Cassel: In geselliger Hinsicht habe ich nie angenehmer gelebt.

10. Teil der Erinnerungen der Frau Geheimen Justizrat Catharina Luise C a r o l i n e Kienitz, geb. Ransleben

1808 – 1811

Am 30. Oktober 1808 wurde unser lieber Adolf geboren, als erster Sohn wurde er doppelt freudig vom Vater begrüßt. Die befreundeten Familien, welche wir in Cassel hatten, nahmen sich bei dieser Gelegenheit meiner freundlich an und ich fühlte es in dieser Hinsicht durchaus nicht, dass ich so entfernt von den Meinigen war.

Erst im nächsten Frühjahr lernte ich die schönen entzückenden Gegenden um Cassel kennen, welche mich entzückten. Die Wahlverwandten, welche wir in Cassel gefunden, wurden uns immer lieber und in geselliger Hinsicht habe ich nie angenehmer gelebt. Mit den Franzosen kamen wir nicht zusammen und mein Mann hatte auch wenig mit ihnen zu schaffen. Der Chef der Justiz war zwar ein Franzose, aber ein sehr ehrenwerter Mann, welcher sich die Achtung aller Gutgesinnten erworben hatte. So lebten wir ruhig und zufrieden im fremden Lande, obgleich es uns an kleinen Sorgen nicht fehlte, da meines Mannes Einkommen nicht bedeutend war und in mancher Hinsicht war es teuer in Cassel, z. B. Miete und alle Kolonialwaren, welche durch die Kontinentalsperre, welche der große Tyrann allen Ländern aufgelegt hatte, hervorgerufen war. So mussten wir das Pfund Zucker mit einem Rth. bezahlen, darin aber kann man sich am ersten einschränken. Ich erinnere mich, dass ich meist den Monat nur 2 Pfund Zucker verbraucht habe.

Im August 1810 wurde unser lieber Karl geboren und dieser Zuwachs unserer Familie erhöhte allerdings unsere Sorgen, namentlich für die Zukunft, aber auch unsere elterlichen Freuden, denn obgleich der Knabe nur zart und fein war, gedieh er doch sichtlich.

Im Mai 1811 machte ich mit meinen Kindern eine Reise nach Berlin zu meinem Vater. Ich weiß, dass ich vielfältig darum getadelt worden bin, dass ich meinen Mann verließ, indessen andere Menschen konnten die Triebfeder dieser Handlung nicht so genau wissen und ich glaube, daher einige Worte zu meiner Rechtfertigung sagen zu müssen:

Mein Vater schrieb unaufhörlich davon, welche Sehnsucht er nach mir und meinen Kindern habe und wie unglücklich er sich allein fühle. Meine beiden Schwestern konnten nicht füglich zum Vater ziehen und deshalb wünschte mein Vater, mein Mann sollte in Cassel seine sichere Stellung verlassen und in Berlin Justizkommissarius werden, was meinem Mann ganz zuwider war und was doch auch wirklich vermessen gewesen wäre. Dazu kam, dass wir noch immer sehr unvollständig eingerichtet waren und nun die Zahl unserer Kinder sich vermehrt hatte, wir eine größere Wohnung brauchten. Unsere Finanzen aber waren durch die vielen Reisen sehr zerrüttet und es war daher für uns eine große Ersparnis, wenn ich den Sommer über mit meinen Kindern auf des Vaters Kosten lebte. Zu meinem Mann aber zog H. Provensal, dessen Frau und Tochter, während der Zeit nach Magdeburg gingen.

Ich machte mich daher mit meines Mannes Zustimmung getrost auf den Weg, hatte beim schönsten Wetter, wodurch der Sommer von 1811 sich so sehr auszeichnete, eine sehr angenehme Reise und kam wohlbehalten in Berlin an. Mein Vater war entzückt über unsere Kinder und hatte wirklich eine große Vorliebe für sie.

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