am SELFIstock gehen durch DICK & DÜNN FÜR DEN WETTBEWERB

Peter Wawerzinek
SelfiFoto von Klaus Fiedler

lindwurmKlagenfurt beginnt in Venedig, wo ich so viele, viele Selfi-Stangenverkäufer antreffe, gleich hinterm Bahnhof auf der rialtoähnlichen Brücke. Zehn in einer Hand, von fünf, sechs Händlern angeboten. Dann, in Ljubljana, dieser wunderschönen Stadt, wo man denkt, sie besteht nur aus Kneipen, bereite ich mich auf Klagenfurt vor, nehme in einem kleinen Garten mit Blick ins Tal, ein Bad in einem himmelblauen Pool, härte mich mit kühlem Gebirgswasser ab. Im Lokal, in dem wir, mein Freund Klaus und ich und unsere slowenischen Freunde, Abendbrot essen, sitzt ein Berliner, direkt vom Helmholtz-Platz Prenzlauer Berg hierhergezogen, mit dem wir uns lange und bis ins Detail, über die Veränderungen dort unterhalten.
Angekommen in der Spar-Hauptstadt Klagenfurt im Spar-Land Kärnten, geführt vom Landes-Spar-Hauptmann und einer Spar-Bürgermeisterin fühlen wir uns im Spar-Bereich des ORF sofort sausparwohl. Ich war hier ja schon fünf Monate Stadtschreiber, kenne mich aus und gehe die Orte meiner Sympathie ab. Europahaus. Benediktiner Markt, Leberknödelsuppe essen, aus Tradition Vitaminsaft frisch gepresst mit Ingwer trinken, Selchwurst kosten, der Vroni im Theater-Café einen Besuch abstatten. Doch wie groß die Enttäuschung, der Schock, dass jene gute Seele es einfach übertrieben hat. Zu wenig Schlaf, zu viel hintereinander weg geschuftet, niemals an sich selbst gedacht und alles mitgemacht bis zum Ende jeder Nacht, ist nun einmal ungesund. Das Ergebnis Schlaganfall. Und man kann ihr nur die Daumen drücken. Einen Brief schreiben wir ihr gleich, dass wir auf sie warten, sie lieben und bald genesen sehen wollen.
Auf dem Weg von ihrem Lokal weg entdecken wir den großspurigen Kärntner, der nach einem Berlinbesuch es hier in Klagenfurt mit Berliner Kindl und Currywurst als Kneiper versucht. Wie nur soll das gehen? Wie nur soll das funktionieren? Um authentisch ein Berliner zu sein, fährt er einmal im Monat nach Berlin, kauft dort zwei Fässer, Pötte mit Berliner Ketchup und Packungen Würste ein. Dabei haben sie doch hier auch die Kieferzapfen der Zirbel. Und die werden Einkaufstaschen voll gekauft. Man kann daraus ein Elixier brauen, das lebensverlängernd wirkt. Deswegen die lange Schlange alter Männer vor dem Stand. Und der Verkäufer hat sich zwei Kohlblätter auf den Kopf gelegt. Unterblatt Weißkohl, darüber ein sattes grünes Wirsingkohlblatt gelegt. Aber ansonsten hat sich nichts geändert, ist alles wie jedes Jahr nur eben mit der Silbe Spar davor. Und Lesungen finden wieder statt. Und man kennt sich bis auf diejenigen, die neu hier sind. Und Essenmarken werden verteilt, hinten aufgedruckt ein Restaurant GE.kocht, dass es längst nicht mehr gibt. Und es ist heiß und soll noch heißer auf dem Podium vonstatten gehen, wird gemunkelt. Und dann werden Preise vergeben und die Feier fällt aus Sparsamkeitsgründen aus. Dann fährt man nach Haus und bibbert, dass es nächstes Jahr munter weitergeht. Und wie wir umherlaufen, den Ort zu finden für das unser Doppel-Selfi, bedauern wir sehr, keinen Selfi-Stock in Venedig gekauft zu haben. Nun muss der kurze Arm von Klaus als langer Ersatz herhalten.

UND DAS HABE ICH IN ABWESENHEIT VON MAGDEBURG GESCHAFFT:

DEUTSCHE WELLE BERICHTET: Die in Unterzahl angetretenen Männer sind zu recht allesamt durchgefallen. Ihre Beiträge weckten in der Jury allenfalls Erinnerungen an Kinderbuchprosa oder um journalistische Übungen, denen jeglicher literarische Überschuss fehlt. Manche Beiträge von Autoren (immerhin waren ja auch sie von Juroren eingeladen) fielen in einem Maße ab, dass man sich nur wundern konnte. Die Kluft zu den guten und erst recht den besten Beiträgen war zuweilen riesig. Dennoch, der positive Eindruck überwog deutlich beim diesjährigen Wettlesen.

Dazu beigetragen hat auch der Eröffnungsredner Peter Wawerzinek. Seine sehr persönliche Bilanz zum Auftakt der Bachmanntage „Tinte kleckst nun einmal“, die vom Werden des Schriftstellers Wawerzinek erzählt, war nicht zuletzt eine Klagenfurt-Lobpreisung; mit dem Sieg beim Wettlesen 2010 glückte dem in der Unsichtbarkeit verschwundenen Autor die Rückkehr auf die literarische Bühne. Am Rand des diesjährigen Wettlesens sah man den vormaligen Preisträger immer wieder im Gespräch mit anderen Autoren, Journalisten, Zuschauern oder auch einfach beim Plausch mit dem stattlich beleibten ORF-Kameramann. Wawerzinek Zuneigung zu Klagenfurt war allzeit spürbar und nach den Erfahrungen der vergangenen Tage wohl für viele Besucher nur zu gut nachzuvollziehen.
Der Bachmann-Wettbewerb jedenfalls hat – nach den Diskussionen darüber, ob er überhaupt fortgeführt werden sollte, die zum Glück wieder beendet sind und dem eher bescheidenen Niveau des Vorjahres – nun aufs Beste Werbung für sich gemacht.

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