DAS LEUCHTEN UND DIE LUST IM MUSEUM EINE PARTY ZU FEIERN

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Licht-Installation auf der Toilettenebene des Museums

Man fährt mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Dort ist ein kleiner Vorraum zum großen Raum. Hier kannst du dich wie im Experimentier-Studio betätigen. Kannst Hebel in Bewegung setzen, Unterdruck erzeugen. kannst zusehen, wie sich ein Luftballon von ganz allein aufbläst. Vor Leuten, die du mitnimmst, sicher eine schöne Angeberei. Und man kann hier gut auch über die Schule, Lehrer, Unterricht und seine damaligen Schulgefühle damals reden. Denn da sind ja Holzgestelle, Bottiche, Kugeln, Mechaniken, Bilder, Rahmen, Versuchsmaschinen und Vorrichtungen zu sehen. Und eine schöne bunte Scheibe mit den Gestirnen, denke ich einmal. Eine herrliche Arbeit. Und dieses Modell mit den acht Pferden die es nicht geschafft haben, damals nicht, heute auch nicht, die Kugel wieder in zwei Teile zu fetzen.

Ein kleines Mädchen, so wird erzählt, das wusste wie es geht, hat einfach Luft in die Kugel gelassen. Das Wunder geschah, siehe da. Hexerei wird man geschimpft haben, das es nicht mit rechten Dingen zugehen könne und vieles mehr. Die Zeit war so. Die Leute nicht viel dümmer als heute. Nimm ihnen allen ihre Handys weg und was sie sonst noch mit sich schleppen, puh, dann wären sie nicht viel schlauer als das Mittelalter war.

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Die Wendeltreppen herunter in den zweiten Stock, sind zwei Dinge zu betrachten. A, die schönen Geländerschwünge. B, eine aus Glassäule und Glasstangen, Kupfertrichter, Schläuche und Kabel, von Glaskugeln gekrönte, exakt in die Mitte der Wendetreppe eingepasste Konstruktion, deren Sinn es zu entdecken gilt.

Der zweite Stock lässt Partygedanken aufkommen. Ja, in diesen heiligen Hallen möchte man gern feiern und ausgelassen tanzen und saufen, reden, fröhlich sein. Zumindest möchte man einmal Mäuschen und dabei sein, wenn hier die Lutz so richtig abgeht, alle Vorsätze fallen gelassen werden, Luft abgelassen wird, Überdruck herrscht, die verschiedenen menschlichen Halbkugeln in Fahrt kommen und versucht sind, zueinander zu finden. Wenn ein Saal so brav und unschuldig ausschaut wie dieser hier, erregt er sofort die inneren, geheimen Phantasien.

Irgendwann ist da dann da auch das gestrenge Gesicht des Meisters als Kopfskulptur zu bemerken, bei dem man sich fragt, was für ein Draufgänger und Lustkollege der so gewesen sein mag. Denn immer nur Wissenschaftler sein und nie die Post abgehen zu lassen, ist nun ein Leben auch nicht wert.

Und im hinteren Zimmer dann die Überraschung des Tages: Da sitzt ein weißes Gerippe artig auf seinem Hintern, von dem man nicht weiß, ob es wirklich hierher gehört oder es eine Hobby-Arbeit des Hausmeisters ist? Es passt so gar nicht hinein. Es zieht so augenblicklich den Blick nur auf sich. Es lenkt von allen anderen Dingen ab. Und weil um mich herum so viele Schüler waren, kam ich auch gar nicht dazu, etwas zu diesem Weißköter herauszubekommen, ob es sich nicht vielleicht um das Gerippe eines Gauls handelt, eines Lamas, eines Wesens aus dem Aal? Inmitten von gelblichen Kugeln, Büchern auf Tischen und einem Fernrohrs sitzt es da. Schaut auf Globusse in großen Gestellen, leere Regale neben sich, einen Kamin, schöne Deckenbalken, reichlich verziert.

Und weil ich so neugierig bin, meine Nase mich in hintere Ecken führt, stehe ich vor einer Grotte. In ihr eine kirchliche Figur, in dem Farbton von Zahnbelag. Der heilige Lukas ist es, plappert das kleine untere Schild. Hat einen Köter oder Wolf bei sich. Und ich denke, das Gerippe drinnen, könnte von diesem Lukastier stammen. Und verwerfe den Gedanken rasch als zu abartig.

Leichter macht es mir dagegen zum Abschied die Lichtinstallation. Zwischen Damen und Herrentoilette an die Wand gebracht. Das Licht des Friedens, von Prof. Yves Charnay aus Paris entworfen, heisst es. Und ich weiß nicht so recht. Wenn ich dringend muss, nutzt mir das Leuchten da nix. Wenn ich dann Pipi gemacht habe, gehe ich an ihm vorbei. Warum ich es fotografiert habe? Das frage ich mich auch. Vielleicht, weil ich Stadtschreiber bin und denke, ich muss so etwas dokumentieren. Aber so ganz gefällt mir meine eigne Antwort nicht. Ich musste nicht aufs Klo. Es leuchtet mir zu, wie als flirtete es mit mir. Mehr lief da nicht zwischen uns, ehrlich.

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Und so sieht die Kugel, die ich bei Magritte in Brüssel sah, im Guericke-Museum von Magdeburg aus.

Ach ich fahre mit meinem Rad nun richtig allein hinaus aus der Stadt. Nicht weit, aber immerhin. Auf der anderen Uferseite wendete ein Heuwender Heu. Ein lange nicht gesehener Vorgand. Heu wenden nach der Wende. Hinter mir die grossen Speicherhäuser, das Magdeburger Mühlenwerk. Vor mir eine Lady mit langer, langer Hundeleine, an der ihr Liebling bis ins Wasser hinunter reicht. Vorbei an dem schicken Traditionsboot, über eine Brücke, mehr ein Brücklein. Einen einsamen Radweg entlang, von Buschrosen, aus deren Früchten wir damals Juckpulver zogen haben, wie wir das nannten.
Die Brücke zum Herrenkrug ist toll und man muss schon ordentlich in die Pedale reintreten, sie in einem Ritt zu nehmen. Anhalten, sich die Wasserflächen drunter ansehen, diese kleinen Idyllen, Biotope, kann man aber auch.

Drüben angekommen, nehme ich mir vor, mir später einmal richtig Zeit für den Baumbestimmungs-Park zu nehmen. Habe Nachholbedarf. Kenne nicht all die Bäume, die ich kennen sollte. Mit Singvögeln sieht es genauso schlimm bei mir aus. Bevor I die möchte ich Bescheid wissen.

Dann die Rennbahn und in ihr befindlich eine Golfanlage, von den üblichen weißen Stangen der Rennbahn-Begrenzung eingeschlossen. Ein Wasserhahn läuft und läuft und niemand ist zu sehen, nur eine Bürste liegt da herum. Ich drehe ihn ab. Wasser vergeuden nervt mich nach wie vor. All zu viele Rennen finden hier nicht statt. Mal was Mitte August, dann im Oktober, immer um 14 Uhr, also. Wöchentlich garantierte Gewinne sind hier spärlich angesagt. Fünf schöne, griechisch anmutende Säulen stehen da in Reihe, ein wenig wie hingestellt und nix weiter passierte.

Ich fahre die Pferdepensionen ab, die Landstrasse ist bestens asphaltiert. Aber in den drei Kilometer entfernten Ort will ich nicht. Ich biege ab, drehe bei wie der Kapitän sagt, kehre um, komme wieder nach Magdeburg zurück. An Eisenbahnwaggons alter Schule vorbei. Durch den verführerischen Duft der Kaffeefabrik gestrampelt. Hin zum Feuerwehrgelände, wo vor allem ausgebildet und geforscht wird. Ein ehrwürdiges Haus zum Bürgersteig hin. Abgerundete Fassade. he, man könnte glattweg Bauhausstil denken?
Gleich daneben ein Hotel mit dem Namen SLEEP & GO. Ich meine, wenn man so seine Gäste begrüsst wird, wie sollen die dann noch an einem Stadtrundgang in Magdeburg interessiert sein? Das Gebäude auf dem Sprung vom Moonlight ist sehr sehr ansehnlich.

Und dann bin ich im Museum. Nette Frauen. Kostenloser Eintritt. Fahrstuhl zum dritten Stock. Zwei Schulklassen gerade zugange. Tue ich auf Schüler, lausche ich ein bisschen rein, mache mir meine Gedanken, ob ich das und dieses auch gewusst hätte?
Suche nach den Halbkugeln. Fotografiere sie. Wenn ich einmal in Brüssel bin oder es um die von mir angestrebte Städtepartnerschaft mit Brüssel geht, habe ich sie als Beweismittel parat. Und zum Schluss dann die Eintragung ins Gästebuch des Hauses. Dank an die zwei lieben Frauen an der Rezeption. Schon einmal gewissenhaft üben, falls man mich eines Tages bittet, als Stadtschreiber Nummer drei ins Ehrenbuch der Stadt meinen Namenszug hinein zu schreiben?

Ich wette, die Damen haben sobald ich auf dem Fahrrad saß und weg war, geschaut, was ich da hinein gekritzelt und gezeichnet habe. Oh, werden sie gesagt haben, das war der Stadtschreiber? Wenn sie sich nicht beide angeguckt und die Achseln gezuckt haben und jede nicht wusste, was das ist, was das soll?

 

Der Keller hatte Heimvorteil

Nach der Lesung ist vor der Lesung,

vor der Lesung ist während der Lesung,

während der Lesung ist nach der Lesung.

Nach jener gestrigen Lesung aus Anlass: Thomas Brasch wäre 70 Jahre alt geworden, wurde es richtig schön. Oh ja, immer wieder diese Wenn-und-hätte-Themen und aber-hatte-Proleme. Er hat eben doch zu viel getrunken und gekokst. ja, überlegt doch einmal, hätte er nicht hätte? Nun ja, Sie wissen schon. Es wurde nach der Lesung dann ganz schön. Ist ja oft so. Das Übliche, Gespräche, Buchverkauf, Smaltalk, Unterschriften, Artigkeiten muss erst abgewickelt werden, dann stehen sie beisammen und reden durcheinander miteinander.

Und irgendwie stellte sich bald heraus, dass Andreas Keller hier ein Heimspiel hat. Magdeburg war lange sein Domizil. Sein Theater. Seine Bühne. Seine Welt. Sein Leben. Und es ist eine Dame neben ihm, die das mehr als nur bestätigen kann. Dann war er eine Weile weg, sagt sie mit Trauer im Gesicht geschrieben. Aber Magdeburg lässt einen nicht los, sagt er. Sie nickt. Ich ahne ein wenig, dass es stimmen könnte.

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Es heisst den Abend durchweg, Magdeburg ist toll, nur die Menschen könnten toller sein. Es heisst, es gäbe Leute, die würden Magdeburg nicht schätzten, und dann seien sie nur einen Tag lang hier unterwegs und wären rundum von der Stadt begeistert. Was, staunten sie, das gibt es hier? Ich glaube, wir reden über ein Super-Gelände (Namen leider vergessen, weil nach Lesungen so viele Namen fallen und Orte benannt, Zeiten angesagt, die lange vergangen sind, besprochen werden.), das einmalig ist in der Welt. So etwas wie Tempelhof in Berlin? frage ich. Besser allemal besser, die Antwort. Nicht damit zu vergleichen. Das gibt es nur in Magdeburg. Ich bringe meinen Freund Klaus ins Spiel, wie der zu einer höheren Kunstbeamtin an meinem ersten Tag in dem Telemann-Imperium auf die Frage, was er denn so von Magdeburg halte, posaunte: Für mich gibt es nur zwei hässliche Städte im ehemaligen Osten, Chemnitz und Magdeburg. Das war natürlich super von ihm geblasen, ich stand als eben erst eingeführter Stadtschreiber schön geplättet da, weil doch alle immer denken, dass ich wie meine trompetender Freund denke. Da hätte ich aber viel zu denken, so zu denke, wie andere, nicht ich denke.

So kann man das nicht sagen, sage ich. Aber der besteht darauf. Und wenn man ehrlich ist, sagt ein Dazwischenquatscher, auf den ersten Blick, also vom Auto aus, hinterm Steuerrad, wenn man nur durch Magdeburg durchsaust, wie sein Kumpel, der in Wirtschaft macht, wirkt das alles eher nicht anziehend, breit, leer, leblos wie die Stalinallee in Ostberlin einst als Pracht konzipiert worden ist. Und dann muss man nur anhalten, ausstiegen und losgehen, herumwandeln. Zack ist da Magdeburg plötzlich eine sehr lebendige Stadt, nicht ganz Metropole, aber reich an Orten und Winkeln und Strecken, Verstecken, Ecken hinter Hecken. Und reich an Geschichte und Denkmälern. Und Skulpturen.

Apropos Skulp und turen, die Gespräche touren sich hoch. Alles mögliche wird beredet. Es wird gelacht, getrunken, behauptet, abgewunken, sich erinnert, gesponnen, gelobt, verwiesen, hingewiesen. Es gehen Flyer um. Es werden Geschenke gemacht. Es fliegen Komplimente zu den Damen hin. Man rückt Stühle zusammen. Man sitzt sich beinahe auf der Pelle. Man erinnert sich an diesen und jenen, jenes und all diese Menschen, die verschwunden sind, nie wieder gesehen worden sind.

Und am Ende schwirrt einem der Kopf. Und deswegen macht man das ja auch, diese Lesungen, diese Konzerte, diese Abende, diese Zusammenkünfte. Und wie ich draußen stehe und als einziger eine Lulle rauche, steht da der Chor Magdeburgs, der Dienstags im Forum übt, und von denen, die da vor der Tür versammelt sind, rauchen bestimmt acht, elf Sänger munter. Während es unter den Gästen des Forums scheinbar schon verpönt ist zu rauchen. Oder sie haben es sich alle abgewöhnen müssen, alle den Brasch deswegen auch überlebt, ab einem exakten Zeitpunkt die Kurve genommen, es hinbekommen, gar nicht mehr geraucht, nix mehr getrunken und so?

Mein Fahrrad heisst Marion, Magdeburg nenne ich manchmal MARMELA-de-burg

Ein Fahrrad habe ich ja nun. Es stand an meinem Bett hier oben die Nacht durch. Es musste in meinem Zimmer stehen, weil Magdeburg eine Fahrrad-Klauer-Stadt ist, hat man mich gewarnt. Ich habe es Marion getauft, weil ich es am Tag als Marion Brasch hier im Forum Gestaltung die Lesung zu ihrem Bruder zelebrierte, in einem Magdeburger Kaufhaus gekauft habe. Einfach so. Als Nachahmer sozusagen, dazu angestiftet. Da standen ein Mann, weißer Bart, streng rasiert, so auf richtige Kürze gebracht und mit ordentlichen Ränder, Typ Lehrer oder Ägyptologe und eine dicke Frau, bunte flattrige nach unten spitz zu laufende Hose. Die zulaufende Spitzhose war das einzige was bei der Frau so einigermaßen lief. Sie schwankte mehr wie ein Pinguin, um vorwärts zu kommen. Sie stoppte vor der Rolltreppe, dass alle hinter sie zusammenprallten, so vehement. Sie plapperte etwas davon, dass sie Rolltreppen neuerdings nicht mehr mag, seit ihr einmal eins Sache herunterfallen ist oder so. Die waren behäbig. Die hielten sich bei den Händen. Die waren ständig vor uns und wählten einen Weg, dass man einfach nicht an ihnen vorbeikam, nur durch einen herzhaft-spontanen Sprint, den ich dann mit einigen anderen wagte. Und dann standen die beiden vor einem Rad, als ich da vorbeikam. Ein jugendliches Ras, 26er denke ich. Mit so Bogen nach hinten als Rahmen und ohne Schutzblech und geformten Reifen, die wie Gebisse aussehen. Ein Hyperrad also, das sie sicher nicht für sich kaufen. Ein sportliches, schwarzrot gefärbtes Rad a la bikelike. Die diskutierten nicht lange. Die wartete auf die Verkäuferin und kauften es, und führten es wie ein Familienmitglied liebevoll ab.
Und ich sehe dann Marion, als Marion noch nicht Marion heißt. Und kaufe das Rad dann auch ohne lange zu fackeln. Ist eine Tüte beigelegt, mit Werkzeug, jubeli, sagt die Verkäuferin. Nein, nein, das ist nicht immer der Fall. Glück gehabt, junger Mann. Sagt Jungermann zu mir, hehe. Das Ding ist dann mein und ich muss es mir erst zu einem Rad zusammenpuzzeln. Da etwas schrauben. Dort etwas einbauen, anpassen. So in gebückter Haltung, mit meiner Umhängetasche, die dauernd dazwischen gerät und scheinbar mir beim Schrauben behilflich sein will, geht das nicht. Ich würde sonst ja mehr und mehr genervt sein und in Schweiß geraten. ich würde hektisch arbeiten und unter diesen Leuten leiden, die da kommen werden und lauter Ratschläge erteilen (Rad-Schläge austeilen). Nein nein. Ich bringe mich und mein Rad von hier rasch fort zu einem neuen Ort, proper ins Büro. Dort kann ich die Puzzelei ganz ungestört in bester Ruhe langsam Schritt für Schritt erledigen. ich kann mir übers Netz einen Montagebericht ansehen und mache dann weniger falsch.

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Ich habe ja im Forum ein Büro. das heisst, wir haben ja ein großen Büro im Form Gestaltung, das nenne ich Peter & Peter, weil da zwei Peters arbeiten. Peter, der Student und Praktikant. Peter der Radbastler und praktikante Stadtschreiber zu Magdeburg.
Denke ständig nach, übrigens, wie man Magdeburg vom Namen her definieren kann: MARKTdeburg. MACHTdeburg. MAMAburg. MARMELA/deburg. MADE in BURG. Muss jeden Tag eingen Dingen, mit denen ich zu tun habe, Namen geben. See ist dann Lotus. Deutschland ist ddemnach Terra Mater. Goethe heisst bei mir Schnuller. Schiller heisst bei mir Kantor. Stalins Datsche nenne ich Jauche. Handy ist Sofa. Brot ist Mozart. Butter ist Hinrichtung. Yoghurt ist ein toller schwarzer Schnauzer mit der Gabel zu löffeln oder so. Haare sind Handschuhe, Musik ist Klebstoff, ein Buch wird zum Gärtner, und so weiter und so fort. Und morgen wechselt das bei mir automatisch. Das aber nur nebenbei gesprochen. Es ist ja auch etwas peinlich, wenn einer so einen Spleen hat wie ich. Wenn die Stadt als Wort plötzlich eine Frau ist, Magdeburg eine Medusa wird, ich mein neues Fahrrad ein Trampolin nenne oder Ruhekissen. Aber das möchte ich lieber für mich ganz geheim halten, dass ich jeden Tag ein paar Dingen andere Namen gebe.
Also dann war Probefahrt entlang der Elbe. Gucken, dass nix wackelt, schleift, klappert oder gar sich löst und abfällt. Und heute fahre ich dann für ein paar Stunden durch Magdeburg, von Magdeburg weg und wieder zurück, in die Umgebung. Der „Mückenwirt“ wird als Ausflugskneipe den Anfang darstellen. Eine Fähre gibt es auch. Ich kann also Kapitän sein, für die Überfahrt mich als ein solcher fühlen. Ein Wort das ich auch mag ist: unpässlich. Und das nächste Mal schreibe ich über die Lesung im Forum, ja.

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Mich lässt der Gedanke um Brüssel und Magdeburg kaum schlafen. Denk ich an Magdeburg in tiefer Nacht, singt es in mir wie Heinrich Heine einst hat an Deutschland gedacht. Schon bin ich auf Magdeburg als Brüssel gebracht. Und sehe Magdeburg in zehn Jahren klar vor Augen. Und weiß, was dann auf Magdeburg zukäme:

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eins: Unermüdlicher Fortschrittsglaube.
zwei: Sehnsucht nach der autobefreiten, gerechten Stadt.
drei: Veränderungen des Stadtbildes.

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Magdeburg würde zuweilen in den Verdacht einer „Brüsselisierung“ geraten.
Magdeburg hätte sich zu charakterisieren.

Eine Ghettoisierung relativ zentral gelegener und kulturell unerschlossener Stadtviertel müsste folgen. Das ginge aber ja nur durch Ansiedlung armer und kulturell schwer integrierbarer Zuwanderer.

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Radikalität täte not, wie sie zum Charakteristikum des modernen Brüssel führte.

Städtepartnerschaft MAGDEBURG – BRÜSSEL jetzt

 

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Meine Städtereisen von MAGDEBURG aus, führte mich nun ihrem BRUDER BRÜSSEL.Ich war im Botanischen Garten recht angenehm befreit von Massen und Straßenlärm. Ich war im ComicMuseum etwas enttäuscht wie wenig Tim und Struppi ich dort vorgesetzt bekam. Es war so heiß. Ich war so klar bei Verstand. Und dann entdeckte ich MAGDEBURG im Brüsseler Magritte-Museum wieder. Und nun bin ich dafür, dass MAGDEBURG dringend mit BRÜSSEL eine Partnerschaft aufnimmt, denn ein großer Sohn dieser Stadt weist mit MAGDEBURG eine künstlerisch-historische Verwandtschaft. Ich meine in Magritte´s Bilder immer weder vom Meister hinein gezauberte MAGDEBURGer Halbkugeln zu sehen. Und was mir auch an ihm gefällt, he, dieser Maler hatte seinen Spaß in seiner Zeit gehabt. Er hat mit der Weite und Leere so wundervoll experimentiert. Er hat große Landschaften durch kleine Details bereichert. Ich würde, wäre ich dazu imstande, MAGDEBURG auch so sehen wollen wie MAGRITTE. Es sind in dieser Stadt so große Malflächen vorhanden, man muss nur in die Stadt gehen und sie sehen. MAGDEBURG ist eine Leinwand und mit eben solch kleinen liebevollen Anspielungen zu bereichern. Allein die vielen MA´s zwischen MAgritte – MAlerei – MAgdeburg. BRÜSSEL – MAGDEBURG, ich höre da so viel herrlichen Gleichklang zwischen den Worten und Namen heraus.

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Nach-Danker

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Ich hatte meine Rede noch flink im Fahrstuhl geordnet und parat. Die ist gut, sagte der Mann aus dem fünften Stock, über und über mit Fanschals behangen. Sein Enkel im blauweißen Kinderwagen lachte laut. Ich redete Teile meiner Rede, beide nickten sie. So machten wir uns auf zum Rathausplatz. Aber dann dauerte es eine Weile, ehe der Bus vorfuhr mit den Jungs. Und noch eine Weile weiter, bis sie sich ins Ehrenbuch eingeschrieben hatten. Wenn Fussballer mit den Händen arbeiten sollen, oh je. Dann war es schon fast eine halbe Stunde zu spät. Erst wollte ich vom Ehrenbus aus die Rede schmettern, aber sie kamen mir alle bereits entgegen. Dann ging ich ihnen nach ins Rathaus. Okay. Als ich auf dem Balkon stand, wurde ich mächtig eingenebelt. Blaue, weiße Schwaden legten sich über meine Papiere. Ich hätte jetzt eine Nebelschutzbrille gebraucht.

Was für Rede? wurde ich von einem Ordner gefragt. Nix da, brauchen wir nicht. He, Mensch, siehe doch nur. Selbst der Bürgermeister macht es denkbar kurz, hebt bloß einen Fanschal über seinen Kopf, ruft: Endlich, endlich, nach fünfundzwanzig Jahren Mauerfall. Fertig, Junge. Und schon kamen die Stars auf den Balkon, drückten mich hopsend, jubelnd, singend glattweg ins Abseits. Okay. Dann eben nicht, sagte ich mir. Dann eben keine Festrede. So sieht es aus. Ich habe mir die Daumen plattgedrückt. Meine Daumen haben die Mannschaft in die dritte Liga geschoben, gefiebert. Und nun komme ich als ihr Stadtschreiber nicht einmal dazu meinen Dank an mich und alle Fans, die wie ich mitgeholfen haben, zu reden.

In einem Jahr, sage ich Euch, wenn es um den Eintritt in die zweite Liga geht, bin ich nicht mehr im Amt. Dann werden sie dem neuen Stadtschreiber eine Rede nahelegen. Dass der etwas von Fussball versteht, muss nicht sein. Chance verpasst, Jungs, sage ich bei meinem Abgang aus dem Rathaus unter Böllerschüssen. Mission Rede aufgehoben, Jungs.

Und bin dann in der Bötelstube am Platz. Was nen Bötel ist, wolln sie wissen? antwortet der Wirt. Eisbein, sagt er.

Blau-Eis-Bein scherze ich. Esse ich morgen.

Vorerst ist mir irgendetwas mit meiner Nicht-Rede auf den Magen geschlagen. Und gehe langsamen Schritts über den Platz in meine Schreibbude zurück.

(Rede wird morgen offiziell HIER veröffentlicht)