. Da sprach Eulenspiegel zum Doktor: »Wie nun, würdiger Doktor? Euer Schweiß hat schon lange abscheulich gestunken. Wie kommt es, daß Ihr solchen Schweiß schwitzt? Er stinkt sehr übel!« Der Doktor lag und dachte: das rieche ich auch! Und er war des Gestankes so voll geworden, daß er kaum reden konnte. Eulenspiegel sprach: »Liegt nur still! Ich will gehen und ein Licht holen, damit ich sehen kann, wie es um Euch steht.« Als sich Eulenspiegel aufrichtete, ließ er noch einen starken Furz schleichen und sagte: »O weh, mir wird auch schon ganz schwach; das habe ich von Eurer Krankheit und von Eurem Gestank bekommen.« Der Doktor lag und war so krank, daß er sein Haupt kaum aufrichten konnte, und dankte dem allmächtigen Gott, daß der Arzt von ihm ging. jetzt bekam er ein wenig Luft. Denn wenn der Doktor in der Nacht aufstehen wollte, hatte ihn Eulenspiegel festgehalten, so daß er sich nicht aufrichten konnte, und gesagt, vorher müsse er erst genügend schwitzen.
Als Eulenspiegel aufgestanden und aus der Kammer gegangen war, lief er hinweg von der Burg.
Indessen wurde es Tag. Da sah der Doktor den Topf an der Wand stehen mit dem Dreck. Und er war so krank, daß sein Gesicht vom Gestank ganz angegriffen aussah. Die Ritter und Hofleute sahen den Doktor und boten ihm einen guten Morgen. Der Doktor redete ganz schwächlich, konnte ihnen kaum antworten und legte sich in den Saal auf eine Bank und ein Kissen. Da holten die Hofleute den Bischof hinzu und fragten den Doktor, wie es ihm mit dem Arzt ergangen sei. Der Doktor antwortete: »Ich bin von einem Schalk überrumpelt worden. Ich wähnte, es sei ein Doktor der Medizin, doch es ist ein Doktor der Betrügerei.« Und er erzählte ihnen alles, wie es ihm ergangen war.
Da begannen der Bischof und alle Hofleute sehr zu lachen und sprachen: »Es ist ganz nach Euern Worten geschehen. Ihr sagtet, man solle sich nicht um Narren kümmern, denn der Weise würde töricht bei Toren. Aber Ihr seht, daß einer wohl durch Narren klug gemacht wird. Denn der Arzt ist Eulenspiegel gewesen. Den habt Ihr nicht erkannt und habt ihm geglaubt; von dem seid Ihr betrogen worden. Aber wir, die wir uns mit seiner Narrheit abgaben, kannten ihn wohl. Wir mochten Euch aber nicht warnen, zumal Ihr gar so klug sein wolltet. Niemand ist so weise, daß er nicht auch Toren kennen sollte. Und wenn nirgendwo ein Narr wäre, woran sollte man dann die Weisen erkennen?« Da schwieg der Doktor still und wagte nicht mehr zu klagen.

 

Die 19. Historie sagt, wie Eulenspiegel immer ein falbes Pferd ritt und nicht gerne war, wo Kinder waren.
Eulenspiegel war allezeit gern in Gesellschaft. Aber zeit seines Lebens gab es drei Dinge, die er floh.
Erstens ritt er kein graues, sondern immer ein falbes Pferd, trotz des Spottes. Zweitens wollte er nirgends bleiben, wo Kinder waren, denn man beachtete die Kinder wegen ihrer Munterkeit mehr als ihn. Und drittens war er nicht gern bei einem allzu freigebigen Wirt zur Herberge. Denn ein solcher Wirt achtet nicht auf sein Gut und ist gewöhnlich ein Tor. Dort war auch nicht die Gesellschaft, von der Gewinn zu erwarten war usw.
Auch bekreuzigte sich Eulenspiegel alle Morgen vor gesunder Speise, vor großem Glück und vor starkem Getränk. Denn gesunde Speise, das sei doch nur Kraut, so gesund es auch sein möge. Ferner bekreuzigte er sich vor der Speise aus der Apotheke, denn obwohl auch sie gesund sei, sei sie doch ein Zeichen von Krankheit. Und das sei das große Glück: wenn irgendwo ein Stein von dem Dach fiele oder ein Balken von dem Haus, pflege man zu sagen: »Hätte ich dort gestanden, so hätte mich der Stein oder der Balken erschlagen. Das war mein großes Glück.« Solches Glück wollte er gern entbehren. Das starke Getränk sei das Wasser. Denn das Wasser treibe mit seiner Stärke große Mühlräder, auch trinke sich mancher gute Geselle den Tod daran.

 

Comments are closed.