… und weiter im Text.

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Vom Zug aus durch den eckigen Tunnel, ein paar Stufen hinauf zum Ausgang hin, sagt sie: Die Menschen sehen hier schon quadratisch aus. Und muss darüber lachen. Draußen vor der Tür sitzt ein einsamer Punk auf einer Decke, für sich und seinen Hund. Sein Iro ist hell gefärbt, sein T-Shirt ärmellos und löchrig. Der Hund pennt. Der Vorplatz ist rasch überquert, die Gleise der Tram genommen, links halten sie sich und auf das Forum zu. Dort im Büro einen Kaffee trinken und den Innenhof inspizieren, der gerade Spielfläche für die Schmonzette des Sommers ist. Schauspieler sprechen Rollen, üben Tänze ein und vor ihnen ist da bereits die Tribüne aufgebaut, die zweihundertfünfzig Zuschauern Platz bietet. Einen gelb-ockerfarbenen Wohnwagen Typ Super hat der Leiter herangeholt. Er schließt ihn auf stellt ihn innen vor. Im Wohnwagen wagen zu wohnen, sagt sie und geht in dieser Vorstellung sichtbar auf. Dann verabschiedet sich die Praktikantin, sie muss ihre Katze einschläfern lassen, Herr Nielson heißt sie.

Und dann beginnt ihre erste Radtour mit dem Skulpturenpark um das Kloster Unserer Lieben Frauen los. Sie kann sich für Straßennamensschilder begeistern. Zum Beispiel Prämonstratenserberg. Das muss man erst einmal fehlerfrei und flockig aussprechen können, sagt sie mit respektvoller Mime. Sie gehen über den Rasen und um die einzelnen Plastiken herum. Sie hakt sich bei ihm ein, sagt: Das ist so schön hier, ich fühle mich wie im Paradies. Er kann ihr zu den Figuren einiges sagen. Sie geht die Sache emotional an. Die Mutter zum Beispiel zum Kind, das ihr zu Füssen mit durchgedrückter Wirbelsäule liegt, ist anmutig anzusehen und durchaus sehr betrachtenswert. Er steht in ihrem Rücken. Du siehst dir den Hintern an. Ja, sagt er, der kommt in keinem Katalog vor und ist von der Meisterin sehr liebevoll und ausdauernd mit den Händen herausgearbeitet, die restliche Figur eher grob und flink gearbeitet worden. Dass er vorher ein Büchlein durchgeackert hat, ihr all das erzählen zu können, verschweigt er ihr gegenüber und geht davon aus, dass sie wohl davon ausgehen wird. Dass sie nach Magdeburg reisen werden war ihm lange vorher bekannt, er hat genügend Zeit gehabt, sich die Muße zu nehmen und sich vorzubereiten.
Sie kommen auch zu dieser Brücke, die alt ist und verrostet war, sich neuerdings in einem durch Sandstrahlung entrosteten Look zeigt. Du bist das Beste was mir je passiert ist mein Engel seht dort geschrieben ist alles. Sie schießen einige Selfis mit dem Schild im Hintergrund und küssen sich. Und fahren dann zum Mückenwirt. Dort sind die Buden bereits geöffnet und es sitzen vereinzelt auch ein paar Gäste herum. Sie stellen ihre Fahrräder ab, gehen auf den Grillstand zu. Egal, was es gibt, ich will heute alles auf einmal essen, ruft sie, dass es der Mann am Grill hören kann. Der wirbelt hinterm Stand und sagt: So schnell geht es nun auch nicht. Er öffnet gerade die Verpackungen, holt Fleischbatzen heraus, legt die ersten Steaks aufs Gitter. Es gibt Bulette, Bratwurst, Steak und Gewürzgurke, Kartoffelsalat. Dann nehme ich erst einmal Kartoffelsalat. Eine große Kelle bekommt sie auf die eckige Pappe gepappt und der Kartoffelsalat ist kalt. Und die Gewürzgurke ist es auch. Und sie gabeln und stochern in Salat herum und putzen den Teller rasch weg. Ein zweiter Teller wird geordert. Dazu gibt es nun Cola für sie, Kirschsaft für ihn. Das ist doch hoffentlich eine normale Cola, nichts light oder so, fragt sie beängstigt. Light ist doch nur Gift das sie daran tun, sagt sie. Ist Normalcola antwortet er beflissen. Und kichert ein wenig wegen des Giftes wegen, das light in sich enthalten haben soll.
Dann ist der Grillmann soweit. Er schenkt die ersten Bulette des Tages aus. Die zweite bekommt er für sie ausgehändigt. Das Brot hätte man sich sparen können, sagt sie und dass sie dieses Pappbrot sowieso nicht mag. Er sagt: In einer richtigen Bulette muss soviel Brot mit eingemengt sein, dass es keine Scheibe Brot dazu braucht. Er kenne einen Kumpel, witzelt er, der habe in einer Berliner Kneipe einmal eine Berliner Bulette gegessen und sich wegen Verdacht auf Fleischvergiftung in Behandlung begeben müssen. Und dann hätten sie die Berliner Bulette untersucht und festgestellt, in ihr war nicht ein Gramm Fleisch vorhanden. Sie fragt in welcher Gaststätte Berlins das gewesen wäre, was das für Ärzte gewesen seien. Er mag ihre Naivität und dass sie über sich lachen kann, obwohl sie den Witz nicht verstanden hat.
Betreten verboten Lebensgefahr warnt ein Schild am Maschendrahtzaun vor einem verfallenen Gebäude aus Glas. Zackige Struktur, als hätte der Magdeburger Taut daran mitgewirkt, der diese Zeitungskioske entworfen hat, erklärt er. Bunt angemalt und wie als würden sie aus störrischer Pappe gefaltet worden sein. Ah, sagt sie mit ihrem flachen Alleswisser in der Hand, Bruno Taut. Den hab ich. Und liest gleich aus dem Netz vor: Mit der Gestaltung der Gartenstadt-Kolonie Reform in Magdeburg haben sich Taut und Hoffmann großes Ansehen erworben. Da dringender Bedarf an einer weitreichenden Stadtentwicklung bestand, berief der sozialdemokratische Bürgermeister Hermann Beims 1921 den avantgardistischen und kreativen Architekten Bruno Taut zum Stadtbaurat mit dem Auftrag, für Magdeburg einen Generalsiedlungsplan zu erstellen. Taut umgab sich mit einem Stab junger und gleichgesinnter Architekten wie Johannes Göderitz und Carl Krayl. Neben der Fertigstellung des Generalsiedlungsplans, der bis in die nachfolgenden Jahrzehnte Wirkung zeigte, setzte Taut seine architektonische Farbgebung in Magdeburg konsequent durch. Dazu startete er bereits im Jahr seiner Berufung eine Zeitungskampagne unter dem Titel Aufruf zum farbigen Bauen. Bis zur Eröffnung der großen Mitteldeutschen Ausstellung Magdeburg im Jahre 1922 waren in der Innenstadt 80 Hausfassaden nach Tauts Entwürfen farbig gestaltet worden. Obwohl sich Taut damit heftige Kritik von Magdeburger Bürgern einhandelte, geriet die Aktion zu einem erfolgreichen Werbefaktor für die Stadt, die ihr zeitweilig den Titel Bunte Stadt Magdeburg und eine beachtliche Resonanz in der Tages- und Fachpresse einbrachte. Im Zusammenhang mit der Ausstellung entwarf Taut die Ausstellungshalle Stadt und Land, die 1922 als sein einziges Magdeburger Einzelbauwerk fertiggestellt wurde.
Nebenan schippert die Fähre hin und her. Und ganz weit hinten ist die blaue Brücke übern Fluss zu sehen. Und sie sagt: Da, schau wie breit der Fluss an dieser Stelle ist. Wenn du dir die beiden Menschen dort drüben ansiehst, wie klein sie wirken, kann man es erst richtig ermessen. Unglaublich diese Elbe.
Und dann fahren sie zurück, sind an der Sternbrücke, überqueren sie, langen auf der anderen Uferseite an, fotografieren sich am Schaufelraddampfer, schieben ihre Fahrräder an den dunklen Gebäuden vorbei. Die sehen wir in Norwegen aus, sagt sie, so dunkle Ziegeln. Er weist sie auf die sechs Pferdefiguren auf sechs hohen eckig gemauerten Säulen hin. Mit denen kann man gut Schach spielen, sagt sie. Und dann sind sie an dem kleinen See um einen kleine Insel herum, auf der diese steinerne Glocke steht, eine Art Pavillon für Verliebte, über einen seitliche Brücke zu erreichen. Und auf dem Wasser ein paar Tretboote. Eins davon in Form einen Automobils. Und in der Mitte schießt eine Fontaine auf und drei kleine Sprudel blubbern flach und breit kreisrund als Wasserpudding vor sich hin. Sie setzen sich. Sie zückt ein kleines Notizbuch und muss erst einmal alle ihre bisherigen Erlebnisse notieren: Sonst vergesse ich das alles noch bevor es Abend wird. Zu ihren Füssen emsige Ameisen, darunter einige von beachtlicher Größe, keine Superameisen, aber immerhin scheinen einige Exemplare von ihnen hier stattlich aufzuwachsen.
Am Nachmittag sind sie in einem Kaufhaus in der Wäscheabteilung, sich nach Bettzeug umsehen und werden flink in der Jugendabteilung fündig. Partnerbettwäsche. Die Verkäuferin ihnen zur Seite sagt: Ist mal was anderes, kommt nicht so oft herein. Die Motive sind der Jagd entlehnt, nur ein wenig poppiger gestaltet. Seine Bettwäsche trägt die Aufschrift Platzhirsch, die ihre ist eine Bergzicke mit Edelweiß geschmückt. Dazu leisten sie sich glatte Bettbezüge in einen kräftigen Weinrot. Mit den Packen unterm Arm gehen sie in ihre Pension, hoch oben im Punkthaus. Sie hat dort das Gästeapartment für sich und ihn gemietet. Hier hält sich normalerweise der Stadtschreiber auf. Sie sind außerhalb seiner Amtsmonate angelangt. Die Bude steht zur Verfügung.

 

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